Las Palmas: „Roberto Devereux“, Gaetano Donizetti

Die erfolgreiche Neu-Inszenierung in Las Palmas triumphiert mit einer hochkarätigen internationalen Sängerbesetzung und setzte mit dem Donizetti-erfahrenen Regisseur Bruno Berger-Gorski auf genaue Personenregie in dunkel und edel gehaltenen Assoziationsräumen, die an den Elisabethanischen Hof erinnern. Mit wechselnden Projektionen auf durchsichtigen Wänden wurde man förmlich in das dramatische Geschehen eines Eifersuchtsdramas hineingezogen, in dem Jeder Jeden durch hellhörige Wände kontrollierte.

Das Bühnenbild von Carmen Castagnon ermöglichte durch Projektionen und wenige Möbel mit minimalistischen Änderungen spannungsgeladene Szenen um ein Kindheitstrauma, dass in Intrigen und Eifersuchtsattacken einer zerbrechenden Königin gipfelten. Elisabetta I vereinsamt unter der Kontrolle des Hofes und seiner Machtspiele.

© Nacho Gonzalez Oramas/ ACo

Mit der international besonders als ‘Norma’ und seit ihren ‚Roberto Devereux‘-Produktionen in Sevilla und Palermo auch als Elisabetta I bekannten Yolanda Auyanet wurde eine Idealbesetzung neben dem erfahrenen José Bros als ‘Roberto’ engagiert. Auch der großartige Bariton Youngjun Park wurde ausgiebig gefeiert, der in der Partie des ‚Nottingham’ gemeinsam mit der Mezzo-Sopranistin Paola Gardina als „Sara“ debütierte. Paola Gardina berührte stimmlich mit rundem, ausgewogenem Klang und überzeugte mit ihrem leidenschaftlichen Spiel als mit ihren Gefühlen kämpfende treue Gattin Nottinghams und einzige Vertraute der Herrscherin.

Der Oper in Las Palmas gelang mit dem Wiederengagement des Regieteams der erfolgreichen ‚Lucia‘-Produktion vom Vorjahr wieder eine beeindruckende Neuproduktion im Teatro Perez Galdos mit einer Idealbesetzung, die man auf diesem Niveau auch gerne in Wien, Zürich, München oder an der Scala hören möchte.

Seit Edita Gruberova habe ich keine so packende Darstellerin in dieser alles verlangenden Partie der einsamen Herrscherin mehr erlebt.

José Bros hat mit seiner ‚Roberto‘-Interpretation seit vielen Jahren Maßstäbe gesetzt und die schwerste der drei Tenor-Partien der Tudor-Opern überall auf der Welt gesungen. Er interpretiert mit Hilfe seiner Erfahrung souverän die mörderisch schweren Koloratur-Passagen, deren Schwierigkeiten er besonders bei der Cabaletta geschickt zu überspielen wusste. Dem international erfahrenen Regisseur Berger-Gorski gelang mit seinem Kostümbildner Claudio Martín der Kunstgriff, den jetzt älteren Jose Bros in einen jünger wirkenden Ex-Liebhaber der Königin zu verwandeln und die erst 54jährige Yolanda Auyanet durch einen Gehstock und wechselnde Perücken als eine verbitterte und fast bösartig agierende alte Herrscherin darzustellen, die bei ihrer ‚Lampo‘-Arie im ersten Akt komplett die Kontrolle über sich verliert und hysterisch Kissen, Kostümteile sowie ihren Schmuck durch den Palast wirft und ihr Personal zum Wahnsinn treibt.

© Nacho Gonzalez Oramas/ ACo

Auyanet zeigt in einer gesanglichen wie schauspielerischen Meisterleistung eine alternde Königin am Rande des Nervenzusammenbruchs! Auch ihre Hofdame Sara (Paola Gardina) wusste geschickt als unschuldig kontrolliert auftretende Gegenspielerin aber innerlich kaum ihre Gefühle beherrschende Liebende mit ihrer herrlich aufblühenden Stimme und ihrem natürlichen Spiel Roberto und das Publikum für sich gewinnen. Als junge verführerische Ehefrau im Bett den Geliebten scheinbar erwartend, erlaubt sie sich doch keine moralischen Verfehlungen und ihr Duett mit Roberto gerät zu einem der Höhepunkte des Abends.

Der musikalisch sauber einstudierte Chor (Direktorin: Olga Santana ) war auch szenisch omnipräsent, da die Choristen  als alles kontrollierende Hofschranzen und Politiker immer wieder hinter Wänden lauschend zu sehen waren. Die politischen Gegenspieler beobachteten gemeinsam mit dem herrlich intriganten Lord Cecil (vielversprechend: der junge Tenor Gabriel Alvarez) und Sir Giultierio (Max Hochmuth mit gut sitzendem und fokussiertem angenehmen Bariton) die alternde Herrscherin hinter den dunklen Palastwänden.

Durch die transparenten Wände und geschicktes Licht-Design (Rodrigo Ortega) wurde das Publikum in die immerwährenden Intrigen am Hofe und in die Wahnvorstellungen und Träume der psychologisch genau gezeichneten Elisabetta hineingezogen. Leere Bilderrahmen füllten sich mit unendlichen Portraits der einsamen Herrscherin, die als junges Double und traumatisierte Tochter Ana Bolenas durch das Schloss geistert. Die junge Elisabeth findet zu Beginn der Oper den blutigen Sack mit dem Kopf ihrer enthaupteten Mutter und endet als verwirrte abdankende Herrscherin mit „Quel Sangue versato“ vor demselben blutigen Sack mit dem Haupt ihres Ex-Geliebten.

Mit dem dramaturgisch genialen Regieeinfall, dass Nottingham seine mit dem Beweis-Schal der Untreue gebundene Frau ins Gefängnis zerrte, erhielt der zweite Teil von Roberto’s Arie im Gefängnis eine andere Bedeutung und er beteuerte die Unschuld von Sara öffentlich vor den Politikern des Hofes. Statt der üblichen Wachen forderte in diesem Regie-Konzept der als Politiker agierende Chor gemeinsam mit Notthingham den Tod des inhaftierten Roberto, der historisch tatsächlich 30 Jahre jünger war als die ewig herrschende ‚Virgin Queen‘. Das Bühnenbild wechselte durch Projektionen und begann mit dem übergroßen Gemälde des mordenden Vaters Henry VIII und wechselte zu einer Weltkarte des englischen Reiches. Die alternde, verbitterte Elisabeth träumte von leeren Bilderrahmen, die sich in ihren  Träumen zu überdimensionalen Portraits von sich selbst steigerten! Elisabeth I war historisch die erste Herrscherin, die sich sehr viel und publikumswirksam malen ließ. Ihre Sehnsüchte nach einem Partner fanden mit dem ihr im Traum erscheinenden ‚Roberto‘ ihren Höhepunkt. Robertos Gang zur Hinrichtung wurde von dem wütenden Nottingham mit seiner gefesselten Gattin begleitet. Endlich eine dramaturgisch plausible Lösung, warum Sara den Ring zur Rettung Robertos der Königin zu spät überreicht! In einer dramatischen Szene reißt sich die gebundene Sara los und outet sich als Rivalin der vor Wut überschäumenden Herrscherin.

Der junge spanische Chefdirigent Rafael Sánchez-Arana beherrschte souverän das feinfühlig spielende Philharmonische Orchester, dass auch regelmäßig im Alfredo-Kraus-Auditorium spielt und verführte es mit pianissimi zu bewegenden Donizetti-Tempi! Die alles beherrschende Yolanda Auyanet mit ihren teilweise gehauchten und manchmal fast geschrienen Selbstgesprächen ist eine Elisabetta I der ersten Liga, die den zerrissenen einsamen Charakter einer Frau aufzeigt, die das Weltreich Englands so lange scheinbar souverän beherrschte.

© Nacho Gonzalez Oramas/ ACo

Die Operncompanie ‘Amigos de la Opera’ in Las Palmas bringt jedes Jahr fünf neue Opernproduktionen heraus, die allerdings jeweils nur dreimal aufgeführt werden. Traditionell werden internationale Weltstars eingeladen, und die Vorgängerinnen in der Rolle der Elisabeth I waren Montserrat Caballe und Dimitra Theodossiou. Letztes Jahr feierten Jessika Pratt und Xavier Anduaga wahre Triumphe in der Neuinszenierung ‘Lucia di Lammermoor’.

Dieses Jahr gelang demselben Team um Regisseur Bruno Berger-Gorski mit seiner Bühnenbildnerin Carmen Castagnon und dem Kostümbildner Claudio Martín eine gelungene Neuinterpretation von ‘Roberto Deveroux’, die das internationale Publikum von Las Palmas zu Jubelstürmen verleitete.

Gunhild Kranz, 24. Juni 2024

Übernahme unserer Freunde vom MERKER-Online (Wien)


Roberto Devereux
Gaetano Donizetti

Teatro Perez Galdos
Gran Canaria Las Palmas

Besuchte Premiere am 21. Mai und 2. Vorstellung am 23. Mai 2024

Regisseur: Bruno Berger-Gorski
Dirigent: Rafael Sánchez-Arana
Philharmonisches Orchester