Besuchte Aufführung am 21.02.19 (Premiere am 17.02 19)
´ ne Tüte Haribo
Jetzt haben wir in Berlin also die vierte Zauberflöte an den drei großen Opernhäusern (dafür gibt es unsere OPERNFREUND SCHNUPPE) und die zweite nach Everding/Schinkel an der Staatsoper. Doch lassen wir mal das ganze Vorgeplänkel und konzentrieren uns rein auf die künstlerische Seite der Neuproduktion.
Das Thema des Regisseurs Yuval Sharon (u.a. "Lohengrin" in Bayreuth) ist "Der Mensch und das Spiel" oder "Warum spielt der Mensch?", ein wirklich interessantes Thema, zu dem sich das Team viele, auch kluge Gedanken gemacht hat, was sowohl der Aufführung, wie auch dem Programmheft anzumerken ist. Doch kann man dieses papierene Thema gut in eine lebendige Theateraufführung bringen? Die "Zauberflöte" wäre von den vielen Werken sicherlich eines der ersten, das einem dazu einfiele. So weit, so gut.
Schilderung des Erlebten: Schon zu der Ouvertüre öffnet sich der Vorhang auf die verkleinerte Bühne eines Papiertheaters (hübsch), dann kommen die Personen als Marionetten auf die Bühne, was Sängern und doublierenden Statisten körperlich einige Artistik abverlangt (Respekt!), doch für mich als Zuschauer die Protagonisten noch ferner wirken lässt, schließlich sitze ich in einem Theaterraum und weiß, das vor mir ein "Spiel" aufgeführt wird, also doppelt gemoppelt! Mich persönlich haben solche Konzepte noch nie überzeugt.
Auf der Bühne(Mimi Lien) gibt es durchaus Zaubertheater mit verschiedenen Ästhetiken vom der geklebten Collage, über Kinderzeichnung bis zum Zeichentrickfilm, ja auch Videodesign (Hannah Wasileski) und Sounddesign (Markus Böhm) spielen mit Geräuscheinspielungen eine Rolle. Die Kostüme (Walter van Beirendonck) sind überwiegend der heutigen Sielzeugindustrie entnommen, Manga trifft Star Wars trifft Marionetten trifft Aufziehspielzeug, ja sogar Schinkel findet sich. Stilistisch alles drin, wie eben Kinder mit verschiedenen Spielzeugwelten durcheinander ihre Phantasien ausleben, man könnte sich auf "infantiler Bruitismus" einigen, was für manchen schönen, optischen Effekt sorgt. Dann kommen die Sprechtexte, bis auf Papageno, eingesprochen von Kindern, interessant, irritierend und auch nervig. So wird sich mehr oder weniger durch das ganze Stück gehangelt, bis auf zwei Ideen: die Feuer- und Wasserprobe und das zweite Finale. Ersteres: Pamina und Tamino werden von den Strippen genommen und in eine Einbauküche gesetzt (großer Lacher), das Entzünden des des Gasherdes (Feuer) und das Suppekochen (Wasser), das normale Zusammensein des Paares als Lebensprobe. Ist das wirklich Alles? Das Finale als Marionettenspiel mit herumhüpfenden Kindern. War also alles Spiel ? Wie gesagt, alles nachvollziehbare Ideen, gar nicht dumm. Doch die Ausführung ein "Irgendwie-Konglomerat", eine Zauberflöten-Aufführung die sich unglaublich zieht, obwohl die Dauer nur gute drei Stunden dauert. Vor allem eine Zauberflöten-Aufführung, in der ich kaum mal echtes Gelächter aus dem Publikum höre. Die durchaus immer wieder lustigen Schikaneder-Texte zünden hier nicht.
Am Pult die junge Dirigentin Alondra de la Parra, die, leider muß ich es so schreiben, einen der langweiligsten Mozart meines Lebens dirigiert. Behäbige Tempi, irgendwie ein sehr "holziger", ja ausgedünnt klingender Orchesterton. Dann im Quintett zweiter Akt "Wie,wie,wie…" plötzlich eine Rasanz, das fast alles auseinanderbricht. Immer wieder kleine Verständigungsschwierigkeiten zwischen Bühne und Graben. Mir hat es nicht gefallen.
