Dresden: „Die Entführung aus dem Serail“

Besuchte Vorstellung am 5. Mai 2017

Premiere am 15. April 2017

Knallbunte Orientalismen

Mit seiner „Entführung“ hatte Mozart ab 1782 nach einigen Anlaufschwierigkeiten auf Dauer durchschlagenden Erfolg, was sicher auch an der damaligen Faszination für den für die Zeitgenossen so geheimnisvollen Orient zu tun hatte. Und genau da setzt die Inszenierung von Michiel Dijkema an, der auch für das Bühnenbild verantwortlich war. Besonders die knallbunten, fantasiereichen Kostüme von Claudia Damm und Jula Reindell machten deutlich, wie man sich den Orient in seiner ganzen Farbigkeit vorstellen konnte. Damit hatte der niederländische Regisseur erfreulicherweise der Versuchung widerstanden, das derzeit mehr als heikle Verhältnis Christentum/Islam zu aktualisieren. Erfolgreich betonte er dagegen den Witz der Spielszenen zwischen Osmin und dem Buffo-Paar Blonde/Pedrillo. Warum sich allerdings Selims Palast in einer sumpfigen Insel-Landschaft befinden muss, in der alle Beteiligten stets mit vom Knie abwärts verschlammter Bekleidung und verdreckten Stiefeln oder Schuhen herumlaufen müssen, das hat sich mir nicht erschlossen; auf Dauer wirkte das nur noch übertrieben und albern. Da sorgten die beiden zweihöckrigen Kamele, die eine überdimensionierte Sänfte für Konstanze und Selim sowie einen Käfig mit einer Schar Haremsdamen zogen, schon eher für Amüsement. Das gilt auch für das große Krokodil, das bereits zur Ouvertüre auftrat – wohl das Muttertier aus der Bayreuther „Ring“-Inszenierung, das sich vom Berliner Alexanderplatz in die Semperoper verlaufen hatte. Im Übrigen gab es gut nachvollziehbare Personenführung in der märchenhaften Geschichte von der Entführung aus dem Palast des zunächst unnachgiebigen Bassa Selim; der aus dem Fernsehen bekannte „Istanbul-Kommissar“

Erol Sander machte die Wandlung zum aufklärerischen Fürsten durchaus glaubhaft deutlich.

Die musikalische Verwirklichung war mehr als nur zufriedenstellend: Am Pult der mit exzellenter Durchsichtigkeit musizierenden Staatskapelle wirkte Christopher Moulds mit sängerfreundlichem, stets vorwärtsdrängendem Dirigat. Eine in ihrer Gefühlszerissenheit glaubwürdige Konstanze war Hulkar Sabirova, deren durchschlagskräftiger Sopran mit perlenden Koloraturen in der Bravour-Szene „Martern aller Arten“ und mit tiefem Empfinden in der so unendlich traurigen g-Moll-Arie imponierte, wenn auch die Melodieführung an wenigen Stellen nicht ganz gleichmäßig war. Ihr Belmonte war Martin Mitterrutzner, der gleich zu Beginn einiges an Darstellungskraft bewies, indem er Stechmücken zu bekämpfen und das Versinken in der bedrohlichen Sumpflandschaft zu verhindern wusste. Mit seinem kernigen Mozart-Tenor gelangen ihm schöne Lyrismen ebenso überzeugend wie die ebenfalls vorhandenen kämpferischen Momente seines Parts.

Als abenteuerlich martialisch kostümierter Haremswächter Osmin sang Dimitry Ivashchenko seine publikumswirksamen Arien mit viel Effekt und wirkte dabei mit seinem charaktervollen Bass fast schon zu kultiviert. Als äußerst spielfreudig erwies sich das Buffo-Paar: Sibylla Duffe war eine quicklebendige Blonde mit flexiblem, blitzsauberem Sopran, während Aaron Pegram sicher und klarstimmig als munterer Pedrillo gefiel. Der Staatsopernchor (Cornelius Volke) gefiel mit den charakteristischen Janitscharen-Chören.

Das Publikum war von der nie langweiligen Vorstellung angetan und bedankte sich bei allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus, der beim Orchester und dem Dirigenten sowie bei Osmin und Konstanze mit Bravos durchsetzt war.

Gerhard Eckels 7. Mai 2017

Fotos: Jochen Quast

Weitere Vorstellungen: 15.,19.5.+9.,11.6.2017 u.a.