Schwarzenberg: „Schubertiade“, Teil 2

© Schubertiade

Die diesjährige Schubertiade hatte die beiden bedeutendsten Klarinettenquintette im Programm: Nach dem heiter-klassischen Quintett von Wolfgang Amadeus Mozart, das am 27. August Sharon Kam mit dem Schumann Quartett musiziert hatte, hörte man am Nachmittag des 30. August das grüblerische  Klarinettenquintett h-Moll op.115 von Johannes Brahms, dargeboten vom britischen Elias String Quartet (Sara Bitlloch, Donald Grant, Simone van Giessen, Marie Bitlloch) gemeinsam mit dem für Daniel Ottensamer eingesprungenen Klarinettisten Robert Plane aus Groß-Britannien. Bereits im Eingangs-Allegro wurde deutlich, wie gut der Streicherklang des Quartetts mit dem des Blasinstruments zusammen passte. Da ging es von wunderbar zarten piano-Passagen zu dramatischen Aufschwüngen, die erst durch das gekonnte Wechselspiel der 1. Violine mit der Klarinette beruhigt wurden. Natürlich kamen auch die anderen Instrumentalisten im Rahmen des etwas schwermütig klingenden h-Moll solistisch zu ihrem Recht. Das Adagio begann mit einem zunächst in sich ruhenden Thema der Klarinette, die es mit virtuosen Figuren umspielte; im Laufe des Satzes gab es längere drohende Phasen, die erst allmählich wieder zur Ruhe des Anfangs zurück fanden. In das deutlich mehr Freundlichkeit zeigende Andantino brachen stürmische Bewegungen (prestissimo non assai) ein, die in den Schlussatz con moto mit seinen abwechslungsreichen Variationen führten. All dies fand in der gestaltungsintensiven Interpretation der britischen Künstler mehr als nur angemessenen Ausdruck.

Nach der Pause erklang das insgesamt tieftraurige c-Moll-Quartett „Der Tod und das Mädchen “ von Franz Schubert. Das Elias String Quartet deutete mit technischer Perfektion die oft ungemein dramatischen Stimmungen des Werks gut nachvollziehbar aus, wobei auch die die Stimmung aufhellenden Momente nicht ausgespart blieben. Der berühmte Variationssatz mit dem Lied-Thema begann durch „non vibrato“ erschreckend fahl; trotz immer wieder hereinbrechender „Schicksalsschläge“ wurde in der Folge die im Ganzen fast tröstliche Stimmung dieses Satzes schön herausgearbeitet. Denn er steht als einziger im Quartett in Dur und wird beherrscht von der Liedzeile „Sollst sanft in meinen Armen schlafen“. Über das Totentanz-ähnliche Scherzo mit dem versöhnlichen Trio ging es in das rasend schnelle Schluss-Presto mit furios gespieltem Finale. Für die tief beeindruckende Wiedergabe des kontrastreichen Quartetts bedankte sich das Publikum mit tosendem Beifall. (GE)

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Der Abend des 30. August brachte eine interessante Begegnung mit selten zu hörenden Schumann-Liedern und vor allem mit mehrstimmigen Gesängen. Nikola Hillebrand, Sophie Rennert, Stuart Jackson und Manuel Walser stellten das Quartett, das von Malcolm Martineau am Klavier unterstützt wurde. Bei der letzten Lied-Gruppe kam noch Joseph Middleton zur vierhändigen Begleitung hinzu. Das Programm war geschickt aufgebaut, indem die vier Protagonisten zuerst die Möglichkeit hatten, sich einzeln mit frühen Liedern nach Gedichten von Emanuel Geibel vorzustellen, bevor es an Duette und Quartette ging. Jackson wusste in Sehnsucht mit weichem, steigerungsfähigem Tenor sofort für sich einzunehmen. Der Knabe mit dem Wunderhorn war Manuel Walser anvertraut, der seinen gut durchgebildeten Bariton mit interessant timbrierter bassiger Tiefe präsentierte. Als ausdrucksstarker Page machte Sophie Rennert nach ihrem Solo-Abend am 27. August mit hellem Mezzo und lebhaftem Mienenspiel auch hier beste Figur. Effektvoll bot Nikola Hillebrand mit klarem, intonationsreinem Sopran Der Hidalgo. Im folgenden Spanischen Liederspiel op. 74  waren die Duette von Sopran und Alt sehr ausgeglichen: Schon in Erste Begegnung verbanden sich die beiden Stimmen ausgezeichnet; nach dem ruhig ausgebreiteten Liebesgram bestach besonders die lautmalerische Botschaft mit ihrem Kanon-artigen Aufbau. Im sanft werbenden Intermezzo passten Tenor und Bariton ebenso gut zueinander, da der Tenor sich nie unangemessen vordrängte. Ein unterhaltsames Liedchen war Der Contrabandiste, wobei der Bariton seine Entertainment-Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Höhepunkte waren die Quartette Es ist verraten mit lockeren Verzierungen des Soprans bei …das sind Zeichen jener Glut … und natürlich das köstliche Ich bin geliebt, das publikumswirksam rüberkam, wozu nicht zuletzt die sichere Klavierbegleitung von Malcolm Martineau beitrug, wie z.B. in der Zeile Zur Verleumdung …

