Eigentlich gilt der Elias von Felix Mendelssohn-Bartholdy als Oratorium. Aber er ist sehr opernhaft komponiert, vielleicht der Sehnsucht Mendelssohns geschuldet, eine große Oper zu komponieren. Elias ist jedenfalls vor allem ein großes Chorwerk, bei dem der Chor trotz vieler solistischer Partien die Hauptrolle spielt. Die Zwitterstellung des Werkes legt eine szenische Darbietung aber durchaus nahe.
Regisseur Anthony Pilavachi hat den Elias wie eine Oper inszeniert, mit vielen Aktionen und viel Bewegung, mit wechselnden Bühnenbildern (Markus Erik Meyer) und diversen Lichtstimmungen (Arne Waldl). Und er hat dem Werk, bei dem es angesichts einer großen Dürre-Katastrophe um den Streit geht, ob Jehova oder Baal der „richtige“ Gott sei, eine neue Handlung verpasst. Wahrscheinlich hat ihn dazu auch der Beginn des Elias inspiriert. Denn noch vor der Ouvertüre gibt es ein kurzes Rezitativ, in dem Elias die Worte „Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“ spricht. Und so spielt Elias in Oldenburg auf einer Klimakonferenz. Elias steht für die mahnende Stimme der Wissenschaft, der König Ahab und seine Gattin für die ignorante Politik. Es kommt wie es kommen muss: Elias scheitert, landet im Gefängnis und stirbt. Aber auch das Königspaar überlebt nicht und wird nach einem Militärputsch ermordet. Am Ende ist man wieder auf der Klimakonferenz, wo Greta Thunberg (Ida Grotke) qusai als Nachfolgerin von Elias auftritt und Ausschnitte aus ihrer berühmten Rede vor dem UN-Klimagipfel hält, bevor sie mit einem Klebeband mundtot gemacht wird. Bis dahin werden verschiedene Episoden aufgeblättert: Man sieht verzweifelte Klimaflüchtlinge, eine Witwe, die den Teddy in ihrem Arm für ihr totes Kind hält, ein rituelles Blutopfer, neckische Teufelchen und Engel, die mit dem Fahrrad über die Bühne fahren und am Ende des ersten Teils auch den ersehnten Regenschauer. Auch ein opulentes Bankett beim König gibt es, bei dem eine blonde Sängerin für Glamour sorgt und sich später dem neuen Militärmachthaber an den Hals wirft.
Pilavachis Konzept ist zunächst über weite Strecken nachvollziehbar, wirkt dann aber doch zunehmend übergestülpt. Trotzdem fesselt die schon rein handwerklich sehr gelungene Inszenierung durchgängig. Langweile gibt es von Anfang bis Ende in keiner Sekunde.
Elias wird von Kihun Yoon mit machtvoll auftrumpfendem Bass verkörpert, wobei ihm die szenische Darstellung seiner Gesamtwirkung sehr entgegenkommt. Die Arie „Es ist genug! So nimm nun, Herr, meine Seele!“ gestaltet Yoon geradezu erschütternd, auch wenn der Ton gegen Ende etwas zu larmoyant gerät. Auch Martyna Cymerman kann sich als Witwe und als opportunistische Sängerin mit klarem Sopran profilieren. Die weiteren Partien werden u. a. von Volker Röhnert und Melanie Lang als Königspaar, von Mark Serdiuk als dem Freund von Elias, von Esther Vis als Erzengel und von Johannes Leander Maas als General ansprechend verkörpert.
Dass der Chorleiter Thomas Bönisch auch ein sehr guter Dirigent ist, hat er wiederholt bewiesen. Seine Leistung mit dem erweiterten Opernchor, den Damen des Extrachors und dem Oldenburgischen Staatsorchester verdient höchste Bewunderung. Ihm gelingen die lieblichen Passagen ebenso wie die hochdramatischen. Der Chorklang ist stets homogen, differenziert und machtvoll. Schon allein für diese Chöre lohnt sich die Aufführung.
Wolfgang Denker, 5. Dezember 2022
„Elias” Oratorium von Felix Mendelssohn-Bartholdy
Oldenburgisches Staatstheater
Besuchte Premiere am 4. Dezember 2022
Inszenierung: Anthony Pilavachi
Musikalische Leitung: Thomas Bönisch
Oldenburgisches Staatsorchester
Weitere Vorstellungen: 6., 15., 23., 30. Dezember, 1., 11., 25. Februar 2023