Salzburg: „Tristan & Isolde“

Besuchte Vorstellung: 09.11.2012 (Premiere 31.10.2012)

Salzburger Landestheater im Haus für Mozart

Bekannt ist, das Richard Wagner die Komposition seines Siegfrieds unterbrach, um dieses gefühlvollste und persönlichste seiner Musikdramen zu gestalten. Seine Affäre mit Agnes Luckemeyer, später als Schriftstellerin unter dem Namen Mathilde Wesendonck (1828-1902) bekannter geworden, mag in das tragische Schicksal des Liebespaares eingeflossen sein, wobei Otto Wesendonck (1815-1896) in der undankbaren Rolle des betrogenen Königs Marke zu erkennen ist, keinesfalls aberdie betrogenen Ehefrau Wilhelmine „Minna“ Planer (1809 – 1866) in jener der treuen Dienerin Brangäne.

Die unglückliche Liebe von Tristan und Isolde kann unter Einbeziehung der Philosophie Arthur Schopenhauers (Das Leben ist ein Jammertal) letztlich ihre Erfüllung nur im Tod finden. Unter dieser Prämisse erhalten auch die sinnlichen Worte „O sink hernieder, Nacht der Liebe“ eine doppelte Bedeutung. Es ist nicht nur eine Nacht der körperlich-ekstatischen Vereinigung, der grenzenlosen schwelgerischen Leidenschaft des Augenblicks, die nach Befriedigung giert, sie aber nie wirklich findet und wiederum zum Streben, welches seiner Natur nach Leiden ist, mündet. Es ist bereits die Ahnung des nahen und in seiner Endgültigkeit erlösenden Todes.

Dem Mozarteumorchester unter dem Musikdirektor des Salzburger Landestheaters, Leo Hussain, gelang ein äußerst facettenreicher, farbenprächtiger „Wagnersound“, der die Sänger jedoch niemals zudeckte, vielmehr behutsam auf Wogen durch die Partitur einfühlsam trug. Dabei scheute der Dirigent aber keineswegs Momente von selten noch derart empfundener äußerster Dynamik und Tempi. Es brodelte da stellenweise regelrecht aus dem Orchestergraben hervor. Schon im Vorspiel, das leider durch zu spät kommende und dennoch von den Billeteuren eingelassenen Zuschauern gestört wurde, entfaltete sich ein verdichteter, spannungsgeladener Klangteppich mit wundervoll gewobenen Crescendi. Die eher konventionelle Regie des ehemaligen Intendanten der Theater von Bern und Krefeld/Mönchengladbach und Lehrstuhlinhabers für Musikdramatische Regie an der Universität Mozarteum, Eike Gramss, vermochte die Statik des Geschehens nur wenig zu beleben, wozu auch die karge Ausstattung von Christian Floeren nicht unmaßgeblichen Anteil hatte. Ein Floß, durch Seilzüge mit dem Schnürboden verbunden, ähnliches hat man auch in Dessau 2007 gesehen. Ein unter Wasser stehender Bühnenraum und ein atmosphärischer Sternenhimmel (Lichtdesign: Eduard Stipsits) für die Nacht der Liebe sind ebenso traditionelle Ausstattungselemente altherkömmlicher Inszenierungen dieser Oper. Ein gänzlich „neuer“ Zugang bleibt wohl dem Musikdrama, anders als im Schauspiel, so etwa bei Georg Kaisers Drama König Hahnrei, offensichtlich verschlossen. So gesehen überzeugte die Aufführung durch handwerkliches Können des leading teams, das in der Umsetzung seines Konzeptes keinerlei Überraschungen bereit hielt.

Der gebürtige Potsdamer Michael Baba, stimmlich solider Parsifal von Erl, ist mit der Partie des Tristan an seine hörbaren Grenzen gestoßen. Und so hält er sich auch im zweiten Akt im Liebesduett eher bedeckt, und überlässt es dem Sopran, ihn einfühlsam mitzutragen, im Wissen um die gewaltige stimmliche Anforderung im dritten Akt. Diesen hält er dann auch einigermaßen sicher bis zu seinem finalen Bühnentod durch. Aber wo gibt es heute schon einen Tenor, der diese Partie mühelos bewältigen könnte?

Die Isolde der US-Amerikanerin Jeanne-Michèle Charbonnet war in der Höhe fallweise schrill und drohte dann auch abzubröckeln, sie berührte dafür aber durch ihre intensive Rollengestaltung, mit der sie alle Facetten der hassenden, verzweifelnden und liebenden Frau glaubwürdig auszudrücken wusste. Freilich, den sogenannten „Liebestod“ wünscht man sich als ohnehin schon durch die Musik völlig paralysierter Zuhörer schon etwas verklärter, weltentrückter… Katherine Goeldner begeisterte durch ihren ausdrucksstarken Mezzosopran und ihrer souveränen Gestaltung der Brangäne. Mit ihrer Leistung an diesem Abend sollten ihr wohl die Tore aller großen Opernhäuser der Welt offen stehen. Der Norweger Frode Olsen, ein weiterer Höhepunkt dieses Abends, bestach mit seinem kräftigen Bass als betrogener König Marke.

Detlef Roth, der in der grandiosen Stefan Herheim Deutung des Parsifal in Bayreuth den Amfortas verkörperte, war an diesem Abend ein etwas zu stimmgewaltiger Kurvenal. Er verfügt natürlich über ein gewaltiges Material, aber muss man neben dem leidenden, an seiner Wunde langsam verblutenden, Tristan derart forcieren? Simon Schnorr stattete den königstreuen Melot mit einem stimmlich wie darstellerisch markantem Profil aus. Franz Supper als Hirt und Stimme eines jungen Seemanns sowie Einar Gudmundsson als Steuermann ergänzten ausdrucksstark und gesanglich hervorragend disponiert, ebenso der Chor unter Stefan Müller.

Der Beifall war kurz aber herzlich, der einzelne Buhruf für Isolde war streng genommen nicht begründet.

Harald Lacina