England als musikalischer Themenabend. Das aktuelle Konzertprogramm im Staatstheater Mainz bot dem Publikum eine abwechslungsreiche Mischung aus Werken von Elizabeth Maconchy, Max Bruch und Edward Elgar.
„Proud Thames“ ist ein sinfonisches Werk der englischen Komponistin Elizabeth Maconchy, das im Jahr 1957 uraufgeführt wurde. Das kurze Stück ist inspiriert von der Themse, dem stolzen Fluss, der durch London fließt und der eine wichtige Rolle in der Geschichte und Kultur Englands spielt. Das Stück beginnt mit einem langsamen, majestätischen Thema, das von den tiefen Streichern und Bläsern gespielt wird. Dieses Thema stellt den Fluss dar, der langsam und mächtig durch das Land fließt. Im Laufe des Stücks entwickelt sich das Thema weiter, während sich die Musik zu einem schnelleren Tempo und einem lebhafteren Rhythmus bewegt. Hierbei wird die Energie und das Leben dargestellt, das der Fluss in die Stadt bringt. Die Musik wechselt zwischen verschiedenen Stimmungen und Emotionen. Einige Passagen sind ruhig und nachdenklich, während andere schnell und energetisch sind. Die Orchesterinstrumente, z.B. das einleitende exponierte Solo der Trompete, werden virtuos eingesetzt, um die verschiedenen Klänge und Texturen der Musik zu erzeugen. Es dauert einige Minuten, bis das musikalische Geschehen mächtig in Fahrt kommt, um dann vergleichsweise überraschend plötzlich abzubrechen.
Am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz stand die russische Dirigentin Anna Rakitina. Rakitina studierte zunächst am Moskauer Konservatorium und schloß ihr Studium mit Auszeichnung ab. Anschließend setzte sie ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg fort. Rakitinas Karriere als Dirigentin begann in den frühen 2000er Jahren. Sie dirigierte inzwischen bedeutende Orchester und arbeitete mit namhaften Solisten zusammen. Ihr besonderes Talent und ihre Leidenschaft für die Musik brachten ihr rasch Anerkennung ein. Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter der renommierte Dirigentenpreis des Deutschen Musikwettbewerbs. Die Interpretation des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz unter der Leitung von Anna Rakitina war bemerkenswert. Die Musikerinnen und Musiker spielen mit mutigem Zugriff und erkennbarer Ausdrucksstärke, um die verschiedenen Stimmungen und Emotionen der Musik zum Ausdruck zu bringen. Rakitina lenkte das Orchester geschickt durch die verschiedenen Tempi und Dynamiken des Werks. Die Schönheit und Kraft des Flusses Themse wurden zum prägnanten Hörerlebnis. Eine lohnende Begegnung.
Als Nächstes folgte die „Schottische Fantasie“ für Violine und Orchester op. 46 von Max Bruch. Die Komposition aus dem Jahr 1880 gehört zu den bekannteren Werken des Komponisten. Und spätestens hier wird gut verständlich, warum Bruch immer gereizt reagierte, wenn er auf sein so berühmtes erstes Violinkonzert angesprochen wurde, welches seiner Meinung nach nicht zu seinen besten Eingebungen zählte. Die Fantasie ist ein kompositorischer Volltreffer, farbig instrumentiert und mit intensiven Themen versehen. Max Bruch verbindet in dieser Komposition meisterhaft die schottische Folklore mit romantischen Klängen und schafft so ein Werk von großer musikalischer Schönheit. Die „Schottische Fantasie“ ist ein anspruchsvolles Stück für Solovioline und Orchester, das in Mainz vom Solisten und dem Orchester mit Brillanz und technischer Präzision gespielt wurde. Als Solist erlebte das Publikum den Konzertmeister des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz, Naoya Nishimura. Bereits im Alter von fünf Jahren begann er mit dem Geigenspiel und zeigte früh großes Potenzial. Nishimura gewann bereits in jungen Jahren internationale Geigenwettbewerbe und etablierte sich als gefragter Solist. Er trat mit renommierten Orchestern in der ganzen Welt auf und arbeitete mit namhaften Dirigenten zusammen. Seine Auftritte wurden von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeiert. Seit 2014 steht er dem Mainzer Orchester als erster Konzertmeister vor.
Der erste Satz beginnt mit einem kraftvollen Orchestervorspiel, das von den Streichern und Bläsern des Orchesters mit großer Energie gespielt wird. Es folgt eine ruhige Einleitung der Solovioline, die das Thema der schottischen Volksweise „Auld Rob Morris“ erklingen lässt. Der Solist Naoya Nishimura spielte die sanften Melodien der Violine mit intensivem Ausdruck und führte das Publikum in die klangvolle Welt der schottischen Musik. Im zweiten Satz folgt eine schnelle und lebhafte Variation des schottischen Tanzes „The Dusty Miller“. Das Orchester begleitete den Solisten mit kraftvollen Rhythmen und harmonischen Akkorden, während Nishimura das schwierige Violinsolo mit großer Leichtigkeit und Virtuosität meisterte. Der dritte Satz ist eine langsame, meditative Melodie, die auf einem weiteren schottischen Volkslied basiert, „I’m A‘ Doun for Lack O’Johnnie“. Hier entfaltete Nishimura seine lyrische Seite und spielte mit sanften, nuancierten Tönen, um die romantische Stimmung des Werkes zu unterstreichen. Das Orchester umgab sie mit einem warmen Klangteppich, der die Melodie mit sanfter Ausdruckskraft umrahmte. Der letzte Satz bringt das Werk mit einem schnellen und rhythmischen Finale zum Abschluss. Hier wechselt das Werk zwischen lebhaften und langsamen Passagen. Naoya Nishimura zeigte auch hier seine technische Fertigkeit und interpretierte das Stück mit Hingabe und intensiver Spielfreude. Das Publikum zeigte sich immens begeistert und feierte die Ausführenden lautstark. In einer sehr persönlichen Ansprache dankte Nishimura dem Publikum, seinem Orchester und dem scheidenden Generalmusikdirektor für die Gelegenheit, dieses Werk vorzutragen. Er verglich das Spiel inmitten des Orchesters mit einem Wald und das Publikum mit dem Sonnenlicht, welches den Wald wachsen lässt. Ein poetisches Kompliment an das Publikum. Dieses erhielt eine ungewöhnliche Zugabe: einen argentinischen Tango, der von Nishimura und Kollegen aus dem Orchester mitreißend dargeboten wurde. Das Arrangement stammte von einem weiteren Orchestermitglied, dem Geiger Victor Bustamante. Abermals große Begeisterung für den überaus sympathischen Virtuosen Nishimura.
