Leipzig: „Magnificat“

Das Leipziger Ballett mit kühner Mixtur

Wie John Neumeier in Hamburg scheint es auch dem Chefchoreografen des Leipziger Balletts Mario Schröder ein Anliegen zu sein, sich mit dem Werk Johann Sebastian Bachs künstlerisch auseinanderzusetzen. Nach der Johannes-Passion folgt nun das Magnificat BWV 243 in einer tänzerischen Deutung, die am 9. 2. 2019 ihre gefeierte Uraufführung im Opernhaus erlebte. Bekanntermaßen bietet das Werk keine Klangfolie für ein Abend füllendes Ballett, so dass Mario Schröder Giovanni Battista Pergolesis Stabat mater als ergänzende Musik auswählte und die beiden Werke miteinander verwob. Das erscheint schlüssig, denn Bach und Pergolesi sind Vertreter des Barock und zudem Zeitgenossen. Die Entscheidung hatte aber auch dramaturgische Gründe, steht das Magnificat doch für Jubel und Freude, das Stabat mater dagegen für Trauer und Schmerz – Emotionen, die unser Leben bestimmen. Überraschend und irritierend dagegen ist die Einbeziehung von klassischer indischer Musik, welche von Ravi Srinivasan und seiner Formation Indigo Masala live interpretiert wurde. Die drei Musiker spielen Tabla, Pfeifen, Sitar, Percussion und sogar Akkordeon, äußern darüber hinaus fremdartige Sprechlaute. Diese Musik könnte für Temperament und Vitalität stehen, wirkte gleichwohl fremd und bizarr im Kontext zum Barock.

Ausstatter Paul Zoller hat die von Michael Röger in leuchtende Sonnentöne getauchte Bühne mit käfigartigen Gestängen von gelber Farbe eingefasst, welche zunächst von Stoffwänden bedeckt sind, die dann nach unten sinken. Das Zentrum im Hintergrund bildet ein Rhönrad, das auch das buddhistische Dharma-Rad sein könnte, in welchem mehrfach Tänzer agieren. Zu Beginn sitzen die Mitglieder des Leipziger Balletts auf dem Boden in weißen Hosen und orangefarbenen Überwürfen – dem verhaltenen Entrée folgt bald eine lebhafte Gruppenszene zum „Magnificat anima mea“. Zu sehen sind dann unterschiedliche Formationen, Laufbewegungen, viel Armarbeit, Breakdance-Anmutungen, Szenen von aufgeregtem Duktus, feierliches Schreiten, Körperskulpturen, Spiralen, Reihen, wirbelnde Gruppen, Aktionen in slow motion und sogar Figuren, die an Eiskunstlauf erinnern. Die Choreografie ist in ihrem Vokabular ungemein vielfältig, entgeht aber nicht immer der Gefahr, dass sich manche Formationen wiederholen. Zuweilen entbehrt sie auch nicht des Profanen, wenn Tänzer die hölzernen Käfige hin und her schieben und drehen, dass sie tanzenden Bambusstäben ähneln.

Starke Momente gibt es in einigen Soli von heiterer Stimmung sowie empfindsamen Pas de deux, vor allem mit Laura Costa Chaud/Urania Lobo Garcia und Lou Thabart. Faszinierend ist der Auftritt in animalischem Duktus von Fang-Yi Liu zu Masalas „Pipit“. Die Tänzerin hüpft, schleicht, flattert und windet sich mit der Leichtigkeit eines Vogels. Aber auch den anderen Tänzern sind agile Körperlichkeit und stupende Gewandtheit zu attestieren. Den musikalischen Jubel im letzten Satz der Musikfolge, Bachs „Gloria“, bricht der Choreograf, denn da gibt es nach dem kraftvollen Auftakt auch Momente des Verharrens und am Ende einen fragenden Blick der Tänzer ins Publikum.

Das Gewandhausorchester musiziert unter der Leitung von Christoph Gedschold stilistisch versiert, während der Chor der Oper Leipzig (Einstudierung: Thomas Eitler-de Lint) mitunter verwaschene Koloraturen hören lässt. Kompetent besetzt ist das Solistenquintett mit den klaren Sopranen von Steffi Lehmann und Susanne Krumbiegel, der Altistin Marie Henriette Reinhold, dem versierten Tenor Martin Petzold und dem Bassisten Dirk Schmidt.

Bernd Hoppe 13.2.2019

Bilder (c) Ida Zenna