Nach der Pause erklangen zunächst die acht Lieder des Minnespiel op.101 nach Gedichten von Friedrich Rückert, darunter das von Mezzo und Bariton ausdrucksstark gesungene Ich bin dein Baum, o Gärtner und das von Sopran und Tenor mit Schwung und Steigerung vorgetragene Die tausend Grüße, die wir senden. Sophie Rennert machte aus dem gebetartigen O Freund, mein Schirm, mein Schutz! einen Edelstein unter all diesen Miniaturen. Auf die Spanischen Liebeslieder op.138 wurde man nun durch ein ruhiges vierhändiges Vorspiel der beiden Pianisten eingestimmt, die im Intermezzo mit lebhaftem Spiel eines Nationaltanzes begeisterten. Auf das intensiv interpretierte Tief im Herzen trag ich Pein der Sopranistin folgte das muntere O wie lieblich ist das Mädchen mit gut entwickelter Steigerung bis fast zu starken Strahltönen des Tenors; dieser erfreute auch mit der humorvollen Darstellung von Weh, wie zornig ist das Mädchen. In Bedeckt mich mit Blumen ergänzten sich Sopran und Alt abermals sehr gut; trotz des hohen Tempos blieben sie gut zu verstehen. Die Romanze Flutenreicher Ebro sang der Bariton intonationssicher und differenziert; warum hält er sich nur so oft am Flügel fest? Das von der Mezzosopranistin innig gestaltete Hoch, hoch sind die Berge und das neckische Duett von Tenor und Bariton Blaue Augen hat das Mädchen ergänzten den spanischen Reigen, der – durch das Quartett Dunkler Lichtglanz, blinder Blick abgerundet – munter ausklang. Das Publikum spendete langanhaltenden Beifall, für den sich alle Beteiligten mit Zum Schluss aus den Neuen Liebesliedern von Johannes Brahms bedankten. (ME)

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Für uns waren die beiden Liederabende von Andrè Schuen und Daniel Heide ganz besondere Höhepunkte der diesjährigen Schubertiade. Am Nachmittag des 31. August deuteten die bestens aufeinander abgestimmten Künstler Lieder von Franz Schubert aus. Es begann mit sehr ernstenLiedernnach Gedichten von Johann Mayrhofer und aus dem „Schwanengesang“ von Heinrich Heine. Hier wurde wieder deutlich, wie viele Farben Schuen mit seiner warm timbrierten Stimme malen kann, von sanfter Lyrik bis zu dramatischem Aufbegehren. Das alles erreicht der Südtiroler Sänger mit vorbildlicher Textverständlichkeit und geradezu perfekter, abgerundeter Stimmführung durch alle Lagen von bassiger Grundierung bis zu problemlos erreichten baritonalen Höhen. All dies setzte er mit dem partnerschaftlich mit interpretierenden Pianisten zu immer gut nachvollziehbarer Gestaltung ein. So gelangen jeweils tief beeindruckende Wiedergaben wie z.B. der tief verinnerlichte Abendstern oder Auf der Donau und Der Schiffer, wo die im Klavier deutlich zu hörenden Wellenbewegungen wunderbar den Sänger trugen. In den hochdramatischen Heine-Liedern bewunderte man, dass trotz teilweise extrem langsamer Tempi die innere Spannung stets mittels erstaunlich „langen Atems“ z.B.  im Doppelgänger oder später Im Abendrot  erhalten blieb.  Als weiteres Beispiel für Schuens hohe Gestaltungskunst sei das Heine-Gedicht Am Meer genannt; die eigentlich kitschige Szene, wenn der Liebende die „Tränen von deiner Hand fortgetrunken“ hat, wurde vom Sänger mit seinem warmen Bariton geradezu veredelt. Nach der Pause wurde die Grundstimmung heiterer: Flott dargebotene Lieder wie Sei mir gegrüßt, Auf der Bruck, Der Musensohn oderdas variantenreiche Strophenlied Die Sterne machten einfach Freude. Auch die ruhigeren Am Fenster, Daß sie hier gewesen, und Der Wanderer gefielen ausnehmend. Die freundliche Taubenpost beschloss den abwechslungsreichen, tief berührenden Liederabend. Das schon zur Pause enthusiasmierte Publikum feierte die beiden Künstler mit starkem Applaus und „standing ovations“. Als Zugaben gab es Schuberts Im Frühling und ein schlichtes ladinisches Volkslied aus Schuens Heimat.   (GE)