Zum Abschluss des Abends standen die „Enigma Variationen“ von Edward Elgar auf dem Programm. Das Werk wurde ursprünglich für das Londoner Queen’s Hall Orchestra komponiert und am 19. Juni 1899 uraufgeführt. Es wurde schnell zu einem der beliebtesten Werke von Elgar und etablierte ihn als führenden britischen Komponisten seiner Zeit. Das „Enigma“-Thema wurde von Elgar als eine musikalische Repräsentation eines Rätsels geschrieben, das er in einem Gespräch mit einem Freund erwähnt hatte. Elgar verweigerte jede Erklärung zum Rätsel, das sich hinter dem „Enigma“-Thema verbirgt, und es ist bis heute unbekannt, worum es sich genau handelt. Es wurde jedoch spekuliert, dass das Rätsel eine musikalische Persönlichkeit darstellt oder auf eine geheime Botschaft hinweist. Jede der Variationen des Werks ist einem Freund oder Bekannten von Elgar gewidmet und spiegelt ihre Persönlichkeit oder Charakterzüge wider. So ist die Variation „Dorabella“ beispielsweise Elgars Frau Alice gewidmet, während die Variation „Troyte“ auf einen Freund von Elgar verweist, der als Architekt arbeitete. Die „Nimrod“-Variation ist eine der bekanntesten und beliebtesten Variationen des Werks. Sie ist Augustus J. Jaeger gewidmet, der ein Freund und Verleger von Elgar war. Die Variation beginnt mit einem langsamen, sanften Thema, das allmählich zu einem kraftvollen und emotionalen Höhepunkt aufgebaut wird. Die Variation wird oft als eine Hommage an die Freundschaft zwischen Elgar und Jaeger interpretiert und hat eine starke emotionale Wirkung. Das Werk „Enigma Variationen“ ist heute ein fester Bestandteil des klassischen Repertoires und wird oft von Orchestern auf der ganzen Welt aufgeführt. Es ist ein Meisterwerk der orchestralen Komposition und ein wichtiger Beitrag zur englischen Musikgeschichte.
Das Philharmonische Staatsorchester Mainz unter der Leitung von Anna Rakitina hat das Werk an diesem Abend auf sehr beeindruckende Weise dargeboten. Die Musikerinnen und Musiker spielten mit starker Konzentration und feinem Klangsinn. Rakitinas Interpretation zeigte sich sehr einfühlsam und betonte die musikalische Schönheit und Eleganz des Werks. Besonders beeindruckend waren ihre dynamische Kontrolle und die Klarheit in der Herausarbeitung musikalischer Steigerungen des Werks. Höhepunkt war somit die Nimrod Variation, die Rakitina im getragenen Tonfall zum tief berührenden musikalischen Bekenntnismoment aufwachsen ließ. Dies hatte erhabene Größe und Klasse. Die Aufführung des Werks geriet sehr ausgewogen und sorgfältig abgestimmt, sodass jeder Aspekt der Komposition vollständig zur Geltung kam. Stets achtete Rakitina hörbar darauf, die prägenden Themen klar in den Variationen herauszuarbeiten. Die Streicher des Orchesters spielten mit Wärme und Ausdruckskraft, während die Holzbläser mit Leichtigkeit und Eleganz deutliche Charakterfarben beisteuerten. Ein Extralob verdiente sich der vorzügliche Soloklarinettist des Orchesters, der in der Romanze, die Zeit anhielt, derart schön im Klang und voller Poesie intonierte er mit sanftem Tonfall seine Phrasen. Die Blechbläser musizierten kraftvoll, intensiv und bestechend genau in der Intonation. Sehr erfreulich waren die Schlagzeuger, die sehr präzise und rhythmisch pointierte Impulse setzten.
Der Vortrag des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz unter der Leitung von Anna Rakitina ergab eine bewegende, intensiv nachklingende Interpretation der „Enigma Variationen“ von Edward Elgar. Ein enthusiastisches Publikum, während der Darbietungen wunderbar leise und konzentriert, zeigte sich hocherfreut über diesen so gelungenen Konzertabend.
Dirk Schauß, 21. Mai 2023
Staatstheater Mainz
20. Mai 2023
Elizabeth Maconchy
Proud Thames. Ouvertüre für Orchester
Max Bruch
Schottische Fantasie für Violine und Orchester op. 46
Edward Elgar
Variationen über ein Originalthema op. 36, Enigma Variationen
Naoya Nishimura, Violine
Philharmonisches Staatsorchester Mainz
Anna Rakitina, Leitung