Bad Ischl: „Die Kaiserin“

Besuchte Premiere am 15.08.14

Triumph für „Die Kaiserin“

Wenn man Bilder aus den goldenen Zeiten Bad Ischls betrachtet, so sieht man oft die drei wichtigsten Operettenkomponisten-Sommerfrischler nebeneinander: Natürlich Franz Lehár, dann Oscar Straus und einen dritten etwas rundlichen Herrn mit Zwicker, es ist Leo Fall, der vergessene. Zwar finden sich nach dem Dritten Reich seine damals verbotenen Werke wieder auf den Spielplänen, mal eine „Madame Pompadour“, seltener eine „Dollarprinzessin“, doch sie bleiben eher exotische Ausnahmen des sowieso schon spärlichen Operettenrepertoires. Dabei ist Falls Musik ungemein graziös und beschwingt, sprudelt förmlich über vor melodiöser Schätze. Wo andere sich um die Modetänze der Zeit bemühen, reichen Fall die alten Formen von Polka, Marsch und vor allem Walzer, Walzer und Walzer, in deren Erfindung er wahrlich begnadet scheint, dazu noch ein guter Schuss Kabarett für die Nähe zu Offenbach.


„Die Kaiserin“ wurde im Jahre 1915 am Metropoltheater in Berlin uraufgeführt, die Titelpartie für DIE Diva ihrer Zeit kreiert: Fritzi Massary. Nicht wirklich schön, nicht wirklich gesanglich toll, doch eine Darstellerin vor dem Herrn, in jeder Fingerspitze mehr Theaterblut als jedes Opernhaus, eigentlich Soubrette doch übernahm sie alle Fächer auf einmal, ein Idol ihrer Zeit. Für sie also eine Operette um Maria Theresia, im ersten Teil der Kampf um die Liebe des Franz von Lothringen, im zweiten der Kampf gegen den Machtanspruch ihrer Stellung gegen ihre eigene Eifersucht, um ihr privates Glück mit ebendem „Franzl“. Das Werk streift alle oben genannten Kriterien einer Fall-Operette, begibt sich in die Nähe von Oper und Kitsch, und doch findet sich jede Nummer gelungen, bringt zum Lachen oder rührt an, ist inspiriert. Da klimpert der kleine Wolfgang Amadeè zum Geburtstag aus dem Nebenzimmer Cembalo, die kindlichen Prinzessinnen singen einen volksliedhaften Walzer als Ständchen, Fiana Zopf und Hannah Tischler machen das allerliebst nit ihren klaren Stimmen, der von Frau Mama wiederholt eine schöne dramaturgische Bedeutung erhält. Das Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald ist sehr gekonnt gearbeitet, die Sprechpointen wissen immer noch zu zünden. Ganz entzückend und überraschend der feine, intime Schluss des Ganzen.


In Bad Ischl nun zweimal halbszenisch aufgeführt mit sämtlichen Dialogen, um für die Firma CPO mitgeschnitten und auf Tonträger herausgegeben zu werden. Leonard Prinsloo hat die Bühnenkonzeption und Dialogregie effektvoll gestaltet, mit wenig Kostümen ist eine vollwertige Aufführung entstanden, die nichts vermissen läßt. Marius Burkert hat mit den Musikern des Franz-Lehár-Orchesters sorgfältig gearbeitet und läßt musikalisch alles wunderbar erklingen. Ebenso wie Georg Smola jeden Abend des gesamten Festivals den Chor musikalisch eingeschworen hat. Die Chorsolisten werden immer wieder typengerecht in den kleinen Partien eingesetzt, gerade dieses Jahr hat man das Gefühl, daß jeder einmal zum Zug kommt.


Miriam Portmann hatte am Abend zuvor noch in der ollen Porzellantantenrolle die Bühne zum Beben gebracht, jetzt brilliert sie in der Titelpartie. Im ersten Akt noch die junge Prinzessin, die als „resche Resi“ im Wiener Wäschermädelkostüme bei der Redoute die Gesandten für die ungewollten Freier verprellt, dann die Kaiserin, die zwischen imperialer Gebärde und komisch gespielter Eifersucht alle Facetten sprengt. Die Dialoge geraten natürlich und witzig, musikalisch bleibt kein Wunsch offen, die Stimme sitzt in jeder Lage, die Übergänge sind perfekt, die Höhe klingt fruchtig und voll. Zum Triumph wird die liedhaft, ariose Ode an das Schloss Schönbrunn, darauf langer, verdienter Applaus und ein Da Capo in noch besserem Piano als es vorher schon war. Jedes Jahr entdeckt man an dieser Ausnahmesängerin eine Steigerung und neue Facetten, für mich ein Höhepunkt der gesamten Saison. Ihr zur Seite als Franzl absolut adäquat Jevgenij Taruntsov blendend aussehend mit strahlendem Tenor, beide zusammen bringen eine sehr glaubhafte Emotionalität auf die Bühne, die man so nur ganz selten erlebt. Einziges (noch) kleines Manko des Tenors ist der Registerwechsel in die Kopflage, da sollte unbedingt gearbeitet werden. Dazu ein Buffopaar, das mit jugendlichem Schwung und erotischer Ausstrahlung nur zu knistert: Verena Barth-Jurca die als französische Gesandte Adelgunde die Wiener Edelknaben verwirrt, als solcher Graf Pepi, der „noch so kleine“, der zum Liebhaber erglüht und wächst: Clemens Kerschbaumers Tenor klingt einfach satt und himmlisch, eigentlich ist er über das Buffofach hinaus, da kann man mehr in lyrischen Fach schon einiges erwarten, halt ein Tenor-Luxus in dieser Partie. Gabriele Kridl und Gerhard Balluch werfen sich als Gräfin Fuchs und Graf Kaunitz die intriganten Spitzen nur so zu. Alles ist einfach prima ,und nur so macht Operette wirklich Spaß. Jeder, der es nicht erlebt hat, kann sich auf die Erscheinung der Aufnahme freuen und so mein Schwärmen hoffentlich nachvollziehen. Den Bühnen sei ein wirklich inspirertes, spielbares Werk zur Auffrischung des Repertoires ans Herz gelegt.

Martin Freitag 22.8.14 Bilder: Lehar Festival