Die Sänger: Meine Favoriten sind das jugendliche Liebespaar. Julian Pregardien singt mit dem leuchtendem Ton seines lyrischen Tenors einen Tamino "par excellence". Selena Saenz Molinero singt normalerweise die Papagena und ist noch im Opernstudio, nur in dieser zweiten Aufführung darf sie die Pamina singen. Ein wirklich schön und eigen timbrierter Sopran, nicht ganz lyrisch, aber auch nicht nur Soubrette, durchaus (für später) Entwicklungstendenzen zu einer leichten Dramatik, in der G-Moll-Arie würde man sich vielleicht einen lyrischeren Klang wünschen, doch sie singt es mit weit ausschwingendem Duktus. Beider Bogen vor der Feuerprobe "Tamino, du, welch`ein Glück" wird für mich zum Höhepunkt. Pamina und Tamino, jung und schön.
Kwangchul Youn singt einen sonoren Sarastro, doch die allzu dunkel verfärbten Vokale trüben den Eindruck. Tuuli Takala mit ausgezeichnetem Koloratursopran eine Königin der Nacht mit allen Triolen, Trillern und Fiorituren, die Rachearie brennt leider nicht ganz wegen der Tempi. Lauri Vasar singt einen so perfekten Sprecher, das es eigentlich gar nicht auffällt, wie zweiten Priester. Stephan Rügamer, Grigory Shkapura und Linard Vrielink ergänzen verlässlich das Sarastro-Personal. Die drei Damen sind gut im Zusammenklang und doch individuell im Einzelklang: Adriane Queiroz (Erste Dame) fasert in der unteren Lage etwas fahl aus, Cristina Damian (Zweite Dame) klingt in der Höhe etwas spitz, Anja Schlosser (DritteDame) gefällt mit mit sattem Mezzo am Besten von den Dreien. Florian Hoffmann singt einen soliden Monostatos, wie Sarah Aristidou eine feine, etwas schmalstimmige Papagena. Die drei Knaben werden von drei (namentlich nicht genannten) Tölzern gesungen, nicht perfekt, aber schön, es ist immer schöner dafür echte Kinderstimmen zu haben.
Ja dann kommt noch der "Sonderfall", denn Papageno ist nicht mit einem Bariton, sondern mit dem Schauspieler Florian Teichtmeister bestzt, weil ja auch der Papageno der Uraufführung, Emanuel Schikaneder, kein echter Opernsänger war. Was ich persönlich für einen Trugschluß halte, denn die "Ausbildung" zum Interpreten erfolgte in dieser Zeit öfters in der Praxis (siehe Albert Lortzing). Kinder aus Theaterfamilien, die in ihren Beruf hereinwuchsen und Unterricht von ihren erwachsenen Kollegen während der Aufführungen erhielten. Keinen akademischen Gesangsunterricht, sondern ein Lernen aus der Praxis heraus. Ein Schikaneder (und ein Mozart) hätten den Papageno nicht so geschaffen, wenn er nicht bestmöglich interpretiert worden könnte. Teichtmeister ist ein wunderbarer, österreichisch raunziger Vogelfänger, mit leisem Chansonton klappt es gut in den "Couplts", doch für die Ensembles und die "Hänge-Arie" braucht es stimmlich doch ein anderes Kaliber, auch schade, das die Regie ihn Flachwitze ausführen lässt, was auch ein Affront gegen Schikaneder als Autor darstellt. Ich würde mir jemanden mit mehr Gesangsstimme für die Partie wünschen.
Was bleibt unter dem Strich: letztendlich eine Neuinszenierung, der ich eine recht kurze Verfallszeit prophezeihe. Die alte, und meiner Meinung nach bessere Inszenierung wird sie locker überleben.
Martin Freitag 24.2.2019