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Am Nachmittag des 2. September boten Andrè Schuen und Daniel Heide ein reines Schumann-Programm mit vier einzelnen Liedern und dem Liederkreis op. 39 nach Gedichten von Joseph von Eichendorff im ersten Teil sowie nach der Pause mit dem Zyklus Dichterliebe nach Heinrich Heine, also Romantik pur. Die schon in der obigen Besprechung gelobten Vorzüge beider Künstler kamen erneut zur Geltung, wie das ausgezeichnete Zusammenspiel beider oder die hervorragende Textverständlichkeit des Sängers. Es soll jedoch nicht unterschlagen werden, dass sich diesmal überraschenderweise leichte Ungenauigkeiten einschlichen: So wirkte das Zusammenspiel der beiden Protagonisten z.B. beim Einsatz zu Auf einer Burg oder in Intermezzo ein wenig unsicher. Auchin der Intonation des Sängers gab es wenige kleinere Einschränkungen z.B. in Der Einsiedler oder in Ich hab im Traum geweinet; Künstler sind eben keine Automaten. Dem immensen Erfolg des Konzertes tat das in keiner Weise Abbruch. Schon bei dem ersten Lied Der Schatzgräber stellte Andrè Schuen seinen großen Stimmumfang mit klangvoller Tiefe und gestützten Piani in der Höhe unter Beweis. Es gab vom schlichten Lied Der frohe Wandersmann bis zum tröstlichen Der Einsiedler enorm viele Gestaltungsvarianten. Zu jeweiligen Highlights wurden Waldesgespräch mit gut abgestufter Entwicklung, die Mondnacht mit schier endlosen Atembögen, das dramatisch auftrumpfende Schöne Fremde und das intensiv gestaltete Zwielicht. Im zweitenTeil fielen die vielen langen Klaviernachspiele besonders positiv auf, wie z.B. Am leuchtenden Sommermorgen, in dessen Nachspiel Daniel Heide die Trauer sehr gut aufnahm. Schuen glänzte mit echt aufblühendem da ist … die Liebe aufgegangen in Im wunderschönen Monat Mai oderdurch die dramatische Zuspitzung in Ein Jüngling liebt ein Mädchen sowie im ausdrucksstark gestalteten, dramatischen Ich grolle nicht. Auch das wunderbar lyrisch ausgesungene Wenn ich in deine Augen seh‘, das lockere, positive Allnächtlich im Truume und nicht zuletzt der mächtige Abschluss Die alten, bösen Lieder gelangen durchgehend eindrucksvoll. Bei dem berühmten Klavier-Nachspiel stellte sich eine ungewöhnlich lange Ruhepause im Publikum ein, bevor begeisterter Applaus losbrach. Die beiden Musiker bedankten sich dafür mit zwei Liedern von Schumann: Dein Angesicht, so lieb und schön und Entflieh mit mir und sei mein Weib.  (M.E.)

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Ein interessantes SchubertMozart-Programm mit Louise Alder und Joseph Middleton erwartete uns im abendlichen Liederabend des 1. September: Altbekanntes und selten Aufgeführtes waren gut gemischt; auch die für Lieder unerlässliche „gute Chemie“ zwischen den beiden britischen Interpreten stimmte. Schien der charakteristische, eher opernhafte Sopran von Louise Alder zu Beginn des ersten Schubert-Blocks in Sehnsucht noch nicht ganz frei, kam er bei Im Freien schon besser zur Geltung; sie gestaltete eindrucksvoll mit tragenden Piani und großer Textverständlichkeit. Dazu kamen bei Im Haine lockere Koloratur-Umspielungen und eine sinnvolle, dynamische Differenzierung der Strophen, wobei ihr Middleton stets unterstützender Partner war. Sehr schön gelang der Mittelteil Es kam die Morgenröte …, die muss ich verklagen in Die Rose. Mit Luisens Antwort konnte die Sängerin zeigen, dass ihr dramatische Phasen sehr liegen; für jede Strophe fand sie eine neue Farbe. Das tolle Vorspiel des Pianisten bereitete ihr den Boden für Die junge Nonne; ihr Sopran blühte auf, so dass dies ein Höhepunkt des Abends wurde. Im Mozart-Block bot Louise Alder eine charmante Interpretation von Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte. Ruhig und auf Linie ausgesungen erklang die Abendempfindung an Laura, das muntere An Chloe sowie das Lied der Trennung, wobei in letzterem die klassische, klare Klavierbegleitung den Gehalt des Liedes unterstrich. Die sehr selten zu hörende Freimaurer-Kantate Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt entpuppte sich als große Arie für eine große Stimme. Zwar hätte ich mir bei …hört Worte aus der Posaune des Alleinherrschers!   doch eher eine markige Baritonstimme gewünscht, aber Louise Alders Darstellung war durchaus glaubhaft. Der zweite Teil des Abends war allein Schubert gewidmet mit gemischten Liedern: Da gab es die gut gelungene, stringente Auflösung mit großem Tonumfang, das lyrische Nähe des Geliebten, das sich wunderbar entwickelnde Auf dem Wasser zu singen und mit viel Schönklang Der liebliche Stern sowie das mit Koloratur-Einsprengseln bedachte Liebe schwärmt auf allen Wegen. Zu großer Ruhe mit langen Bögen fanden beide in Nacht und Träume, dem mit Lachen und Weinen ein Spaß als Kontrast folgte. Zum Abschluss gab es dann als Höhepunkt das Bravourstück für Sopran, Klarinette und Klavier Der Hirt auf dem Felsen. Da trat die junge Klarinettistin Clara Hofer dazu, und alle Drei verbanden sich gut bei der eindringlichen Interpretation der Freude auf den Frühling, die wohl jeder nachvollziehen konnte. Begeisterter Applaus dankte allen Künstlern, für den sich die Sopranistin und der Pianist mit Clara Schumanns Liebst du um Schönheit und einem stimmungsvollen Lied von Benjamin Britten revanchierten.  (ME)

