OF-Stern für „Dora“ in Stuttgart

© Martin Sigmund

Der OF-Stern geht an die Staatsoper Stuttgart für eine in jeder Beziehung phänomenale Uraufführung: Mit Bernhard Langs auf einem Libretto von Frank Witzel beruhender neuer Oper Dora ist der schon oft bewährten Stuttgarter Staatsoper ein wahrer Paukenschlag gelungen, der ihr alle Ehre macht. Hier haben wir es mit einer ausgemachten Rarität zu tun, die sich tief in das Gedächtnis einbrannte und die man nicht so schnell wieder vergisst. Die grandiose Musik, die phantastische Inszenierung und die tollen gesanglichen Leistungen fügen sich zu einer Symbiose von außerordentlichem Glanz zusammen. Diese Aufführung ging wahrlich stark unter die Haut. Bernhard Langs Komposition ist in hohem Maße eindrucksvoll. Besonders eindringlich ist sein Spiel mit Zitaten aus der Musikgeschichte, die durch Synthesizer-Klänge etwas verfremdet werden. Darüber hinaus haben wir es hier mit einer ungemein intensiven, stark rhythmusbetonten Musik zu tun. Die nur 25 Musiker im Orchestergraben verstanden es trotz ihrer eingeschränkten Größe vortrefflich, die zu dem Werk passende Atmosphäre zu schaffen.

Die junge Dirigentin Elena Schwarz hat Langs Musik großartig zum Klingen gebracht. Und auch die moderne Inszenierung von Elisabeth Stöppler in dem Bühnenbild und den Kostümen von Valentin Köhler war ungemein ansprechend. Das Regieteam siedelt das Ganze in einem abstrakten Rahmen an. Die Handlung spielt sich in einem weißen, hellen Echo-Raum ab, in dem Dora eine Seelenreise antritt. Dieser surrealistisch anmutende Trip geht nicht ins Äußere, sondern driftet ganz und gar in das Innere der Protagonistin ab. So wenig wie sie sich nach außen hin bewegt, so ausgeprägt ist ihr Weg nach innen. Ganz Kleines wird hier zum ganz Großen. Sigmund Freud lässt grüßen. Der Raum, der ein Modell ihrer Gedanken und Gefühle bildet, ist ganz ihr zugeordnet. Diese Reise Doras in ihr Inneres wird von der Regisseurin einfach phantastisch aufgezeigt. Und in der Dora hat die sehr intensiv spielende und wunderbar singende junge Sopranistin Josefin Feiler, der ein Extralob gebührt, eine absolute Glanzpartie für sich gefunden, vielleicht sogar die Rolle ihres Lebens. Insgesamt handelt es sich um eine ungeheuer spannende Aufführung, die hoffentlich in absehbarer Zeit auch auf DVD gebannt wird. Eine herzliche Gratulation an die Stuttgarter Staatsoper für einen Abend, dem ich ohne zu Zögern das Postulat Aufführung des Jahres erteilen würde.

Ludwig Steinbach und Frank Piontek, 16. Mai 2024

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