Diese dreiaktige Operette, die 14. und vorletzte des großen Operettenkomponisten wider Willen, wurde am 4. Dezember 1895 im Theater an der Wien uraufgeführt. Bei der Auswahl des Librettos bewies der Komponist leider kein großes Geschick. Der Journalist und Operettentexter Gustav Davis (1856–1951) schrieb dafür österreichische Zeitungsgeschichte als Gründer und Herausgeber der alten Kronen Zeitung, von dessen Erben Hans Dichand 1958 die Titelrechte erwarb. Nach dem Theaterzettel der Uraufführung ist die Handlung in einer sächsischen Provinzstadt zum Entstehungszeitpunkt, also Ende des 19. Jhd. verortet.

Regisseur Josef E. Köpplinger hat das Libretto für diese Aufführung neu bearbeitet und siedelte die Handlung in den 1950er Jahren des vorigen Jahrhunderts an. Der Mief der Nachkriegsjahre hängt noch schwer in der Luft als eine Gruppe von Forststudenten mit ihren Drahteseln einen Ausflug ins Grüne unternimmt und vor einem Unwetter gemeinsam mit der Sängerin Pauline Garlandt und deren Sekretärin Jeanne in den noch nicht eröffneten Gasthof „Zur Waldmühle“ flüchtet, wo sie ihre nasse Kleidung gegen die unberührte Personalgarderobe tauschen. Der sittenstrenge Oberforstrat Tymoleon Gerius, verlobt mit der schönen Studentin Freda, möchte seine Eleven bei diesem unerlaubten Ausflug ertappen, läuft aber Pauline über den Weg, die er für die Müllerin hält. Auch der junge Botho ist in Freda verliebt und will mit Hilfe des Botanik Professors Erasmus Friedrich Müller, der den von Fredas Mutter Malvine angeblich entdeckten „schwarzen Waldmeister“ zu begutachten, angereist ist. Der Nachname „Müller“ bildet nun die weitere Triebfeder eines amüsanten „qui pro quo“, daß nur durch einen „Zaubertrank“ gelöst werden kann. Erasmus erkennt sofort, dass es sich nur um einen mit Tinte gefärbten Waldmeister handelt, der jedoch mit reichlich Alkohol zu einer Bowle versetzt, ungehemmte bacchantische Triebe entfesselt. Die Wirkung dieser Bowle entfaltet sich immer stärker und weitere Dorfbewohner, darunter der Amtshauptmann Christof Heffele und Stadtrat Danner, finden sich im Gasthof und werden von der Waldmeisterbowle ebenfalls „verzaubert“. Am Ende finden schließlich die „richtigen Paare“ im Sinne der rigiden Moralauffassung der Nachkriegszeit zusammen…
Regisseur Josef E. Köpplinger hat dieses Manko freilich erkannt und in seiner spritzigen Neuinszenierung voller sexueller Freizügigkeit, die am 14. April im Gärtnerplatztheater in München stattfand, auch queere Lebensformen behutsam angedeutet. Das Bühnenbild von Walter Vogelweider beschwört die Idylle der Nachkriegsfilme jener Zeit, in das sich die Kostüme von Uta Meenen harmonisch einfügen. Der exzellente Chor wurde von Pietro Numico einstudiert. Ricarda Regina Ludigkeit würzte diese spritzige Inszenierung noch mit ihrer ausgelassenen Choreografie.

Das gesamte Ensemble überzeugte sowohl gesanglich als auch darstellerisch. Sophia Keiler hielt für die Rolle der koketten Sängerin Pauline Garlandt ihren stupenden lyrischen Sopran bereit. Tenorbuffo Daniel Prohaska verkörperte als Professor Müller den Typ des verhinderten Schauspielers, bedrückend intensiv in seinem Scheitern. Daniel Gutmann bot seinen kraftvollen Bariton für die Rolle des moralisierenden Direktors der Forstakademie, Oberforstrat Tymoleon Gerius, auf. Als Amtshauptmann Christof Heffele gab es ein Wiedersehen mit Publikumsliebling Robert Meyer, Mitglied des Theaters in der Josefstadt und ehemaligen Direktors der Volksoper Wien, verklemmt, kauzig und schrullig, der aber wieder einmal bewies, dass auch Schauspieler singen können. Als dessen Gattin Malvine, Hobbybotanikerin, begeisterte Regina Schörg mit ihrem exzellenten strahlenden Sopran. Die Studentin Freda, deren Tochter, war in der Kehle von der in Wien lebenden slowenischen Sopranistin Andreja Zidaric gut aufgehoben, die ihre Rolle mit großen Gefühlen ausfüllte.
Die österreichische Mezzosopranistin Anna-Katharina Tonauer stellte ihre große Wandlungsfähigkeit in der Rolle der Sekretärin Jeanne unter Beweis. Der in Freda unglücklich verliebte Forststudent Botho Wendt wurde von dem kroatischen Tenor Matteo Ivan Rašič besonders spielfreudig verkörpert. Seine halsbrecherische Partie weist zahlreiche hohe Bs auf! Chapeau! Als Stadtrat Danner, Adlatus von Amtshauptmann Heffele, wirkte noch der junge Berliner Tenor Caspar Krieger spielfreudig mit. In weiteren Rollen wirkten noch der Schauspieler und Bariton Alexander Findewirth als Forststudent Erich, sowie die vom Tanz und Musical kommende Wienerin Riccarda Schönerstedt als Paulines Sängerkollegin Regina mit. Der Südtiroler Erwin Windegger sorgte in der Doppelrolle der Zwillingsbrüder Martin, Hausmeister, und Sebastian, Diener, für besonders witzige Lichtblicke in dieser Inszenierung. Omnipräsent ob als Handwerker, Kellner oder als Forsteleven wirkten mit ihren gut trainierten Körpern noch Raphael Alisch, Niv Beili, Alexander Jürgens und Jaro Neuschwander mit.
Die musikalische Leitung dieses Abends lag in den verdienten Händen von Michael Brandstätter, der gemeinsam mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz die prachtvolle Musik des Walzerkönigs luftig und beschwingt in der Aufführungshalle entfaltete. Als Garant einer möglichst authentischen musikalischen Aufführung mag hervorgehoben werden, dass Brandstätter das Orchestermaterial Takt für Takt mit dem Autograf abgeglichen hat. Die Regie von Josef E. Köppliger hat das vergessene Werk neu belebt und ihm ein passendes Ambiente geschaffen. Obwohl das Publikum im Museumsquartier das Gastspiel aus München durchaus positiv aufgenommen hat, ist der Plot des „Waldmeisters“ doch ein wenig zu belanglos. Man wird diese Operette sicher noch einige Jahre an den verschiedensten deutschsprachigen Bühnen weiterspielen, bis es dann wieder für längere Zeit in Vergessenheit geraten wird.
Harald Lacina, 27. April 2025
Waldmeister
Operette von Johann Strauss
Wien / Museumsquarter/ Halle E
Gastspiel des Gärtnerplatztheaters München
Festival Johann Strauss 2025
25. April 2025
Regisseur: Josef E. Köpplinger
Dirigat: Michael Brandstätter
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz