Aufführung am 2. Juli 2019
Vor ziemlich genau einem Jahr wurde im Konzerthaus Dortmund mit dem geforderten riesigen Aufwand die 8. Sinfonie (Sinfonie der Tausend) von Gustav Mahler aufgeführt. .
Wie ganz ähnlich Richard Strauss nach Elektra und Arnold Schönberg nach den Gurre-Liedern wurde es danach auch Mahler deutlich, daß durch weitere Vergrösserung des orchestralen und stimmlichen Apparates keine zusätzliche Steigerung der musikalischen Aussage möglich war,. So ließ er mit einem Orchester, das er im spätromantischen Sinne wohl für normal groß ansah, auf die 8. das Lied von der Erde und als letztes von ihm vollendetes Werk (Fluch der Nummernbezeichnung?) die 9. Sinfonie folgen. Diese wurde am vergangenen Dienstag aufgeführt wieder von den Dortmunder Philharmonikern unter Leitung von GMD Gabriel Feltz.
Für eine Sinfonie ist schon stilistisch ganz ungewohnt , daß alle vier Sätze in verschiedenen Tonarten komponiert wurden,.
Gleich zu Beginn des ersten Satzes Andante comodo in D-Dur spielten die Hörner bewundernswert weich zusammen mit den zweiten Violinen die bestimmenden Themen dieses Satzes. Verglich man das mit den grellen Tönen, die von denselben Hörnern, und auch den Posaunen, im Laufe des Satzes gepresst klangen, zeigte sich die Bandbreite, mit der sie ihre Instrumente beherrschten. Zweimal steigert sich das auftrumpfende zweite Thema zu grossen dynamischen Aufschwüngen, zu denen der Dirigent mit gewohnt präziser Zeichengebung die Massen des Orchesters anstachelte. Dies galt besonders für den zweiten Höhepunkt, wo Mahler für alle Instrumente einschließlich Tamtam-Schlag mit höchster Gewalt vorschreibt, da bebte das Konzerthaus. Der Gegensatz dazu durch den folgenden Trauermarsch (ein schwerer Kondukt schreibt Mahler) wurde durch zurückgenommenes Tempo, auch etwa dank des rhythmischen Schlags der Pauke und tiefen Glocken, umso deutlicher. Wo Mahler danach misterioso vorschreibt, war das Duett zwischen Soloflöte und Solohorn sehr gelungen.
Im folgenden zweiten Satz hörte man den Ländler wohl gemächlich,, aber doch einigermassen rasch, was den Gegensatz zu später verstärkte, wo derselbe Ländler ganz langsam gespielt wurde.. Dazwischen und kurz vor Schluß erklang recht schwungvoll Walzerrhythmus, der dann diesen übertreibend zu einer Karikatur des Walzers entartete, bevor auch dieser Satz zu den Resten des beginnenden Ländlers hoffnungslos in sich zusammenfiel.
Knifflig für Orchester und Dirigent ist der dritte Satz – u.a. sehr trotzig überschrieben, der wiederum recht zügig erklang. Das auftaktige Trompeten-Anfangsthema war rhythmisch exakt immer durchzuhören., schwieriger war es manchmal, in den folgenden Fugato-Abschnitten die einzelnen Stimmen zu unterscheiden. Der idyllische Mittelteil war dann auch im Tempo und dynamisch ganz gegensätzlich, wodurch das für den letzten Satz so bedeutsame entfernt an einen Doppelschlag-Triller erinnernde Thema in seinen verschiedenen instrumentalen und harmonischen Veränderungen bis zur hymnischen Steigerung ergreifend erklang. Einmal wurde dieses Thema gespielt von der Solo-Bratsche, hier hatte der nach mehr als 40-jähriger Tätigkeit mit dieser Spielzeit aus dem Orchester ausscheidende Roman Nowicki nochmals einen besonderen Auftritt. Sehr gelungen war der allmähliche Übergang von dieser Idylle zur burlesken Musik des Satzanfangs, die dann in einem rasanten grotesken Presto den Satz beendete.
Das folgende Adagio – einen Halbton tiefer als der erste Satz in Des-Dur geschrieben – war zu Beginn ein wahrer musikalischer Ohrenschmaus, weil zunächst die Streichinstrumente das Thema aus dem dritten Satz und ein neues Thema klanglich prägten, vom Platz des Verfassers aus klangen die sechs Kontrabässe besonders sonor. Ganz beeindruckend gelang die Stelle, wo das Kontrafagott für einige Takte mit den Celli konzertierte. Zum Höhepunkt hin zelebrierten Dirigent und Orchester förmlich das Hauptthema. Danach folgte Wechsel zu melancholischer Abschiedsstimmung ähnlich dem letzten Teil des Lieds von der Erde. Beherrschend für diesen einzigartig traurigen Schlußsatz blieb aber dessen schmerzliches Ende, in dem sich die Musik langsam ins Nichts auflöst. Die Violinen spielten wie schon im dritten Satz die ganz langen ganz hohen Töne im ppp gut gehalten und ergreifend. Als mit den letzten drei Bratschentönen im Zusammenklang mit Geigen und Celli die Sinfonie ersterbend schloß, – passend zum vom Veranstalter ausgesuchten Titel dieses Konzerts Ewige Heimkehr – dauerte es dank der Wirkung dieses Schlusses einige Zeit, bis Beifall im fast ausverkauften Konzerthaus einsetzte, der dann immer stärker wurde, als der Dirigent diesen entgegennahm und die einzelnen Solisten und Instrumentengruppen hervorhob.
Sigi Brockmann 3. Juli 2019
Photo (c) Dortmunder Philharmoniker