Frankfurt: „hr-Sinfonieorchester“, Dukas, Honegger, Korngold, Weill

1911/12 schrieb Paul Dukas seine Musik zum Ballett „La Périe“, seine letzte Komposition. Sie ertönt farbenreich und deutlich dem Impressionismus folgend. Interessanterweise hat es die sog. Fanfare zu besonderer Beliebtheit gebracht, so dass dieses kurze Stück ein sehr effektvoller Beginn für ein Konzert sein kann. Und so war es auch an diesem Abend in Frankfurt zu erleben. Ein Paradestück für die hervorragenden Blechbläser des hr-Sinfonieorchesters, die mit viel Verve und Elan gefielen. Gast-Dirigentin Marie Jacquot zeigte einen energischen Zugriff auf dieses Werk und ließ die Bläser klangsatt aufspielen. Jacquots Karriere befindet sich derzeit in einem großen Aufwind und führte sie bereits in kurzer Zeit zu einigen herausragenden Orchestern.

Marie Jacquot © HR/Christian Jungwirth

Ihre hohe Sensibilität konnte Jacquot sodann in Dukas Geniestreich „Der Zauberlehrling“ unter Beweis stellen. 1897 geschrieben, wurde dieses Meisterwerk zur bekanntesten Komposition des selbstkritischen Dukas. Weltweit in den Fokus geriet dieses Werk durch dessen Verwendung im dem Filmklassiker „Fantasia“ von Walt Disney. So dankbar und wirkungsvoll diese Tondichtung auch ist, sie stellt jedes Orchester vor große Herausforderungen. Höchste Virtuosität an allen Pulten ist permanent gefordert. Hinzu kommt eine immens verlangte Theatralik, um das Werk in seinem Bedeutungsgehalt erfahrbar zu machen. Gerade dieser so wichtige Aspekt blieb an diesem Abend bedauerlicherweise weitgehend ausgespart. Lediglich Pauke und Fagotte zeigten charakterisierende Nuancen. Das übrige Orchester beließ es bei einer gediegenen und klangschönen Ausführung, ohne etwas zu riskieren. Die Geschichte, bei der alles aus dem Ruder läuft, blieb unerzählt. Stattdessen entschied sich Dirigentin Marie Jacquot für eine Interpretation, die eher an einen gemäßigten Danse macabre erinnerte. Sauber, korrekt und garantiert jugendfrei. Gespenstisch oder gar bedrohlich erklang diese Darbietung zu keinem Zeitpunkt. Der Zauberlehrling trat leider nicht in Erscheinung…

Zwei Cellokonzerte in einem Konzert! Das ist selten und zudem in der gleichen Tonart: C-Dur. Ein spannender Vergleich für die Zuhörer. 1929 entstand das kurze und vielfarbige Cellokonzert des Schweizers Arthur Honegger. Bereits in seiner zauberischen Einleitung ist der Zuhörer mit den offenen Akkorden und der intensiven Kantabilität des Cellos gefangen genommen. Aber dabei bleibt es nicht, plötzlich schroffe Wechsel und viele dissonante Einwürfe geben diesem Konzert eine intensive Mehrdeutigkeit. Honegger mixte in seinem Werk einen Eintopf der unterschiedlichsten Kompositionsstile zusammen, ohne dass daraus eine homogene Gestalt resultierte. Es blieb bei einer collagenartigen Anlage mit dissonanter Dominanz. Das bezaubernde Eingangsthema kehrt glücklicherweise mehrfach zurück, so dass der Zuhörer sich wieder erholen kann. Cellist war an diesem Abend Victor Julien-Laferrière. Mit großer Leichtigkeit durchmaß er die vielen Schwierigkeiten und spieltechnischen Zumutungen der Komposition, ohne jemals in Bedrängnis zu geraten. Sein Spiel wirkte völlig natürlich und zielgerichtet.

Erich Wolfgang Korngold bezeichnete seine Filmmusiken als „Opern ohne Gesang“. Als junges gefeiertes Wunderkind in Europa hat er mehrere erfolgreiche Opern komponiert, aber 1932 holte ihn Max Reinhardt in die Vereinigten Staaten, um die Musik für die Warner Bros. – Verfilmung von „Ein Sommernachtstraum“ zu arrangieren. Zusammen mit Max Steiner (einem weiteren europäischen musikalischen Wunderkind) etablierte Korngold in den 1930er und 40er Jahren den üppigen Hollywood-Sound in der Filmmusik.

Das hr-Sinfonieorchester. © hr/Benjamin Knabe

„Deception“ (1946) war ein Bette-Davis-Melodram über ein musikalisches Liebesdreieck zwischen einem Pianisten, einem Cellisten und einem Komponisten. Ein zentrales Element des Geschehens ist ein Konzert, das zu hinterhältigen Zwecken für den Cellisten komponiert wurde. Den Höhepunkt des Films bildet die Uraufführung des Cellokonzerts, welches darin in einer stark gekürzten Version gezeigt wurde. Die großen Intervallsprünge und die Gedrängtheit der Musik spiegeln die Emotionen der drei Hauptfiguren füreinander bestens wider. In weniger als fünfzehn Minuten bietet das Cellokonzert dem Solisten neben Phrasen von atemberaubender Schönheit auch spektakuläre Möglichkeiten der Virtuosität.

Victor Julien-Laferrière vergrub sich mit großer Intensität in dieses spannende Werk und wurde wunderbar eingehüllt von dem süffigen Klang des hr-Sinfonieorchesters. Mit klanglicher Intensität und großer Wärme gab er dem Werk alles, um es mitreißend erlebbar zu machen.

Wie bei Honegger begleitete ihn Marie Jacquot mit wacher Aufmerksamkeit und spielerischen Freiräumen. Das Publikum zeigte sich hoch erfreut und wurde mit einer Zugabe bedankt.

Bruno Walter war ein großer Unterstützter des Komponisten Kurt Weill und dirigierte die Uraufführung von dessen zweiter Sinfonie 1934 in Amsterdam. Die dreiteilige Sinfonie beginnt mit einem fordernden Allegro-Satz, in welchem die klassische Sonatensatzform noch erkennbar ist. Dann entfaltet sich an zweiter Stelle ein langsamer Satz voller Emotion und eindrucksvoller Melodik. Eine surreal anmutende Prozession zieht am Zuhörer vorbei. Das stürmische Presto Finale zeigt immer wieder Reminiszenzen an Weils „Dreigroschenoper“ auf und begeistert durch mitreißenden Elan und heller Lebensfreude. Marie Jacquot ist mit diesem Werk hörbar gut verbunden. Klar arbeitete sie die Strukturen heraus und konzentrierte sich vornehmlich auf rhythmische Präzision, was ihr gut gelang. Das hr-Sinfonieorchester zeigte sich bei diesem Werk besonders engagiert und gefiel vor allem in den Solobeiträgen von Trompete, Posaune, Klarinette und Cello.

Anhaltende Begeisterung im hr-Sendesaal.

Dirk Schauß, 13. Januar 2023


Frankfurt, 12. Januar 2023

Konzert im hr-Sendesaal

Paul Dukas „La Péri“

Paul Dukas „Der Zauberlehrling“

Arthur Honegger „Cellokonzert C-Dur H 72“

Erich Wolfgang Korngold „Cellokonzert C-Dur Op. 37“

Kurt Weill „2. Sinfonie“

Violoncello: Victor Julien-Laferriére

Dirigat: Marie Jacquot

Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks