Premiere am 17.06.17
Salome – eine Göre von Heute
Die Premiere von "Salome" im Rahmen des Richard-Strauss-Wochenendes der Leipziger Oper, eingebettet zwischen Vorstellungen von "Arabella" und "Die Frau ohne Schatten", trug zwei ziemliche Beschattungen mit sich, war zum ersten Ende April der Tenor Endrik Wottrich überraschend verstorben, der mit dem Herodes als Rollendebut einen Fachwechsel beginnen wollte, so verstarb am Montag vor der Premiere die Ausstatterin und Künstlerin rosalie. Mit rosalie werden wir sicherlich eine der originären Menschen vermissen. Ich erinnere mich gerne ihrer Bühnenbilder und Kostüme, die aus Materialien und Alltagsgegenständen in neuen Zusammenhängen poetische Bilder schuf, so der Siegfried-Wald aus grünen Schirmen in Bayreuth oder die unglaublich phantasievolle Ausstattung zum Hamburger "Idomeneo", um nur zwei Beispiele zu nennen.
Aber wie heißt es im Theaterjargon: "The show must go on!".Zu Aron Stiehls Inszenierung zeigte rosalie sich noch einmal in Bestform und ihr Bühnenbild als postmoderne Architektur bildet ein ganz wichtiges Element des Abends. Oben in regenbogenfarbiger Beleuchtung eilen die reichen Götter ihrem Ende entgegen, Herodes gibt der Haute volèe eine Party, unten im angeschmutzten Hof leben Angestellte, Soldaten und der Gefangene. Salome ist ein verwöhntes Balg, das wohl viele Wünsche erfüllt bekommt, wenn sie Stiefvati und Mammi ihren Willen tut. Eine Generation, wie man sie in unserer Wohlstandsgesellschaft inm Alltagsleben oft vor Augen hat. Im Hof trifft sie auf den attraktiven Sozialrevolutionär Jochanaan und das verwöhnte Kind sorgt dafür, das es seinen Willen bekommt… Stiehl zeigt deutlich eine hedonistische Gesellschaft, die orthodoxen Juden nippen ganz unorthodox am Sekt, da sind viele schöne Details innerhalb der Regie, so zum Beispiel, wie der tote Narraboth Salome erst auf den fatalen Gedanken bringt. Doch manches gerät dann auch sehr plakativ, so leider die verhunzte Tanzszene: Salome läßt Leute Theater spielen, gleich der theatralischen Familienaufstellung in Shakespeares "Hamlet", getanzt wird wenig, doch Herodes bekommt seine Befriedigung, alles ein wenig ungeschickt dargeboten; warum Ramses Sigl als Choreograph genannt wird erschließt sich mir nicht.
Ulf Schirmer am Pult des Gewandhausorchesters zeigt sich am Premierenabend nicht als Mann der feinen "valeurs", sondern pflegt einen sehr energetischen Zugriff auf die Strauss-Partitur, da darf es auch schon einmal ordentlich krachen. Trotzdem ein rundes Dirigat voller Spannung, was der Inszienerung sehr entgegen kommt. Freilich wird auch eine sehr starke Sängerbesetzung aufgeboten: an der Spitze das Rollendebut von Elisabeth Strid in der Titelpartie. Ein Sopran der Jugendlichkeit und Unverwüstlichkeit mit sich bringt, eine von Strauss gewünschte "jugendliche Isolde", die stimmlich robust genug ist, das Finale mit feinen Piani zu krönen, für das erste Mal waren auch schon einige gute Interpretationspunkte zu hören, mit der Sopranistin könnten wir "die "Salome der kommenden Jahre vor uns haben. Jochanaan sah in Gestalt Tuomas Pursios nicht nur gut aus, sondern seine vom lyrischen Bariton kommende Stimme trägt ein warmes Charisma in sich, lediglich die Schluchzer aus der Zisterne gefielen mir persönlich nicht so. Mit Michael Weinius besaß man einen sehr heldischen Herodes, dessen szenisch präpotente Art sich auch ins vokale schlug, was ganz zum Schluss doch zu einem "Festsingen" führte. Karin Lovelius` Herodias überzeugte durch Charakter und stimmliche Farbigkeit, leichtes vokales Vitriol passte ganz hervorragend zur Gestaltung. Sergei Pisarev führte als Narraboth einen äußerst schön klingenden, lyrischen Tenor ins Feld. Die Juden, Soldaten, Nazarener und Bediensteten zeigten das ganz hohe Niveau der Leipziger Oper in der Besetzungen der sogenannten Nebenrollen.
Fazit: ein sehr spannender Opernabend im Szenischen wie im Musikalischen, eine Produktion, die qualitätsvoll gehalten lange im Repertoire bleiben kann. Und vor allem das Rollendebut einer sehr überzeugenden Salome. Elisabeth Strid ein Name, den man sich unbedingt merken muß. Großer Schlussjubel des Premierenpublikums ohne jegliche Mißfallensbekundung.
Martin Freitag 20.6.2017
Fotos (c) Kirsten Nijhof