Köln: „Die Zauberflöte“

Premiere: 03.10.2020, besuchte Vorstellung: 07.10.2020

Opulenz und Abstand

Der Name Michael Hampe ist in Köln wie wohl kaum ein anderer mit der Oper verbunden. Stolze 20 Jahre führte der nun mittlerweile über 80jährige die Geschicke des Hauses am Offenbachplatz und tat dies mit großem Erfolg. Namhafte Künstler gaben sich die Klinke in die Hand und brachten das Haus an die internationale Spitze. Nun eröffnet Hampe mit einer „szenischen Einrichtung“ von Mozarts „Zauberflöte“ die Spielzeit. Warum man seitens Oper und Regisseur nicht von „Inszenierung“ spricht ist klar: Corona. Wobei man immerhin sagen kann, dass die Kölner Oper die Zauberflöte nicht verkürzt, nicht auf mehrere Abende verteilt oder mit Kammerorchester spielt, nein, es ist fast alles im Original, einzig der Chor wird an einigen Stellen eingespielt und – natürlich – die Abstandsregeln werden auch auf der Bühne eingehalten.

Wobei man hier konstatieren muss, dass dies in Mozarts Klassiker gar nicht so unnatürlich wirkt, gibt es doch kaum Liebesszenen, die eine menschliche Nähe erfordern. Und selbst da, wo es notwendig ist, hat man sich gute Lösungen einfallen lassen und so tut es unwahrscheinlich gut, in diesen Zeiten eine nahezu normale Opernaufführung zu sehen, wohl wissend, dass der Bühnen- und Kostümbildner dieser Produktion German Droghetti mit Corona in der Konzeptionsphase verstorben ist. Ihm ist die Produktion gewidmet.

Seine Ausstattung, die in kraftvollen Farben in der ins Staatenhaus gebauten Guckkastenbühne und in unglaublicher Detailverliebtheit in den Kostümen einen höchst geschmackvollen und in klarer ästhetischer Linie gezogenen Bogen gibt, erschafft eine echte Zauberwelt, die mittels raffinierter verschiebbarer Wände, Versenkungen und Videoprojektionen die Nüchternheit des Kölner Operninterims vergessen lässt.

Die szenische Einrichtung Hampes ist brav und allem dienlich (der Handlung wie den Abstandsregeln). Oft fehlt es – gerade in den Dialogen – an Tempo und Humor, dafür wird die Figur des 2. Priesters zu einem vollkommen überflüssigen Erzähler aufgewertet, der in die Handlung einführt und immer wieder darauf hinweist, dass es ohne Corona ja anders wäre und sich Sänger auch näherkommen dürften. Martin Koch spult seinen Text hier zwar sympathisch, aber oftmals auch in einem rasanten Tempo runter. Ansonsten ist diese Produktion szenisch unauffällig und das im guten, wie im schlechten Sinn, stellt sie sich doch sehr in den Dienst des Werkes, verweigert sich aber jeglicher Interpretation und bleibt – Corona hin oder her – sehr verhalten.

Dabei verfügt die Oper Köln über eine exzellente Besetzung, die einen herrlichen Mozart musiziert. Als Pamina überzeugt Kathrin Zukowski. Aus dem Opernstudio direkt ins Ensemble der Oper übernommen gibt sie ein hervorragendes Rollendebüt, in dem sie ein wunderbares Wechselspiel zwischen Leichtigkeit und Dramatik ihrer Partie auslotet. Ihr zur Seite steht Julien Behr als Tamino. Mit enormer Strahlkraft und scheinbar vollkommen unangestrengt gibt er szenisch wie stimmlich überzeugend den jungen Prinzen. Als Papageno wurde Matthias Hoffmann verpflichtet, der sich redlich müht, seiner Figur Leben einzuhauchen. Hier hätte man sich von der Regie mehr Witz und Einfallsreichtum gewünscht, musikalisch ist der junge Sänger aber voll und ganz präsent und überzeugt mit klangschönem Bariton auf ganzer Linie. Als sein „Weibchen“ kehrt das ehemalige Opernstudio-Mitglied Alina Wunderlin ans Haus zurück. Sie spielt die kleine, aber doch so wichtige Partie mit großem Charme und wirft sich mit viel Verve in die Rolle.

Antonina Vesenina ist in wallender Robe eine furchteinflößende Königin der Nacht. In ihrer Stimme liegt große Sanftheit, die sie aber für die monströsen Koloraturen blitzschnell in funkelnde Schärfe wandelt. Für ihre exzellent vorgetragenen Arien gibt es – natürlich und zurecht – Szenenapplaus. Ihr Gegenpart wird von Ante Jerkunica übernommen, der als recht verwegen wirkender Sarastro mit schlankem Bass einen ausgesprochen klangschönen Hohepriester gibt. John Heuzenroeder als Monostatos vermag in dieser Partie nur bedingt zu überzeugen, bleibt er doch stimmlich sehr zurückhaltend. Alle weiteren Rollen von den drei wunderbar singenden Damen (Claudia Rohrbach, Regina Richter, Judith Thielsen) bis hin zu den Geharnischten (Young Woo Kim, Sung Jun Cho) ergeben ein hervorragendes musikalisches Bild, dass von den drei exzellent singenden Knaben der Chorakademie Dortmund abgerundet wird.

Der Leipziger GMD Christoph Gedschold musiziert mit dem Gürzenich Orchester einen feinen, transparenten Mozart. Die Tempi werden flott gewählt, manchmal zu flott, und das ist schade, denn immer wieder kommt es zu kleinen Ungenauigkeiten zwischen Bühne und Graben.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Oper Köln für alle Partien mehrere Besetzungen zur Verfügung hält.

© Fotos: Paul Leclaire

Sebastian Jacobs, 9.10.2020