Premiere am 18.2.2018
Diana Damrau & Jonas Kaufmann
Einmalig schön und lebensnah, erfrischend sympathisch
In meiner Kritik zum Kaufmann-Konzert am 6.4.2017 am selben Haus schrieb ich als Fazit "Man macht sich weiterhin Sorgen, daß er nicht ein ähnliches Schicksal wie sein einstiger ebenfalls großer vielversprechender Kollege Rolando Villazon, erleidet. Zuviel des Guten – bei Kaufmann muß man schon sagen zuviel des Sehr Guten! Das singen der großen Kawenzmänner kostet Substanz und zehrt an der Stimme. Ein "weiter so" würde mich als erfahrenen langjährigen Kritiker und Beobachter bedenklich und traurig stimmen…" (*Unter "Kawenzmännern"* verstehen sich die großen Tenorpartien bei Puccini, Wagner, Korngold und – tödlich für so eine wunderbare Stimme ! – letzten Endes Verdi.)
Gott sei Dank ist Jonas Kaufmann nicht nur ein netter, sondern auch ein intelligenter und durchaus selbst-kritischer Künstler. So sind die Liederabende, die er jetzt einlegt, eine höchst sinnvolle Beruhigung und Erholung seiner damals doch sehr angeschlagenen Stimme und wichtigste Stimmpflege, wenn man noch weitere 30 Jahre singen möchte.
Hinzu kommt, daß die Erfahrung des Liedersingens – besonders wenn man einen so ungemein grandiosen und einfühlsamen Klavierpartner hat, wie Helmut Deutsch und eine mit superben Grandezza ausgestattete erfahrene Sängerin, wie Diana Damrau als Partnerin – unbezahlbar ist.
Nach Hamburg, Berlin, München, Baden Baden und Frankfurt ist die Tournee nun in Essen angekommen. Daß man die unvermeidliche CD gerade hier aufnimmt spricht Bände für den Essener Konzertsaal. Über das treue tolle Publikum, welches die Philharmonie bis in den letzten Winkel (es saßen sogar ca. 150 Besucher auf der Orchester-Plattform) füllte, braucht man keine weiteren Worte zu verlieren; auch deshalb mein Lob, weil die Konzerte anderorts – nicht ohne Grund gelten Liederabende als Kassengift – unverständlicher Weise nicht immer ausverkauft waren.
Das „Italienische Liederbuch“ beinhaltet 46 Lieder für eine Singstimme und Klavier, Texte italienischer Volkspoesie in Nachdichtung von Paul Heyse und in zwei Schüben 1890/91 und 1896 von Hugo Wolf vertont. Sie sind in der Abfolge nicht stringent vorgegeben, was jede Aufführung zu einer neuen, ganz eigenen Premiere macht. Ganz wunderbar der von der Technik zwingend vorgegebene Aspekt, daß zwischen den Gesangsblöcken wegen der Aufnahme nicht geklatscht werden durfte, was diesen Abend zu einem Ausnahmeabend machte. Warum eigentlich nicht immer so? Genießen und erstmal schweigen…
Inwieweit die Bezeichnung "Traumpaar" Realität wurde zeigte sich gerade in Essen daran, daß diese beiden Künstler nicht nur perfekt harmonierten, brillant sangen, sondern sich wohl auch menschlich durchaus zugetan waren. Womit ich die musiktheatralisch natürliche Gestik meine, die 50 Prozent dieses Erlebnisses ausmachte. Ich erlaube mir sogar die ketzerisch gemeinte Frage Wer will das auf CD hören, wenn man diese wunderbaren Ausnahmekünstler nicht sehen kann? Zwischen den teils sehr kurzen Liedern spielten sich emotional alle Facetten des Lebens ab, so daß zur Versilberung einzig eine DVD Sinn gemacht hätte.
Damrau und Kaufmann sind charmante Weltstars, die bodenständig geblieben sind, was man an solchen Abenden besonders herzlich spürte und dankbar aufnahm. Hier bewegten sich alle Elemente, die ein großer Liederabend haben muß im 5-Sterne-Bereich: die Atmosphäre, der Gesang und das Piano. Was für ein Konzert!
Als Duett-Zugaben: Schumanns „Unterm Fenster“ und (als Werbebotschaft von Apple mit Tablet als demonstrativ hochgehaltene Notenvorlage) Mendelssohns „Gruß“ 😉
Peter Bilsing 20.2.2018
Dank für die tollen Abend-Livebilder an (c) Sven Lorenz