Berlin: „Salome“, Richard Strauss

Salome als Lärmorgie

Zum Ende der Spielzeit gab es in der Staatsoper noch eine Serie von Strauss’ Salome in der irritierenden Inszenierung von Hans Neuenfels aus dem Jahre 2018. Die Bühne von Reinhard von der Tannen stellt eine Art Kinosaal von futuristischer Anmutung dar; Schwarz, Weiß und Grau sind die vorherrschenden Farben, auch in den Kostümen (ebenfalls von der Tannen). Der Regisseur hatte als zusätzliche Figur den Dichter Oscar Wilde (Christian Natter) erfunden, der seine silbernen Testikel zur Schau trägt.

Premierenbesetzung / © Monika Rittershaus

Beim Tanz der sieben Schleier fungiert er als maskierter, halbnackter Tod wie aus der Sado/Maso-Szene. Jochanaan ist in einem überdimensionalen, in der Luft schwebenden Dildo eingesperrt, seinen abgeschlagenen Kopf sieht man am Ende in vielfachen Exemplaren. Thomas J. Mayer ist einer der wenigen Interpreten aus der Premierenbesetzung, sein Bariton klingt  nun sehr reif und dröhnend, gelegentlich auch tremolierend.  Die wuchtige Stimme erlaubte es ihm freilich, die unter der Leitung von François-Xavier Roth aufgepeitscht spielende Staatskapelle Berlin immerhin einige Male zu übertönen, was außer ihm nur noch Marina Prudenskaya als Herodias gelang. Sie war gleichfalls in der Premiere schon dabei und überzeugte auch in der 14. Vorstellung am 13. Juli 2023 mit ihrem höhnisch und hysterisch eingefärbten Mezzo sowie den fulminanten Spitzentönen.

Die anderen Interpreten hatten kaum eine Chance, sich gegen die exzessiven Klangblöcke, welche der französische Dirigent auftürmte, durchzusetzen. Selten hat man eine Aufführung erlebt, in der Bühne und Graben in einem derart krassen Missverhältnis standen.

Premierenbesetzung / © Monika Rittershaus

Jennifer Holloways Sopran ist nicht von hochdramatischem Zuschnitt, doch sein nervöses Timbre zwischen flirrend und vibrierend eignet die amerikanische Sängerin durchaus für die Partie, wenn sie der Dirigent nicht so rücksichtslos und egozentrisch allein gelassen hätte. Für den Schlussgesang sammelte sie alle Kräfte, womit ihr einige überzeugende Momente gelangen. In der Premiere hatte Nikolai Schukoff noch den Narraboth gesungen und gab nun den Herodes – eine richtige Entscheidung angesichts seiner inzwischen zum Charaktertenor gereiften Stimme mit schneidender Höhe. Auch Stephan Rügamer, der als Narraboth zu hören war, müsste das Fach wechseln, fehlen seinem Tenor doch mittlerweile der jugendliche Klang und die lyrische Substanz. Aus dem Juden-Quintett, dessen Auftritt wie einer der Comedian Harmonists inszeniert war, stach der Tenor von Magnus Dietrich als 1. Jude heraus.

Unbegreiflich und unverständlich war der Einheitsjubel des Publikums am Schluss, der auch den Dirigenten einbezog, dessen inakzeptable Interpretation einen harschen Protest verdient hätte.

Bernd Hoppe, 15. Juli 2023


Salome

Richard Strauss

14. Aufführung am 13. Juli 2023

Premiere am 4. März 2018

Inszenierung: Hans Neuenfels

Musikalische Leitung: François-Xavier Roth

Staatskapelle Berlin