Heirat wider Willen
Das Festspielprogramm in Potsdam Sanssouci bot in diesem Jahr viele Besonderheiten und eine davon war ganz sicher die Aufführung von Le Mariage forcé im Schlosstheater des Neuen Palais am 21. Juni 2024. Der Text dieser Comédie-ballet stammt von Molìere, die Musik von Jean-Baptiste Lully. Bei der Uraufführung im Louvre von Paris 1664 tanzte sogar König Ludwig XIV eine Hauptrolle. In Potsdam garantierte die rein französische Besetzung eine authentische Wiedergabe. Das Ensemble dominierte Laurent Prévôt als Sganarelle mit stupender sprachlicher Gewandtheit und ans Artistische grenzender Körperlichkeit. Er als der Held des Stückes hat beschlossen, die junge Dorimène (Marie Loisel mit koketter Allüre) zu heiraten. Sein bester Freund Géronimo (Quentin-Maya Boyé) ist skeptisch wegen des Altersunterschiedes und rät ihm, auch noch zwei Philosophen zu konsultieren. Einer davon, Pancrace (Pierre-Guy Cluzeau), ist vor allem an sprachlichen Spitzfindigkeiten interessiert, was beide Akteure zu einem köstlichen Dialog formen. Alle Schauspieler gehören zur Gruppe Les Malins Plaisirs und wurden von Regisseur Vincent Tavernier zu einem vergnüglichen Spektakel voller Witz, Temperament und Fantasie geführt.
Sganarelle hat bald einen Alptraum, in dem er Dorimène von Verehrern umschwärmt sieht – Gelegenheit für das erste Divertissement mit Lullys Musik, interpretiert vom renommierten französischen Ensemble Le Concert Spirituel mit Solenne Guilbert am ersten Pult als Leiterin. Die Musik ertönt mit Delikatesse und Esprit, nimmt vor allem beim Divertissement zum Hochzeitsfest Fahrt auf, denn Sganarelle musste sich entscheiden zwischen einem Duell mit Dorimènes Bruder Alcidas (Nicolas Rivals) oder der Eheschließung. Die Tanzszenen sind choreografiert von Marie–Geneviève Massé und werden interpretiert von der Compagnie de Danse L`Éventail. Der Stil schwankt zwischen Commedia dell´arte und Klassik. Zu sehen sind ausgelassene, turbulente Szenen und prachtvolle Kostüme (Erick Plaza-Cochet), während das Bühnenbild (Claire Niquet) mit mobilen Häusern eher aus der naiven Ecke stammt. Beim Divertissement „Die Gaukler“ mit Akrobaten und Wahrsagern sowie bei der Hochzeit im spanischen Stil kann die Bühne das Personal mit Akteuren, Sängern (Lucie Edel/Yannis François) und Tänzern kaum fassen. Lullys rasante Musik mit Kastagnetten und Tamburin begleitet dieses hinreißende, vom Publikum bejubelte Finale.
Bernd Hoppe, 24. Juni 2024
Le Mariage forcé
Molière/Jean-Baptiste Lully
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci
Schlosstheater im Neuen Palais
Premiere am 21. Juni 2024
Inszenierung: Vincent Tavernier
Musikalische Leitung: Solenne Guilbert
Le Concert Spirituel