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Ein wahrhaft krönender Abschluss der diesjährigen Sommer-Schubertiade war das Kammerkonzert am Vormittag des 3. September, als der Pianist Igor Levit, der Geiger Renaud Capucon und die Cellistin Julia Hagen die beiden Klaviertrios von Franz Schubert musizierten.Von den ersten Tönenan war klar, dassmanwirklich Kammermusik vom Feinsten erleben durfte. Kein Instrument drängte sich unangemessen nach vorn, vor allem nicht das Klavier, was gerade bei Klaviertrios leicht passieren kann. Igor Levit hielt sich wohltuend zurück, so dass die kostbaren Streichinstrumente aus dem 17. und 18. Jahrhundert dem modernen Steinway- Flügel gegenüber klanglich völlig gleichberechtigt waren. So gab es von allen gemeinsam fein abgestimmte Dynamik, sensible Tempo-Übergänge und im Ganzen eine in jeder Phase stimmige Wiedergabe der beiden im Charakter unterschiedlichen Trios. Im B-Dur-Trio D 898 hörte man die sehnsuchtsvollen Aufschwünge im Eingangssatz und im Andante „seliges Träumen“ (so Robert Schumann 1836 in einer Besprechung neu erschienener Trios). Das mit überraschenden Übergängen flott gespielte Scherzo-Allegro mit dem melodienseligen Trio führte zum Rondo: Allegro vivace, das zum Schluss hin mit den hochvirtuosen Trillern der Streichinstrumente wie ein Rausschmeißer wirkte.

Nach der Pause stellten die Künstler sinnfällig heraus, dass es im Es-Dur-Trio D 929 deutlich dramatischer zugeht als im B-Dur-Trio. Nach dem Allegro mit vielen drängenden, aber auch lyrisch zurückgenommenen Passagen wurdeim Andante con moto das marschartige Thema von den technisch auf höchstem Niveau spielenden Musikern variiert und mit energisch dargebotenen Moll-Eintrübungen versehen. Dem folgte das freundlich-elegant beginnende Scherzando mit einem passend schroff servierten Trio. Im Allegro moderato fiel besonders positiv auf, wie kongenial die Instrumentalisten miteinander umgingen: Alle hatten Soli zu spielen, die die anderen beiden jeweils zurückhaltend begleiteten. Das lange Finale kam schließlich mit hoher, stets der Gestaltung dienenden Virtuosität zum begeistert gefeierten Schluss. Der starke, lang anhaltende Beifall des Publikums steigerte sich zu Ovationen.

Mit diesem nachdrücklichen Konzert ging eine wieder hochkarätig besetzte und höchst erfolgreiche Schubertiade zu Ende. (GE)

Marion und Gerhard Eckels, 4. September 2023


Angelika-Kaufmann-Saal in Schwarzenberg (Vorarlberg)
26. August bis 3. September 2023

Künstlerische Leitung: Gert Nachbauer

Weitere Schubertiaden:
4. – 8. Oktober 2023, 27. April – 1. Mai + 11. – 14. Juli
2. – 6. Oktober 2023 in Hohenems und 15. – 23. Juni + 24. August – 1. September 2024 in Schwarzenberg