Graz: „La serva padrona“

Neue Galerie Graz, Stiegenfoyer

Unterhaltsame Barockoper mit Niveau

In der Reihe OpernKurzgenuss – einer seit Jahren bewährten Kooperation zwischen der Oper Graz und der Kunstuniversität Graz – hatte man wieder einen speziellen Aufführungsort gefunden: das Foyer im Neorenaissance-Stiegenhaus des Museums der Neuen Galerie. Der Ort war geschickt gewählt. Das Publikum saß im Halbkreis, davor spielte stehend rund um die zentrale Spielfläche das aus Studierenden zusammengesetzte 12-köpfige Barockorchester gamma.ut des Universitätsinstituts für Alte Musik und Aufführungspraxis der Grazer Kunstuniversität. Die Raumakustik passte geradezu ideal. Die Spielfläche selbst war mit sparsamen Versatzstücken bestückt, dazu kamen plakativ-wirksame Kostüme – beides von der persischen Bühnenbild-Studentin Faniz Sadeghi gestaltet. Die Regisseurin Annette Wolf und die musikalische Leiterin Susanne Scholz hatten sich eine praktikable Version überlegt: anstelle der Rezitative wurden deutsche Dialoge gesprochen – die Arien wurden auf Italienisch gesungen. Das förderte für das Publikum natürlich die Verständlichkeit und es war auch pädagogisch wertvoll: der 30-jährige polnische Bariton Dariusz Perczak als stimmkräftiger und koloraturensicherer Uberto, der trotz seiner Jugend schon eine Reihe großer Partien (z.B. den Eugen Onegin) erfolgreich an der Grazer Oper gesungen hatte, bekannte, dass er erstmals deutsche Dialoge zu sprechen hatte. Das gelang ihm schon erstaunlich gut. Die Magd Serpina sang die polnische Repertoire-Studentin Paulina Tuzińskamit sicher geführter Sopranstimme. Ihr fiel die deutsche Sprache merklich schwerer, aber sie zeigte routinierte Bühnenerfahrung, hatte sie doch in Polen nicht nur Barbarina und Zerlina gesungen, sondern auch bei einer Stradella-DVD mitgewirkt. Die stumme Rolle des Dieners Vespone verkörperte charmant der Schauspielstudent Levin Karl Hoffmann.

Im Mittelpunkt der Inszenierung standen die Gier nach Geld und Gold. Uberto benützt eine goldene Badewanne, die Wände sind vergoldet – das Orchester ist in die Szene einbezogen und flüstert Gold, Gold und ein Hocker vollgefüllt mit Banknoten spielt eine wichtige Rolle. Pergolesis Musik arbeitet mit kurzen Themen und Wiederholungen. Das nützt die Regie geschickt. So ist gleich die dreiteilige Auftrittsarie des Uberto köstlich szenisch umgesetzt – da wird ganz einfach das Hineinsteigen in die Badewanne dreimal mit den selben Gesten wiederholt. Die Regisseurin arbeitet generell mit drastischem, aber nie peinlichem Aktionismus und sorgt damit für eine erfrischende Umsetzung der simplen Commedia-dell’Arte-Handlung. Es war eine vergnügliche Stunde mit barocker Unterhaltungsmusik. Die Besetzung war gut gewählt und das Orchester spielte ebenso frisch und beherzt wie szenisch agiert wurde. Der Oper Graz und der Kunstuniversität Graz ist zu einer weiteren gelungenen Zusammenarbeit zu gratulieren! Es gab großen und verdienten Beifall für alle Ausführenden und das Leading-Team!

Die Produktion hat auch noch eine sehr nette persönliche Komponente, die nicht unerwähnt bleiben soll:

Uberto und Serpina – also Dariusz Perczak und Paulina Tuzińska – sind auch im tatsächlichen Leben verheiratet! Der spektakuläre Heiratsantrag ging vor 2 Jahren durch die Medien. In der Zeitung stand damals zu lesen:

Sie hat „Tak“ gesagt! Ein romantischer Heiratsantrag im schönsten Ballsaal des Landes krönte zu Mitternacht die 19. Grazer Opernredoute: Bariton Dariusz Perczak holte seine Freundin Paulina Tuzinska, die kein Wort Deutsch versteht, auf die Bühne. Während sie dachte, er redet vom Spielplan der Oper, ging er plötzlich auf die Knie und stellte die Frage aller Fragen auf Polnisch: „Wyjdziesz za mnie?“

Und so konnte Perczak vor der Premiere von La serva padrona auf Facebook schreiben: What is even more special – I am going to share the stage with my beloved wife!

Und zuletzt noch ein Video-Hinweis: aus dem Jahr 2008 gibt es eine prominent besetzte YouTube-Aufnahme der Serva padrona. Da spielen I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis, es singen Furio Zanasi und die heute berühmte Sonya Yoncheva. Die Yoncheva war übrigens damals gleich alt wie heute Paulina Tuzińska – möge das ein gutes Vorzeichen für den weiteren Weg von Paulina Tuzińska sein!

Hermann Becke, 4.12.2019

Probenfotos: Oper Graz © Werner Kmetitsch

Weitere Aufführungstermine: 5., 7. und 8. Dezember 2019; der Besuch ist unbedingt zu empfehlen!