Berlin: Bartók, Schumann

Béla Bartók
Klavierkonzert Nr. 2

Robert Schumann
Sinfonie Nr. 2 in C-Dur, op.61

Als „ein Programm der Kontraste“ bezeichnet der Dirigent Christoph Eschenbach seine Kombination von Bartóks 2. Klavierkonzert mit Schumanns 2. Sinfonie mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem Pianisten Tzimon Barto. Sicher, da ist manch Kontrastierendes bei diesen beiden Komponisten. Die „neue Sachlichkeit“, die Abwendung – insbesondere vom spätromantischen Gefühlsüberschwang eines Rachmaninow z.B. – bei Bartók gegen die biographisch-erzählerisch geprägte, mit romantischem Klangbild aufwartende Sinfonie Schumanns. Doch ist da bei diesen beiden Werken auch manch Verbindendes zu entdecken: Die Bezüge zu Bach bei beiden Komponisten, formal bei Bartók, thematisch bei Schumann, oder die Anlage des „Brückenbaus“ mit der Verarbeitung der Themen der vorangegangenen Sätze im jeweiligen Finalsatz.

Begonnen wurde mit Béla Bartóks horrend schwierig zu spielendem Klavierkonzert, einem Konzert, das dem Pianisten keine Zeit zum Durchatmen gönnt. Tzimon Barto stellte sich dieser enormen Herausforderung mit einer bewundernswert vorwärts gerichteten, attackierenden Sicherheit. Wuchtige Akkorde, fulminante Tonfolgen und vertrackte Rhythmen erklangen mit einer stupenden Rasanz, fordernd, den Drive für das Orchester vorgebend. Christoph Eschenbach und das DSO folgten und ergänzten mit ungeheurer Aufmerksamkeit, es kam zu hoch spannenden Zwiegesprächen und Kombinationen (z.B. Klavier-Triangel). Im zweiten Satz, dem Adagio mit dem diabolischen Presto Zwischenteil, traten erstmals die Streicher dazu (der erste Satz wird nur durch Klavier und Bläser mit Schlagzeug bestimmt). Die gedämpften Streicherklänge führten zu einer mythisch-impressionistischen Grundstimmung Eschenbach baute die dynamischen Steigerungen gekonnt auf, der Solist glänzte mit kaum enden wollenden, präzisen Trillerketten und fulminanten Tonrepetitionen. Daneben aber verblüffte er auch mit ungemein zart gesetzten Tönen in den beiden langsamen Teilen dieses Satzes, Tönen, denen er nachzuhorchen schien. Im Schlusssatz war dann wieder Virtuosität gefragt, exaktes Wechselspiel mit dem Orchester. Schneidend und scharf komponierte Bartók hier, mechanisch schnorrend, perkussiv. Mit großem Applaus würdigte das Publikum in der nicht ganz voll besetzten Philharmonie alle Ausführenden. Schreckt Bartók noch immer den durchschnittlichen Konzertbesucher ab? Hoffentlich nicht. Wer sich näher mit Bartóks Klavierkonzerten befassen möchte, hat dazu am 2. Juni 2019 nochmals Gelegenheit, denn dann spielt Tzimon Barto an einem Abend auch das 1. und das 3. Klavierkonzert des Ungarn, wieder begleitet vom DSO unter Christoph Eschenbach.

Nach der Pause erklang dann Schumanns 2. Sinfonie, die Christoph Eschenbach auswendig dirigierte. Wunderschön phrasiert und fließend erklang die gewichtige Einleitung, herrlich akzentuierte das Wechselspiel 1./2. Geigen, welchem der Dirigent besondere Aufmerksamkeit widmete. Überhaupt überzeugte Christoph Eschenbach mit ungeheurer wacher und formender Präsenz in der Gestaltung mit expressiver Zeichengebung. Mit bestechender Präzision spielte das DSO das rasant-hastig dahinhuschende Scherzo mit den beiden Trios. Christoph Eschenbach bezeichnete in einem im Programmheft abgedruckten Gespräch den langsamen Satz, dieses Adagio espressivo, als „einen der schönsten romantischen langsamen Sätze, die es gibt.“ Und tatsächlich, seit ich diesen Satz in einer traumhaft schönen Choreografie von Uwe Scholz für das Ballett Zürich zum ersten Mal bewusst wahrnahm, gehört er ebenfalls zu meinen Lieblingen aus dem Umfeld der Romantik. Auch gestern Abend in der Philharmonie verfehlte er seine berührende Wirkung nicht, obwohl Eschenbach gar nicht so sehr auf die emotionale Drüse drückte, sondern eher klar und analytisch die Bach-Bezüge herausarbeitete. Wunderschön konnten sich so die Holzbläser entfalten und die Celli am Ende waren ein Traum. In euphorische Freude mündete dann die beseelte Schwermut des Adagios ins Allegro des Finalsatzes, mit der eingefügten Widmung des Komponisten an seine Frau Clara mit dem Beethoven Zitat aus „An die ferne Geliebte“.

Kaspar Sannemann 8.12.2018