Das Interessanteste ist der Monza.
Selbst Opernfreunde können in scheinbar rein symphonischen Konzerten theatrale Überraschungen erleben. So geschehen bei der Musica Bayreuth, als Abend ein Werk ins Markgräfliche Opernhaus flatterte, das wohl nur die informiertesten Opern-Aficionados kennen. Das hebt säuselnd an, um alsdann zu einem Sturm auszubrechen. Spannend, was Carlo Monza (schon mal gehört?) als Introduzione für seine ansonsten längst im Orkus der Operngeschichte begrabene „Iphigenia in Tauride“ komponiert hat: einen Sturm, der auch im Inneren der Protagonisten tobt. Sensitiveres, atmosphärisch Stärkeres werden wir trotz Mendelssohn an diesem Abend nicht hören.
Apropos „informiert“: Fabio Bondi, der am Pult steht, ist zwar ein bekannter Dirigent von Werken, die im sog. Barock komponiert worden sind, aber man wird ihn kaum dem innersten Kern der „Alten Musik“-Szene zuzählen, zumal die Bamberger Symphoniker alles andere als ein Spezialorchester für das ältere Repertoire sind. Trotzdem klingt das Oboenkonzert von Giuseppe Sammartini – hier von Barbara Bode ansprechend quecksilbern gespielt – wenigstens ein bisschen so, wie wir es inzwischen gewohnt sind (nicht zu reden von den noch in den 80er Jahren entstandenen Aufnahmen mit „traditionellen“ Orchestern, die wir uns nicht mehr anhören können, wenn wir einmal den Reiz des Neuen im scheinbar ganz Alten gehört und begriffen haben). Gleiches gilt für die d-Moll-Symphonie Niccoló Jommellis, einem bei aller Routine souverän gestalteten Prunkstück festlicher Abendmusik (und die Solopassagen, die Bondi an der Violine ins Haus schickte, klangen einfach deliziös).
Begonnen hat alles mit einer rechten Pracht-Fanfare: der Sinfonia zur Mailänder Festoper „Ascanio in Alba“ von 1770; die Trompetenengel am Bühnenportal spielten gleichsam mit. Mit Mozarts G-Dur-Sinfonie KV 74 endete der erste Block: frisch und forsch gebracht wie dann, nach einer nötigen Kunstpause, Mendelssohns erste Orchestersymphonie, die er im zarten Alter von 15 Jahren schrieb: auch ein Jugendwerk, das gelegentlich wie eine Instrumentation einer frühen Streichersymphonie klingt und das Motorische noch nicht verleugnet – wenn nicht das ingeniöse Andante wäre. Hier blühen die Bamberger, wie gesagt: forsch geführt, betonen die Bamberger das klassische, bei aller äußeren Bewegtheit sinnlich gezügelte Element in Mendelssohns, denn doch erstaunlichem juvenilem Opus. Langer Beifall für ein zweigeteiltes Konzert, das eines einte: die Lust an einem frischen Musizieren, das gut ins festliche Haus passte.
Frank Piotek, 23. Juni 2023
Musica Bayreuth
Markgräfliches Opernhaus, 22. Juni 2023
Bamberger Symphoniker
Dirigent: Fabio Bondi