Duisburg: „Prima la Mamma!“, Gaetano Donizetti

© Sandra Then

Für die Spielzeit 2024/25 ursprünglich noch unter dem bekannteren Titel Viva la Mamma! angekündigt, feierte Gaetano Donizettis komische Oper nun am 16. November unter dem Titel Prima la Mamma! am Theater Duisburg Premiere. Die Umbenennung war aus rechtlichen Gründen notwendig geworden, da der Verlag, der das Stück 1969 unter dem Titel Viva la Mamma! herausgebracht hatte, diesen Titel nun exklusiv für seine Version der Oper beansprucht. Die Oper am Rhein hat sich jedoch für die Originalfassung Le convenienze ed inconvenienze teatrali von Ricordi entschieden. Für noch mehr Belcanto-Flair bedient sich die Deutsche Oper am Rhein zudem bei weiteren Donizetti-Opern wie beispielsweise Anna Bolena oder Lucrezia Borgia sowie der Ouvertüre aus Alahor in Granata.

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In Le convenienze ed inconvenienze teatrali, zu Deutsch Sitten und Unsitten am Theater, erzählt Donizetti die Geschichte einer reisenden Operntruppe, die für die große italienische Oper „Romulus und Ersilia“ probt. Mit dabei sind der deutsche Komponist und gleichzeitige Dirigent Maestro Andreas, der Librettist Heinrich und der Regisseur Bertolt. Doch immer wieder kommt es zu Unstimmigkeiten im Ensemble, die Primadonna Daria fühlt sich nicht genügend wertgeschätzt und geht mit ihren Starallüren allen Anwesenden auf die Nerven. Auch ihr Ehemann und Agent Procolo mischt sich immer wieder ein. Das geht so weit, dass es mit Dorothea, die als Mezzosopran in der Hosenrolle des Romulus auftritt, zu einem handfesten Streit kommt. Man kann sich einfach nicht einigen, ob die Oper nun „Romulus und Ersilia“ oder „Ersilia und Romulus“ heißen soll. Der aus Venezuela stammende Tenor Jesus hat derweil Probleme mit der Aussprache, und als plötzlich auch noch Mamma Agata auftaucht und sich beschwert, dass ihre Tochter Luigia als Begleiterin der Ersilia nicht genügend gewürdigt wird, eskaliert die Situation. Dorothea und Jesus reisen ab, Mamma Agata und Procolo übernehmen mehr oder weniger eigenmächtig ihre Rollen, doch leider sind beide nicht wirklich musikalisch.

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In Ermangelung einer Probebühne hat Regisseur Daniel Kramer die Probe in die Räumlichkeiten einer Schule verlegt. Das Stück beginnt quasi mit dem Einlass in den Saal, denn die Musiker im etwas höher gelegenen Operngraben üben fleißig ihre Einsätze. Nach und nach treffen weitere Musiker mit etwas Verspätung ein. Auch die Scheinwerfer werden noch einmal richtig eingestellt, auch wenn das in einer Schule natürlich nur bedingt Sinn macht. Trotzdem ist das ganze Treiben schön anzusehen. Für die Schule hat der Bühnenbildner Justin Nardella einen sehr phantasievollen Raum entworfen, der allerdings mit seinen Krokodil-, Drachen- und Schweinchenzimmern eher an einen Kindergarten als an eine Schule erinnert. Das Konzept der Inszenierung, sowohl Theater als auch Schule als Raum für Kreativität zu sehen, geht diesbezüglich auf. Auch die Kostüme von Shalva Nikvashvili sprühen geradezu vor Kreativität. Im zweiten Akt ist dies fast wörtlich zu nehmen, denn hier sind nun fast alle Darsteller in Kostüme gekleidet, die vor künstlicher Muskulatur nur so strotzen. Ob es sich dabei beim Männerchor unbedingt um circa 40 cm lange, erigierte Penisse (laut Duden neben Penes erlaubter Plural) handeln muss, sei dahingestellt. Leider ist dies auch das große Problem des Abends, denn die Inszenierung war sicherlich eine Menge Arbeit, nur scheint man sich irgendwann in zu viel kreativem Input verloren zu haben. Durch zu viele, teilweise groteske Übertreibungen geht der eigentliche Charme und Witz des Werkes im Laufe der 2 ½ Stunden völlig verloren. Man hat das Gefühl, dass das Regieteam oft zu viel wollte und unter diesem Ballast leider auch die guten Ideen der Inszenierung verpuffen. Dass hier viel mehr möglich gewesen wäre, zeigen vor allem die drei Rollen des Regisseurs (Günes Gürle), des Komponisten (Torben Jürgens) und des Librettisten (Valentin Ruckebier), die sehr schön mit verschiedenen Klischees des Theaterbetriebs spielen. Auch Andrés Sulbarán parodiert den Tenor Jesus sehr charmant. Aber was nützt das, wenn Mamma Agata ständig in die übergroßen Brüste gekniffen wird oder ein „Kacke-Smiley“-Sitzkissen aus der Schultoilette gezogen und durch die Gegend geworfen wird? Schade auch um das an sich rührende Ende, in dem die Oper aus Kostengründen ganz geschlossen werden muss und die zuvor so affektierten Künstler plötzlich ganz menschlich werden.

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Musikalisch gefällt der Abend. Die Duisburger Philharmoniker spielen beim Heimspiel des musikalischen Leiters Benjamin Reiners schwungvoll auf. Gelegentlich übertönt das Orchester wohl die Darsteller etwas, vor allem, wenn sich auf der Bühne recht schnell gesungene Texte überlagern. Hier sollte in den folgenden Aufführungen noch etwas nachjustiert werden. Die Oper Prima la Mamma! wird übrigens in deutscher Sprache aufgeführt, wobei die enthaltenen Proben zu „Romulus und Ersilia“ in italienischer Sprache verbleiben. Durch die eingangs erwähnte Hinzunahme weiterer Werke Donizettis erhalten alle Mitglieder der reisenden Operntruppe einen größeren Gesangspart. Im Einzelnen waren dies bei der Premiere neben dem bereits erwähnten Andrés Sulbarán als Tenor Jesus Maria Polańska als Dorothea, Heidi Elisabeth Meier als Luigia, Beniamin Pop als Procolo und Slávka Zámečníková als Primadonna Daria sowie Scott Hendricks als Mamma Agata. Das Publikum zeigte sich am Ende des Abends sehr gut unterhalten und spendete allen Beteiligten großen Applaus, was auch für das Inszenierungsteam galt. Und das ist es, was am Ende zählt. Ein überwiegend begeistertes Publikum sagt vielleicht mehr über die Inszenierung aus als die Meinung eines einzelnen Theaterkritikers.

Markus Lamers, 17. November 2024


Prima la Mamma!
Komische Oper
von Gaetano Donizetti

Deutsche Oper am Rhein, Theater Duisburg

Premiere: 16. November 2024

Inszenierung: Daniel Kramer
Musikalische Leitung: Benjamin Reiners
Duisburger Philharmoniker

Trailer

Weitere Aufführungen: 22. November / 30. November / 8. Dezember / 21. Dezember / 31. Dezember / 12. Januar