Berlin: Neujahrskonzert

Ehrenrettung der Operette

Wie die von Wien und Dresden zusammen macht sich das Neujahrskonzert der Komischen Oper Berlin aus, wenn es nicht nur als Zugaben den Donauwalzer und Radetzky-Marsch gibt, sondern außerdem Gesangssolisten für Ausschnitte aus Opern von Lehár und Kálmán für eine gute Stimmung sorgen. Der eigentliche Star aber sollte an diesem Abend, dem bereits ein Nachmittagskonzert voran gegangen war, der Moderator Ioan Holender sein, der mehrfach auf die Verfolgung wichtiger jüdischer Komponisten und Interpreten durch die Nationalsozialisten hinwies, dabei aber wie in seinen anderen Beiträgen nicht weit über den Text des Programmheftes hinaus ging. Allerdings gab es auch etwas zu lachen wie über die Behauptung, in Österreich könne man einen der heiß begehrten Orden erhalten entweder durch ein „sich ihn verdienen, sich ihn erdienern oder ihn sich erdinieren“. Auch wusste Holender Einiges über Entstehungs- und Erfolgsgeschichte der im Programm stehenden Werke zu vermitteln.

Im Programm wechselten Orchesterstücke von Johann Strauss Sohn (ein von den Nazis arisierter „Achteljude“) sich mit Gesangsnummern aus dem „silbernen“ Zeitalter der Operette ab. Mit dem aus Ungarn stammenden Chefdirigenten der Komischen Oper Henrik Nánási (siehe Foto) war natürlich der genau richtige Sachwalter dieser Musik gewonnen worden, der aus manchem an Salonungarn gemahnenden Stück schon beinahe echte Volksmusik werden ließ, der mit exzellenter Agogik, so raffinierten Rubati, nie in die Nähe sentimentaler Gefälligkeit geriet und eindrucksvoll bewies, was für gute, einfallsreiche und originelle Musik die viel geschmähte Operette, deren Ehrenrettung eines der Ziele der Komischen Oper ist, bieten kann. Sein straffes Dirigat rettete auch den „Spanischen Marsch“ vor der gar nicht spanischen Banalität, sorgte für rasante, aber nie überhitzte Tempi für Galopp und Polka und süffige, aber nie schnulzige Walzerseligkeit.

Viel Begabung und auch einige Erfahrung brachten die Gesangssolisten für das Opernsängern ehe fremde Metier mit. Anstelle der erkrankten Nicole Chevalier sang Liana Aleksanyan die der Primadonna zugedachten Stücke, nachdem sie am Abend zuvor bereits in der Deutschen Oper für die erkrankte Sängerin der Mimi eingesprungen war. Ihr in der Höhe schön aufblühender Sopran, der stets weich und geschmeidig blieb, passte ausgezeichnet nicht nur in eine Puccini-Oper, sondern auch zur Gräfin Mariza oder zur Csárdásfürstin. Als wolle sie alle Klischees für eine Operettensoubrette bedienen, wiegte sich Mirka Wagner in den Hüften, kokettierte, was das Zeug hielt, war stimmlich aber zum Glück eher von herberer Machart. Auf seine Erfahrungen bei der Staatsoperette Dresden konnte der Tenor Peter Renz zurückgreifen und dazu auf einen gestandenen Tenor. Sehr elegant gab sich der Bariton Dominik Köninger, der dazu noch einen schön timbrierten, flexiblen und höhensicheren Bariton sein Eigen nannte – ein idealer Danilo, den er allerdings nicht sang, sondern stattdessen den Paganini und den Edwin.

Immer mehr erwärmte sich das Publikum im Verlauf des Abends für die Operette und Wiener Musik und schlug mit seinem Klatschen zum Radetzky-Marsch, angefeuert vom Dirigenten, um Klassen die Wiener.

2.1.2014 Ingrid Wanja
Foto: Gunnar Geller