Essen: „Der Ring an einem Abend“

Premiere am 24.2.2019

Loriot / Wagner

Liebe Opernfreunde, diese wunderbare Inszenierung, für die wir sogar unseren OPERNFREUND STERN verliehen haben, darf nun, in der von uns besprochenen Gestalt, leider nicht mehr aufgeführt werden. Die Erben und Copyright-Inhaber STUDIO LORIOT (email: s.v.buelow@studioloriot.de) habern das untersagen lassen. Grund: Lizenzgebühren wären nur für eine einfache konzertante Aufführung ausgehandelt worden und nicht für szenische Ausarbeitung.
PB

Statt 15-stündigem Bombast erleben die Besucher in Essen eine urkomische, dreistündige Reduktion, die Wagners Meisterwerk trotz all ihrer Albernheiten nie bloßstellt, sondern sich vor ihm verbeugt.

Stefan Klein (Literatur & Feuilleton)

Nur wenige wissen, daß Loriot sogar Honorarprofessor für Theaterkunst an der Berliner Universität der Künste war. Wer seine Auseinandersetzung mit dem Ring als Klamauk bezeichnet, hat leider überhaupt nicht verstanden, worum es ihm ging. Aber der klassische Wagnerianer versteht halt keinen Spass – erst recht nicht, wenn es um den heiligen Ring geht und seine hehren Göttergestalten. Promt leerten sich auch im Aalto-Theater nach der Pause einige – Gott sei´s gedankt – wenige Reihen vermutlicher Altar-Wagnerianer, die finsteren, dampfenden Blickes den Weg ins Parkhaus nahmen. Sauerei auf den Lippen. Vermutlich hatte man den Namen Loriot nicht gelesen und erwartet eine klassische Wagner-Gala a la Best of the Ring.

Verehrte Opernfreunde, ich muß Ihnen mitteilen, daß es tatsächlich eine Gala war, nur in anderem Sinne, denn blendender und brillanter wurde ich mit Wagners Ring in 50 Jahren Ring-Genuß und -Verdruss nie unterhalten. Die vier Stunden vergehen wie im Flug – und das bei 100 Prozent originaler Wagnermusik. Das will was heißen.

Der Vorhang ist offen, und wir blicken auf eine rechts und links am Bühnenportal an zwei langen Tafeln mit Schreibkram und Wasserkaraffe sitzende illustre Runde; auf den ersten Blick vermutlich Wissenschaftler oder Opernintendanten, die sich auf einem Symposium mit eben diesem Wagner und seinem Ring beschäftigen. Im Hintergrund sitzt das große Essener Wagnerorchester – am Pult Robert Jindra.

Vorne rechts steht eine Badewanne. Eine Badewanne? Ja – genau die Badewanne! Auf den Konferenztischen stehen Namensschilder. Bei näherem Hinschauen – ab Reihe 15 wird es schwierig – erkennt man jedoch, daß nicht die Namen von Opernstädte wie z.B. Düsseldorf, Leipzig, Hamburg oder Berlin darauf stehen, sondern Woglinde, Flosshilde, Wellgunde, Wotan, Loge, Alberich…etc. Der Platz hinter dem Schild Brünhilde ist noch leer, was die anderen sichtbar erregt und empört. Nur Ruhe, Freunde möchte man als inhaltlicher Kenner des Rings rufen: Die Brünhilde ist ja am Anfang noch nicht dran. Jetzt hört man im Hintergrund ein schweres Motorrad brummen und im krachledernen harten Motorradrocker-Dress kommt die hehre, gewichtige Maid doch noch.

Der Leiter der Konferenz – ganz wunderbar, schon fast besser als Loriot selber Jens Winterstein – im Programmheft nur als Sprecher ausgewiesen, obwohl die Maske ihn unverkennbar als Loriot zeichnet, beginnt mit den Worten:

Meine Damen und Herren, wären die Rheintöchter nicht so zickig gewesen, hätte uns das drei weitere riesige Opern erspart.

Dann kündigt er die nun folgenden 130 unendlichenTakte des Rheingold-Vorspiels an. Musik marsch! Und zu den ersten Noten des Orchesters verfallen langsam die Symposiums-Teilnehmer auf ihren Bürostühlen erkennbar einem orgiastischen Wagner-Rausch. Ein Bild für die Götter. Der Alberich-Sänger fällt aus dem Rahmen, denn er reagiert auf die Musik mit dem klassischen Headbanging des Heavy-Metal-Fans, oder hat er etwa Kopfhörer auf und hört was völlig anderes?

Regisseur Sascha Krohn gelingt es, mit unzähligen Requisiten und vielen Anspielungen in brillanter Weise Loriots Humor in zweimal 100 Minuten nachzuspüren. Wir werden ihm dafür unseren heißbegehrten OPERNFREUND-Stern verleihen, denn es ist einfach grandios und permanent Lachtränen erzeugend. Dabei korrellieren seine feinsinnig, filigran aber auch manchmal derb-intelligent ins Wagnergeflecht eingewirkten Seitenhiebe – auch aufs sogenannte Regietheater – einfach genial mit Loriots Einfällen, Geschichten und Originalrequisiten. Was für ein Gesamtkunstwerk! Es steckt fast in jeder Szene ein Loriot. Das ist so ungeheuer vielfältig, daß man diesen Abend unbedingt mindestens zweimal genießen sollte, denn beim ersten Mal übersieht man im Trubel doch Einiges, denn auf dieser Bühne und in dieser irrsinnig tollen und durchdachten Inszenierung steckt Loriot überall.

Außer der Jodelschule kommt praktisch alles vor. Man muß nur haarklein beobachten und seinen Loriot kennen. Daher werde ich hier, denn es wäre Spoiler-Wahnsinn für alle, die noch reingehen wollen – was ich dringend empfehle -, nicht weiter auf die wirklich tollen Geistesblitze und Coups eingehen. The Ring to end all Rings 😉

Künstlerisch muß man das ganze tolle Team loben – keine Einzelbravi wie in Bayreuth. Und auch beim passabel spielenden Orchester sieht man über Einiges hinweg; es gilt ja der Kunst des Humors in diesem feinsinnigen Gesamtkunstwerk, dekoriert mit Wagners Ring-Musik. Hier gelten also keine Festspielansprüche.

Fazit: Die Essener Philharmoniker spielen passablen Wagner und die Sänger treffen die Töne. Mehr ist ja auch gar nicht intendiert. Also Wagnerianer mit Humor, entspannt Euch und genießt einfach. Schöner kann man sich mit Wagners Werk nicht unterhalten. Dieser Ring ist einmalig. Hinfahren!

PS: Wagner is simply great!

Wenn sich die sieben veritablen Möpse – unfassbar, man traut seinen Augen nicht – zu Siegfrieds Trauermarsch alle schlagartig zum Orchester ausrichten und gebannt zuzuhören scheinen, dann ist für alle – obwohl der Held gerade dahingemeuchelt wurde – die Welt doch wieder in Ordnung. Ne watt ist datt schön! Diese Musik kann nicht übel sein, wenn sogar Hunde sie mögen.

Bilder (c) Matthias Jung