Premiere: 27.10.2018
Mein Gott, Hilsdorf
„Vollendet das ewige Werk“, so läßt sich am Ende von „Rheingold“ Wotan stolz vernehmen. Der neue Rheinopern-„Ring“ wird sicher nicht ewig bestehen, aber vermutlich etliche Jahre den Spielplan besetzen. Langfristige Reaktionen des Publikums bleiben mit einiger Sorge abzuwarten. Am Ende der „Götterdämmerung“ wurden die musikalischen Ausführenden frenetisch gefeiert, das Inszenierungs-Team jedoch massiv ausgebuht.
Beim optischen Bereich ist anzufangen, eignet ihm doch stets besondere Wirkungsmacht. Er vermag zudem musikalisches Erleben zu intensivieren – freilich auch zu vernichten. An der Deutschen Oper am Rhein ist der bayreutherfahrene Axel Kober für Wagners Werk ein optimaler Anwalt. Er versteht es, die Musik in ihrem breitgefächerten Ausdruck mit nachgerade körperlicher Intensität erlebbar zu machen, ihr narkotische Klangwirkungen zu entbinden, dunkel raunend hier, dramatisch-ekstatisch dort. Sein Dirigat trägt den Zuhörer ohne Spannungseinbruch über die fünf Stunden Aufführungsdauer hinweg, von der Nornen-Szene bis hin zum feuer-flammenden Finale.
Bei den Szenikern macht Renate Schmitzer mit ihren leicht historisierenden Kostümen die beste Figur. Die Materialien für Dieter Richters Bühnenbauten scheinen indes aus irgendwelchen Rumpelkammern, wenn nicht gar von einer Müllhalde zu stammen. In seiner aussagelosen Landschaft könnte man so gut wie jedes Stück spielen lassen, was dann freilich auch für die „Götterdämmerung“ gilt.
Angesichts der Inszenierung von Dietrich W. Hilsdorf kommen einem fast schon die Tränen. Welch wunderbare, dabei mitunter rabiat gegen den Strich gebürstete Inszenierungen hat dieser Regisseur nicht schon geboten, in Gelsenkirchen, Essen oder auch Köln. Geradezu mirakulös war Händels „Saul“ 2001 in Bonn. Doch jetzt scheint sich Hilsdorf lediglich einen Jux machen zu wollen. Das vom „Rheingold“ her verbliebene Zirkusportal mit seinen Glühbirnchen, welche nach Gusto blinken und flimmern, bedeutet bereits ein Signal.
Die Aufführung beginnt mit einem Kaffeekränzchen der Nornen. Die „dritte“ ist mit ihrem Gesöff allerdings nicht zufrieden. Es bedarf einigen szenischen Aufwands, um sie doch noch zufrieden zu stellen. Der Kellner mit seiner Pferdeschanz-Frisur wird auch später immer wieder in den Handlungsablauf einbezogen, sogar bei der Trauermusik zu Siegfrieds Tod. Hier versucht er sogar, dem Horn des massakrierten Helden noch einige Töne zu entlocken. Selten so gelacht.
Besonderer Humor ist der Mannenszene im zweiten Akt eigen. Da stecken die Sänger doch wahrhaftig in Karnevalsuniformen, als sei bereits Rosenmontag angesagt. Einige Funkenmariechen proben mit schmerzverzerrtem Gesicht Spagat. Daß der von Gerhard Michalski einstudierte Chor in blendender Verfassung singt, kann nur vorübergehend von dem Affentheater ablenken. Wenn Hagen kurz vor Siegfrieds Ermordung sein „Hörst du dieser Raben Gesang“ hören läßt, wandern durch den Zuschauerraum laute Krächzlaute. Es ließen sich noch manch andere neckischen Einfälle von Hilsdorf aufzählen. Aber das würde schmerzen.
Unter den Sängern sind der Gunther von Bogdan Baciu (den sein ausladender Bariton stark für das italienische Fach prädestiniert) und der Alberich von Michael Kraus (ein sehr skurriles Porträt) hervorzuheben. Beim Hagen des baßpotenten Hans-Peter König wäre ein wenig mehr Dämonie wünschenswert. Gute Besetzung von Gutrune (Sylvia Hamvasi) und Waltraute (Katarzyna Kuncio). Auch die Rheintöchter (Anke Krabbe, Kimberley Boettger-Soller, Ramona Zaharia) und die Nornen (Susan Maclean, Sarah Ferede, Morenike Fadayomi) gefallen. Der letztgenannten Sopranistin merkt man aber nun doch langsam die lange Karriere an.
Der Siegfried von Michael Weinius ist körperlich ein wahres Kraftpaket. Der Eindruck eines „großen Kindes“ verliert sich aber rasch. Seine Stimme blüht heldentenoral auf, gewinnt zudem tragische Konturen, und seine lyrischen Phrasen beeindrucken, rühren sogar. Darstellerisch gibt sich Weinius zudem sehr engagiert.
Linda Watson imponiert als Brünnhilde noch immer mit ihren enormen vokalen Reserven und sicheren Höhen. Einige Spitzentöne allerdings fallen – wie auch bei ihrem Partner – etwas heikel aus. Ein Schmiß bei „Starke Scheite“ ist gerechterweise zu erwähnen, aber nicht weiter zu monieren.
Bilder (c) Hans-Jörg Michel
Christoph Zimmermann (28.10.2018)