
Die erste Opernpremiere der diesjährigen Tiroler Sommerfestspiele unter der Intendanz von Star-Tenor Jonas Kaufmann, war sehr ergreifend im Festspielhaus Erl zu erleben. Die österreichische Erstaufführung der zeitgenössischen Oper in sieben Szenen „Picture a Day Like This“ von George Benjamin (*1960) und dem Libretto von Martin Crimp (*1956), die in englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln aufgeführt wurde, ist eine gemeinsame Auftragskomposition von Festival d‘Aix-en-Provence, Royal Opera House Covent Garden, London, Opéra national du Rhin, Straßburg, Théâtres de la Ville de Luxembourg, Oper Köln und Teatro di San Carlo, Neapel. „Kaum hatte mein Kind begonnen, in ganzen Sätzen zu sprechen, war es gestorben.“
Der Säugling einer Frau stirbt, was sie nicht akzeptieren will. Ihr wird gesagt, dass sie ihr Kind auf wundersame Weise wieder zum Leben erwecken kann, wenn sie einen glücklichen Menschen findet und „einen Knopf von dessen Ärmel abschneidet“. Voller Hoffnung nimmt sie ein Blatt Papier, das ihre Reiseroute skizziert, und macht sich auf die Suche. Auf dieser Reise trifft sie die unterschiedlichsten Menschentypen mit verschiedenen Berufen, immer mit der Hoffnung ihr totes Kind wieder zum Leben erwecken zu können. Die Oper dauert genau eine Stunde, in der in sieben abgeschlossenen Szenen die Odyssee dieser verzweifelten Frau erzählt wird.
In der Inszenierung von Daniel Jeanneteau und Marie-Christine Soma, die auch für das Bühnenbild, Lichtdesign und die Dramaturgie zuständig sind, steht diese, vom Schicksal schwer getroffene Frau imittelpunkt, die auf ihrer Suche nach einem glücklichen Menschen, um ihr Kind wieder ins „Leben“ zurückzuholen, in die absurdesten Situationen gerät, die ihr nicht das erwünschte Resultat bringen werden. Sie wirkt wie eine alleingelassene Einzelgängerin, die zum Beispiel auf ein Liebespaar während seines Liebesaktes trifft, weiters einem Kunsthandwerker begegnet, einer Komponistin, danach „erwachen tote Blumenstängel wieder zum Leben“, wodurch die Frau immer enttäuschter wird und ihre Suche nach dem Glück fehlgeschlagen zu sein scheint. Sie trifft auf einen Sammler, der ihr helfen will und ihr die Türe zu einem Garten öffnet, dort begegnet sie Zabelle, die sie schließlich dazu zwingt den Garten und Zabelle in einem neuen Licht zu sehen.
Die grundlegenden Themen des menschlichen Daseins wie Tod, Hoffnung, Verzweiflung, Isolation, Liebe und Enttäuschung sind die Grundessenzen dieses ergreifenden Werkes. In beeindruckenden Bildern werden die einzelnen Stationen der Reise dieser, nach dem Glück suchenden Frau, eindrucksvoll in Szene gesetzt. Der Garten, in dem die Toten Blumenstängel wieder zum Leben erwachen, wird durch eine Videoprojektion (Video: Hicham Berrada und Licht: Laurent Irsuti) auf einen Bühnenvorhang so plastisch und wirklichkeitsnah projiziert, dass man das Gefühl bekommt sich selbst in diesem Garten zu befinden. Blumenstängel fallen projiziert zu Boden und erblühen neu. Die Frau bleibt als Außenseiterin einfach gekleidet, während die zumeist schillernden Persönlichkeiten, denen sie auf ihrer Reise begegnet, dies auch in bunten, farbenfrohen Kostümen reflektieren (Kostüme: Marie La Rocca).

Musikalisch fesselte dieses außergewöhnliche Werk durch eine enorme Spannungsbreite, Intensität und Ausdruckskraft. Das exzellente Orchester der Tiroler Festspiele Erl in Zusammenarbeit mit dem Schallfeld Ensemble unter der hochkonzentrierten, stringenten musikalischen Leitung von Corinna Niemeyer präsentierte fein differenziert, homogen und überaus klangvoll die Intentionen des Komponisten. In der anspruchsvollen Rolle der „Woman“ beeindruckte die Mezzosopranistin Xenia Puskarz Thomas mit gehaltvoller, sehr gut geführter Stimme, hoher Musikalität, Präsenz und konzentrierter Ausdruckskraft. Mari Eriksmoen verkörperte eine intensive, persönlichkeitsstarke Zabelle mit fesselndem, dramatischem Impetus. Beate Mordal („Lover l/ Composer) überzeugte mit souveränem Sopran, sowie spielerischer Authentizität. Paul Figuier („Lover ll/ Composer‘s Assistant“) ließ mit seinem gut geführten Countertenor aufhorchen. George Clark („Artisan/ Collector“) beeindruckte mit technischer Souveränität, Bühnenpräsenz sowie fundierter Musikalität. Hervorragend ergänzten die ausdrucksstarken Schauspieler: Lisa Grandmottet, Eulalie Rambaud und Matthieu Baquey.
Ein mitreißendes, zutiefst berührendes Ausnahmewerk, das in Erinnerung bleibt und zu Recht vom Publikum bejubelt wurde. Ein wohlverdienter, großer Erfolg für alle Beteiligten!
Marisa Altmann-Althausen, 13. Juli 2025
Besonderer Dank an unsere Freunde und Kooperationspartner vom MERKER-online (Wien)
Picture a day like this
Benjamin Britten
Erl, Festspielhaus
Tiroler Festspiele Erl Sommer 2025
4. Juli 2025
Inszenierung: Daniel Jeanneteau und Marie-Christine Soma
Musikalischen Leitung: Corinna Niemeyer
Orchester der Tiroler Festspiele Erl