In der phänomenalen Inszenierung von Claus Guth war die Premiere der beiden grandiosen Einakter „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók (1881-1945) mit dem Libretto von Béla Balázs und „La voix humaine“ von Francis Poulenc (1899-1963) im Festspielhaus Erl brillant zu erleben! Ein weiterer, überwältigender Erfolg für Star-Tenor und Intendant Jonas Kaufmann! Diese Neuinszenierung ist eine Koproduktion mit dem Maggio Musicale Fiorentino. Die Düsternis und furchterregende Gefährlichkeit von Herzog Blaubarts undurchsichtiger Persönlichkeit, von der sich Judith magnetisch angezogen fühlt und ihm in seine Burg folgt, um seine Geheimnisse zu ergründen und in seiner Nähe zu bleiben versetzte Claus Guth in einen großen gediegenen Raum, der an eine private Bibliothek erinnerte, in dem das Feuer in einem offenen Kamin lodert, vor dem sich das Seelendrama dieser beiden schwer verletzten Persönlichkeiten abspielte und die Schicht für Schicht weiter in die Tiefgründe ihres Menschseins vordrangen. Wie leblose Puppen, dann wieder wie automatisch funktionierende Marionetten traten Blaubarts frühere Frauen in Erscheinung, zu denen Judith letztendlich als seine „Mitternachts-Frau“ gehören sollte. Während des Prologs (Gergö Kaszás) traten Judith, in einem Brautkleid mit Schleier gekleidet und Blaubart bereits gemeinsam auf.

Im Verlauf der Austragung ihres beiderseitigen Konflikts agierte Judith fast nackt auf der Bühne. Das hochkarätige Team um Star-Regisseur Claus Guth unterstützte meisterhaft die Intentionen des Regisseurs. Monika Korpa (Bühnenbild), Anna Sofie Tuma (Kostüme), Michael Bauer (Licht) und Choreografie (Evie Poaros). Musikalisch war dieses Werk ebenso mitreißend wie Claus Guths Inszenierung. Das exzellente Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter der präzis stringenten, musikalischen Leitung von Martin Rajna imponierte mit einer tiefgehenden, symphonisch machtvollen, hochdramatischen und ausdrucksstarken Umsetzung des Bartók‘schen Oeuvres. Gesungen wurde in ungarischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln. Florian Boesch beeindruckte in der Rolle des Herzog Blaubart mit starker, authentischer Bühnenpersönlichkeit, sowie souveräner stimmlicher Intelligenz und Präsenz. Die Mezzosopranistin Christel Loetzsch fesselte als Judith mit hochkonzentrierter, stimmlicher Ausdruckskraft, schonungsloser Authentizität und intensiver Präsenz. Teilweise akrobatisch eingesetzt die hervorragenden Tänzer und Schauspieler. Evie Poaros, Sonja Golubkowa und Mirjam Motzke.
Während der Überleitung zum zweiten Einakter des Abends „La voix humaine“ ertönte der dritte Satz, Elegia, aus dem Konzert für Orchester von Béla Bartók. Auf der Bühne erschienen erneut die beiden Protagonisten aus Herzog Blaubarts Burg. Man hatte das Gefühl, als würde die Geschichte noch einmal erzählt werden. Auf der gegenüber liegenden Bühnenseite war jedoch bereits die Protagonistin aus dem zweiten Einakter zu erkennen, die allein auf der Bühne zurückblieb und „La voix humaine“ von Francis Poulenc begann. Geprägt von überragender Intensität setzte Claus Guth diese Monooper in einem Akt nach dem gleichnamigen Monodram von Jean Cocteau fulminant in Szene.

Eine zerrüttete Frau telefoniert mit ihrem Geliebten, die eine bereits auslaufende Liebesbeziehung noch nicht ganz aufgeben möchte. Aus ihren Antworten und Reaktionen, die geradezu in Hysterie mutieren, kann man erkennen, dass die Beziehung bereits vorbei ist und die verzweifelte Frau sich nur mehr an ein Phantom klammert. Die Stimme des Mannes ist nicht zu hören. Ihre Telefonate begannen in einem Hotelzimmer, in dem sie ganz vorne auf der Bühne postiert wurde. Daraufhin betrat sie den Raum, in dem bereits Herzog Blaubarts Burg stattfand. Blaubart trug sie, im wahrsten Sinne des Wortes, durch die Szene, während die Frau immer wieder verzweifelte Telefongespräche mit ihrem „Geliebten“ führte oder auf seinen Anruf wartete. Schließlich projizierte sie ihre gescheiterte Liebesbeziehung, die dominiert war von Liebe, Gewalt, Abhängigkeit und Enttäuschung auf Blaubart und erschoß ihn, bevor sie entseelt zusammenbrach. Musikalisch war, ebenso wie Claus Guths Inszenierung, „La voix humaine“ enorm packend und vielschichtig. Das exzellente Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter der hochkonzentrierten, musikalischen Leitung von Martin Rajna reflektierte höchst beeindruckend die Zerrissenheit, Hysterie, Verzweiflung und Angst dieser einsamen Frau wieder. Grandios war Barbara Hannigan in der Rolle von La femme (Die Frau)! Mit überragender Intensität, hingebungsvollem Körper- und Stimmeinsatz, enormer Präsenz und Ausdruckskraft durchlebte sie fulminant alle Schattierungen dieser exzeptionellen Frauenfigur.
Eine fantastische Premiere und ein Riesenerfolg! Beide Einakter wurden vom Publikum, zu Recht, mit stehenden Ovationen und Bravo-Rufen frenetisch bejubelt und gefeiert!
Marisa Altmann-Althausen 14. Juli 2024
Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)
Herzog Blaubarts Burg / La voix humaine
Béla Bartók / Francis Poulenc
Tiroler Festspielen Erl
11. Juli 2025
Regisseur Claus Guth
Dirigat: Martin Rajna
Orchester der Tiroler Festspiele Erl