Duisburg: „Shortcuts“, Ballettabend mit sechs kurzen Werken

Neben mehreren abendfüllenden Werken zeigt das Ballett am Rhein in dieser Spielzeit einen rund 110minütigen Ballettabend, der sich ausschließlich recht kurzen, dennoch aber interessanten eigenständigen Choreographien widmet. Hierbei ist keines der Werke länger als 15 Minuten, frei nach dem bekannten Sprichwort „In der Kürze liegt die Würze.“.  Dem Zuschauer wird hierbei ein bunter Strauß verschiedener Tanzstiele geboten, der dafür sorgt, dass trotz des meist schwarzen Bühnenbildes keine Langeweile aufkommt. Den Beginn macht die Choreographie Short Cut von Hans van Manen, die bereits im Januar 1999 am Nederlands Dans Theater uraufgeführt wurde. Seinen Fokus legt van Manen hierbei auf die Essenz des Körpers und des Tanzes. Damián Torío zeigt mit den drei Tanzpartnerinnen Doris Becker, Sara Giovanelli und Lara Delfino nacheinander gleich drei Pas de deux im durchaus klassisch poetischem Ballettstil zu zwei Streichquartetten von Jacob ter Veldhuis. Choreographie und Darsteller können hier gleichermaßen überzeugen, was das recht zahlreich anwesende Premierenpublikum mit einem ersten großen Beifall dankt.

Artifact II / © Bernhard Weis

Die nachfolgende Uraufführung Eine kleine Frau basiert auf einer Kurzgeschichte von Franz Kafka, die im Programmheft in Ausschnitten abgedruckt ist und aus der im Rahmen der Aufführung immer wieder durch einen Sprecher einzelne Passagen zitiert werden. Aus einer Gruppe von Menschen – der Gesellschaft – schälen sich ein Ich und eine Frau heraus, zwischen denen offenbar ein Konflikt besteht. Um diesen Konflikt und um den eigenen Stand innerhalb der Gesellschaft drehen sich die folgenden gut 10 Minuten. Die Kanadierin Neshama Nashman ist seit der Spielzeit 2020/21 Mitglied der Compagnie des Ballett am Rhein und entwickelte bereits in der Vergangenheit immer wieder kleinere eigene Choreographien. Eine kleine Frau ist nun ihr erstes Auftragswerk, welches sehr rhythmisch und ausdrucksstark beginnt. Die 12 Tänzer und Tänzerinnen bilden hierbei eine beeindruckend synchrone Einheit. Im weiteren Verlauf wechseln sich Solos, Duette und Gruppenszenen ab, von denen besonders letztere zu gefallen wissen. Im Gegensatz zu Short Cut, kommt hier eine sehr moderne tänzerische Umsetzung zur Geltung. Etwas klassischer geht es dann wieder bei North Country zu, der zweiten Uraufführung des Abends. Zu verschiedenen Country- und Folk-Klängen schuf Bridget Breiner, derzeit Ballettdirektorin und Chefchoreographin am Staatstheater Karlsruhe, ein schwungvolles Werk für zwei Tanzpaare. Das bereits von Johnny Cash und Bob Dylan besungenen North Country soll hierbei symbolisch für eine Art Sehnsuchtsort stehen, z. B. eine zurückgelassene Heimat von dem die Tänzer und Tänzerinnen aufbrechen, um neue Wege zu erkunden. Hierbei werden sie von den Zuschauern zu verschiedenen Orten begleitet, deren Bilder symbolisch an großen Bannern hochgezogen werden. Eine erfreuliche Abwechslung im überwiegend schwarz gehaltenen Bühnenraum.

Ebony Concerto / © Bernhard Weis

Den ersten Teil des Abends rundet eine Choreographie von Demis Volpi ab, die im Februar 2015 vom Ballett Dortmund uraufgeführt wurde. Wenn man an Igor Strawinsky denkt, kommen einem vielleicht nicht gleich Jazzklänge ins Ohr. Dennoch schuf Strawinsky 1946 mit Ebony Concerto ein recht spritziges Werk für Klarinette und Jazzensemble. Hierzu wirbeln Futaba Ishizaki und Miguel Martínez Pedro regelrecht über die Bühne, so dass der Schweiß den beiden Tänzern in diesem Falle im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben steht. Es folgt eine Pause, während der man das fünfte Werk des Abends entdecken kann. Die installative Choreographie Parallel Bodies von Virginia Segarra Vidal entstand ursprünglich für das Duisburger Lehmbruck Museum. Sechs Darsteller wandeln in der angepassten Umsetzung nun nicht durch ein Museum sondern durch das Theaterfoyer und verschmelzen förmlich mit dem Raum des Theaters. Auf den Treppenaufgängen kann es hierbei dann schon mal schnell zu einem Stau kommen, da sich die Darsteller nur sehr langsam bewegen. Sehr schön ist dann aber gegen Ende der Pause ein Zusammentreffen aller sechs Darsteller, deren individuellen Wege durchs Gebäude sich schließlich vor der linken Garderobe im Erdgeschoss treffen.

Parallel Bodies / © Bernhard Weis

Nach der Pause folgt mit Artifact II von William Forsythe nur noch ein Werk, welches man aus heutiger Sicht sicherlich auch zu den größeren Klassikern zählen kann. Zur Musik von Johann Sebastian Bach kommt die Compagnie in sehr großer Besetzung zum Einsatz. Es entwickelt sich ein heiteres Spiel mit den Gedanken der Zuschauer, denn während die Musik durchgängig spielt, schließt sich der Vorhang immer wieder aufs Neue. Anschließend sieht die Szenerie auf der Bühne dann gänzlich anders aus als erwartet. Ein gelungener Abschluss für einen etwas anderen Ballettabend, der tänzerisch und von der Konzeption überzeugend daher kommt. Allerdings muss man sich als Zuschauer auch darauf einlassen können, dass es hier keine vorgegebene Handlung gibt, sondern jeder Zuschauer für sich ganz unterschiedliche individuelle Eindrücke gewinnen kann.

Markus Lamers, 25. März 2023


Shortcuts

Ballettabend mit sechs kurzen Choreographien von Hans van Manen, Neshama Nashman, Bridget Breiner, Demis Volpi, Virginia Segarra Vidal und William Forsythe

Deutsche Oper am Rhein, Duisburg

Besuchte Premiere: 24. März 2023

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