Kontrapunkt: „Regietheater – wie bitte?“

Oder „Regie-Theater – wie bitte? Meinen Sie das ernst?“

Vor 200 Jahren war alles klar und eindeutig. Alles, was in Theatern oder Opernhäusern jedweder Art lief, wenn es nicht als Schauspiel, Konzert oder Ballett daherkam, war eine Oper.

Oper ist, wenn die dicke Dame singt, hieß es ironisch. Da fällt mir sofort der uralte Witz ein, der übrigens auch in der größten Sammlung aller Zeiten (!) mit Namen „Humor & Musikerwitze“ noch bei uns im alten OF steht, die ich in mühseliger Kleinarbeit über Jahrzehnte einst zusammengetragen habe. Schauen Sie bitte an trüben Tagen mal rein. 😉

Ein Mopedfahrer fährt vor der Wiener Staatsoper die füllige Primadonna an, die ihn darauf hin anherrscht „Idioto kompletto – kannst Du denn nicht um mich herumfahren!“ worauf dieser antwortet „Entschuldigung Madame, aber ich dachte, dann reicht mein Benzin nicht“.

Könnte heute niemals mehr passieren, oder? Man glaubte auch lange, dass ein schweres Übergewicht berufliche Grundvoraussetzung (großer Resonanzkasten!) für eine tolle Stimme wäre. Jeder, der Pavarotti richtig kennt, wird das bestätigen, denn in jungen Jahren war er wirklich begnadet. Niemals hat jemand Una furtiva lagrima ergreifender und schöner gesungen. Später stand dann bei Big P die Bühne voller robuster Stühle, weil der dicke Sänger kaum mehr als sechs Schritte gehen konnte, ohne ernsthaft in Atemnot zu geraten. Den wahren Fans war das egal …

Werkreue (c) Peter Klier

Doch zurück zum Begriff Oper, dann kommt gleich das Wort Rampengesang – in Bonn wurde vor über 20 Jahren (Ohrfeigenaffäre) der Begriff Stimmporno geboren. Die Sangesbarden und Walküren drapierten sich meist unbeweglich vorne an der Rampe und sangen bravourös ins Publikum. Heute heißt das semikonzertante Aufführung. Die Bühne war sekundäre Staffage, Schauspielkunst verpönt oder galt als schädlich, man konnte ja stolpern. Das war den Großen peinlicher als das fünfte Wiederauferstehen von der Totenbahre und die Wiederholung der letzten Bravour-Arie durch anhaltende „bis“-Rufe. Die gibt es heute nur noch in Wien und gelegentlich in Italien, zeigt den Sitznachbarn, was für ein echter Opernkenner Sie sind. Das ist wahres Musiktheater. Und da wären wir beim heute zeitgemäßen Begriff für Oper. Eigentlich hätte ja schon der Gattungsbegriff Verismo so etwas zwingend beinhaltet, oder?

„Musiktheater ist ein Sammelbegriff für alle Spielarten von Bühnenwerken, in denen die Musik eine konstitutive, das jeweilige Stück prägende und nicht bloß begleitende Rolle spielt“, heißt es in Wikipedia.

Daher verwenden wir diesen Begriff auch beim OPERNFREUND, versteht sich. Doch nun zu meinem dauernden Stein des Anstoßes: den Begriff Regietheater oder Regie-Theater.  Der ist doch eine Selbstverständlichkeit, denn es gibt nirgendwo auf der Welt (!) Theater ohne eine Regie. Ein Schwachsinnsbegriff, wie beispielsweise Motorauto, Fußschuhe oder Kopfmütze … Natürlich gibt es auch Improvisationstheater – aber auch das hat eine grobe Regie.

Musiktheater (c) Peter Klier

Die völlig unsinnige Verwendung (ist bei standing ovations ähnlich, wenn es mit „stehendem Beifall“eingedeutscht wird, denn es bedeutet „langanhaltenden Beifall“ und hat mit Aufstehen nichts, aber auch gar nichts im Sinn!) von Regietheater ist heute Synonym für eine moderne Inszenierung (was immer das ein soll), die nicht wörtlich und kostümmäßig das Libretto umsetzt. Der Begriff Opernmuseum deckt das gut ab. Freunde, wir leben im Jahr 2023! Die Opernhäuser gäbe es nur noch als exotische Kunsttempel, würde man den alten Sponti-Spruch „unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“ beherzigt haben. Da kommt dann der ebenso schwachmatische Unsinns-Begriff der Werktreue daher; ich kann meiner Frau, meinem Land oder dem Grundgesetz treu sein, aber einem Werk? Einer Oper gar?

Natürlich ärgere auch ich mich, wenn ein Regisseur ein Werk komplett anders liest als die Vorlage oder es völlig sinnentstellt, aber das ist kein Regietheater! Das kommt daher, dass viele Häuser heutzutage Leute beschäftigen, die keinerlei Fachausbildung oder Qualifizierung für die hochkomplexe Musiktheater-/Opernregie besitzen. Sie sind Ahnungslose, die mit dem Reclam-Heft, weil sie oft auch keine Noten lesen können, inszenieren. Böse Zungen würden gerade sagen „wie unsere Regierung“, doch das stimmt nicht, denn die lesen mit Sicherheit keine Reclam-Hefte!

Woker Blödsinn (c) Peter Klier

Sie arbeiten an einem Stück, vermurksen es oder ideologisieren im Zeitgeist des „woken“ Blödsinns oder der Genderei. Die Verwendung des Begriffs Regisseur, der ja auch nicht als Berufsbezeichnung geschützt oder definiert ist, ist eigentlich eine Beleidigung echten Regisseuren gegenüber. Wenn solche Leute auch noch das Bühnenbild und die Kostüme übernehmen, sollte bei Ihnen, liebe Opernfreunde, sofort die rote Lampe angehen! Bekämpft diesen Unsinn! Schmeißt die Intendanten raus, die so etwas möglich machen, denn wie lautet ein altes deutsches Sprichwort: „Der Fisch stinkt immer vom Kopf“. Es kann nur einen geben (Zitat Filmtitel), der verantwortlich für all das Gedöns ist, was uns so ärgert.

Und bitte, bitte verwenden Sie nie mehr den Begriff Regietheater!

Lieben Gruß vom Herausgeber- es ist kalt und verregnet am Niederrhein

Peter Bilsing 27. November 2023

P.S.

Grund für diesen Kontrapunkt war eigentlich ein sogenanntes „Internationales Symposium“ mit dem unsäglichen Titel „Regietheater – ein Irrweg“, das gerade in Wien läuft. Mit Künstlern und Personen, die sich für wichtig halten oder vom Veranstalter dafür gehalten werden. Publikumsfragen an die ehrenwerten (!) Künstlerinnen beginnen dabei immer mit derselben Frage: „Ähem … schadet die furchtbare moderne Musik nicht ihrer Stimme?“