Dresden: Joseph Calleja an der Semperoper

25. 1. 2020

Mit der Partie des Sängers im Rosenkavalier debütierte Joseph Calleja 2012 an der Semperoper. Für eine Serie von Puccinis La bohème kehrte der maltesische Tenor in diesem Monat nach Dresden zurück und präsentierte sich mit dem Rodolfo in einer seiner Glanzrollen. Natürlich verfügt seine Stimme heute nicht mehr über die tenore-di-grazia-Süße wie einst, sie ist nun gereift, hat an Kern und dunkler Tönung zugenommen, auch an Volumen und Durchschlagskraft. So erklang die Arie im 1. Akt in prachtvoller Fülle, wirkte allerdings in der exponierten Lage gefährdet. Aber in den Zwiegesängen mit Mimì war der Tenor wieder in Bestform und auch das Duett mit Marcello im letzten Akt überwältigte in seinem strömenden Fluss und dem harmonischen Zusammenklang. Daran hatten auch die Partner des Sängers hohen Anteil, vor allem Sebastian Wartig als Maler, dessen Bariton gleichermaßen über den jugendlichen wie virilen Klang verfügt und der auch mit seiner sympathischen Ausstrahlung für sich einnimmt. Die armenische Sopranistin Hrachuhì Bassénz sang die Mimì mit aparter, leicht verschleierter Stimme und anfangs nicht ganz beherrschtem Tremolo in der Höhe. Aber die Innigkeit und Zartheit im Ausdruck, wovon vor allem „Donde lieta usci“ im 3. Bild und der Schluss profitierten, berührten sehr. Sie und Calleja sorgten mit der Abschiedsszene voller Passion und Verzweiflung für einen ergreifenden Moment des Abends. Julia Muzychenko war eine Musetta von attraktiver Körperlichkeit mit spitzem, leicht säuerlichem Sopran, der sich im Walzer erfreulicherweise rundete. Tillmann Rönnebeck gab Collines Mantel-Lied mit reifem Bass bei recht eigenwilliger Stimmführung. Antonino Fogliani am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden favorisierte zumeist einen handfest-zupackenden Sound, fand aber in den intimen Momenten des Geschehens auch die gebührend empfindsamen Töne.

Die Inszenierung von Christine Mielitz stammt aus dem Jahre 1983 und wurde am 25. 1. zum 357 (!) Male gezeigt. Noch immer ist sie gültig in ihrer atmosphärischen Stimmung und der dichten Personenführung, auch dank Peter Heileins Ausstattung mit dem expressionistischen Feininger-Gemälde im 1. und dem gläsernen Jugendstil-Café im 2. Bild.

Bernd Hoppe, 29.1.2020

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