Wien, Konzert: „Prokofjew, Haydn, Mozart“, Covent Garden Sinfonietta

Echt und neu erfunden

Der Titel meiner Rezension bezieht sich auf die Perspektiven der Musik der Wiener Klassik, die das von der Covent Garden Sinfonietta am 12. November 2024 im Großen Saal des Wiener Musikvereins aufgeführte Programm enthält. Daniel Oren hat das in London ansässige Ensemble bei der lebendigen und reizvollen Interpretation der eklektischen Auswahl aus einer Symphonie, einem Konzert und Ballettmusik dirigiert. Zwei der aufgeführten Kompositionen entstanden zwischen den 1760er und 1780er Jahren, während die dritte, die aus dem zweiten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts stammt, lose von der Musik der Epoche inspiriert wurde, für die die beiden früheren Werke stehen.

Die am 18. April 1918 in Petrograd unter der Leitung des Komponisten uraufgeführte erste Symphonie in D-Dur, op. 25, schrieb Sergej Prokofjew als stilistisches Abbild von Franz Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart, ohne einen der beiden direkt zu imitieren. Interessanterweise ist der dritte Satz von Prokofjews Symphonie mit „Gavotte: Non troppo allegro“ anstelle des Menuetts, das in viersätzigen Sinfonien der Wiener Klassik häufig an dessen Stelle stand. Die Covent Garden Sinfonietta eröffnete das Konzert mit einer energiegeladenen Aufführung, bei der die Flöten und Trompeten besonders hervorstachen.

Zufälligerweise ist Prokofjews Symphonie zeitgenössisch zu den Opern von Richard Strauss – »Der Rosenkavalier« (1911) und das Vorspiel zur »Ariadne auf Naxos« (1916), die beide in Hugo von Hofmannsthals Geschichtsfiktionen des Wiens des 18. Jahrhunderts spielen. Während Strauss die Möglichkeiten des modernen Orchesters voll ausnutzte und bewusst anachronistische Elemente einfügte, wie zum Beispiel die Wiener Walzer in »Der Rosenkavalier«, verwendete Prokofjew ein Ensemble von einer Größe, die in etwa dem entspricht, was den Komponisten des 18. Jahrhunderts zur Verfügung stand. Obwohl bei dem hier rezensierten Konzert kein Werk von Strauss aufgeführt wurde, ist es erwähnenswert, dass Prokofjew einen interessanten Kontrast zum „Neoklassizismus“ seines älteren Zeitgenossen bot.

Eine wahre Entdeckung des Abends war der Auftritt der Cellistin Dali Gutserieva in Haydns Cellokonzert in C-Dur (Hob. VIIb:1). Das Konzert wurde wahrscheinlich zwischen 1761 und 1765 für Joseph Franz Weigl komponiert, den damaligen Solocellisten des Orchesters des Fürsten Nicolaus Esterházy. Das Werk galt als verschollen, bis 1961 eine Kopie im Prager Nationalmuseum wiederentdeckt und ein Jahr später erstmals in moderner Zeit aufgeführt wurde. Gutserievas geschmeidiges Spiel und ihre klare Artikulation verliehen dem ohnehin schon schwungvollen, rhythmisch tänzerischen Konzert noch mehr Energie. Die Covent Garden Sinfonietta sorgte für eine aufmerksame und durchdachte Begleitung, die der meisterhaften Orchestrierung des damals jungen Haydn gerecht wurde.

Nach der Pause folgte eine vollständige Aufführung von Mozarts Ballettmusik, KV 367, für die Urfassung der Oper »Idomeneo, re di Creta«, die 1781 im Residenztheater in München uraufgeführt wurde. Ballette, die in Verbindung mit einer Oper aufgeführt wurden, stammten in der Regel nicht vom Komponisten der Oper, so dass Mozarts Ballettmusik eine Ausnahme von der damals üblichen Praxis darstellte. Die erhaltene Musik besteht aus fünf Sätzen: Chaconne, Pas seul de Mr. Le Grand, Passepied, Gavotte und Passacaille. Da viele moderne Inszenierungen dieser Oper das Ballett am Ende weglassen, war es ein Vergnügen, sie im Konzert und ohne die Ablenkung durch moderne Choreografien zu hören. Die Covent Garden Sinfonietta spielte mit flüssigen Tempi, die die Musik in Bewegung hielten, ohne jedoch hektisch zu werden. Durchweg war erkennbar, dass diese Sätze tanzbar sein müssen.

Die Begeisterung des Publikums wurde mit einer Zugabe belohnt: die Ouvertüre zu »Le nozze di Figaro«, KV 492. Oren und die Covent Garden Sinfonietta haben diese oft gespielte Ouvertüre, die immer frisch bleibt, nie altert und nie zu begeistern vermag, mit großer Leidenschaft und Gusto interpretiert.

Daniel Floyd, 23. November 2024

Besonderer Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN


Sergej Prokofjew: Symphonie in D-Dur, op. 25
Joseph Haydn: Cellokonzert in C-Dur
Wolfgang Amadeus Mozart: Ballettmusik für die Urfassung der Oper „Idomeneo, re di Creta

Großen Saal des Wiener Musikvereins

12. November 2024

Cellistin: Dali Gutserieva 
Dirigat: Daniel Oren
Covent Garden Sinfonietta