Bilder (c) Palyi
am 30.1.2016
Opulente Inszenierung von 1997
Nun ist die äußerst farbenprächtige und choreographische Inszenierung der Turandot von Balázs Kovalik aus dem Jahr 1997 wieder in das Erkel Theater, dem Ort seiner Premiere, zurückgekehrt. Und der Chor kann nun wieder, wie in der Regie vorgesehen im zweiten Akt effektreich vom Zugang zu den Balkonlogen aus, im zweiten Akt auftreten. Das Regiekonzept folgt im Wesentlichen dem von Carlo Gozzi vorgegebenen Märchenduktus und versucht nicht zu aktualisieren oder zu modernisieren. Das Bühnenbild von Éva Szendrényi wird von zwei symmetrischen, abgewinkelten Stiegen Aufgängen beherrscht, über die Lanzen- und Schwertträger hinauf- und hinablaufen.
Nichts überlässt der an August Everdings Theaterakademie in München ausgebildete Regisseur, der sich gerade im Arrangieren von Massenszenen als ein Meister seines Fachs erweist. Nichts wirkt da wie beiläufig. So tritt der große Gong, mit dem sich Kalaf am Ende des ersten Aktes Prinzessin Turandot als neuer Freier ankündigen wird, gleich zu Beginn der Oper in einer eindrucksvollen Choreographie gewendet, gedreht und mit stoßenden Drohgebärden gegen das Publikum gerichtet, vorgeführt. Ebenso beklemmend wirkte auch der in dunkle Kuli Gewänder gehüllte, teils maskierte Chor (Kostüme: Márta Jánoskúti) der Ungarischen Staatsoper, der von Kálmán Strausz prächtig einstudiert wurde und von der Regie mit mannigfachen darstellerischen Aktionen betraut wurde. Die koreanische Sopranistin Jee Hye Han hat im Alter von nur 28 Jahren ihre ersten Vorstellungen als Turandot an der Budapester Staatsoper gesungen.
In der Zwischenzeit hat sie diese Rolle, neben anderen, auch an der Volksoper in Wien interpretiert. Nun mehr tritt sie erneut in dieser Rolle in Budapest auf. Man merkte ihr leider an diesem Vormittag (die Vorstellung begann um 11 Uhr!) die ungeheure Kraftanstrengung an mit der sie diese Wahnsinnspartie doch einigermaßen zufriedenstellend bewältigte. Es ist immer wieder erstaunlich, welche extrem schwierigen Werke dem Publikum in Budapest an einem Vormittag geboten werden. Die Künstler haben oft keine Zeit, sich ausgiebig einzusingen und das merkt dann der aufmerksame Zuhörer deutlich. So leider auch beim rumänisch-ungarischen Haustenor Atilla B. Kiss, der über lange Strecken merklich „knödelte“ und zu keiner ausgewogenen Linie fand. Immerhin gelang ihm beim „Nessun dorma“ ein imposantes drittes „vincerò“, für das er auch verdienten Szenenapplaus erhielt. Dafür punktete er aber für seine besonders intensive Verkörperung der Rolle des Sohnes des entthronten Tatarenkönigs Timur, den István Rácz würdevoll mit seiner gewaltigen Bassstimme erfüllte.
Zita Váradi bot als malinconica Liù die wohl beste gesangliche Leistung an diesem Vormittag. Besonders gefühlvoll gestaltete sie ihre erste Arie „Signore, ascolta“ und mit ihrer Abschiedsarie „Tu, che di gel sei cinta“ im dritten Akt rührte sie zu Tränen und verhauchte schließlich in den Armen des bestürzten Kalaf ihr Leben. Das illustre Ministertrio, Lajos Geiger als Kanzler Ping, László Beöthy-Kiss als Marschall Pang und Tivadar Kiss als Küchenmeister Pong, erfüllte in Puccinis letzter Oper den eher komischen Part und sang ausgewogen nicht nur bei ihrem ersten tänzerischen Auftritt. István Róka war ein solider Kaiser Altoum. Tamás Busa gefiel als eindrucksvoller Mandarin. Die beiden Hofdamen waren in den Kehlen von Tünde Bognár und Irma Háberl sehr gut aufgehoben.
Der große routinierte Alleskönner am Pult des Orchesters der Ungarischen Staatsoper, János Kovács, zeigte auch am Vormittag keinerlei Ermüdungserscheinungen. Die Pentatonik in der Musik durchzieht Puccinis Turandot wie ein unsichtbarer Faden und erstrahlte in der Umsetzung durch János Kovács im ausgewogenen Wechsel zwischen effektvollen, schwelgerischen Bögen und kurzen Tempi, vor allem in den Ensembleszenen. Zufriedener Applaus des Publikums und zahlreiche Vorhänge für die Künstler beschlossen diese Vormittagsvorstellung im Erkeltheater.
Harald Lacina 2.2.16