Braunschweig: „The Last Five Years“

Premiere am 17. Oktober 2020

Schwungvolles Kammermusical

Auch in Braunschweig setzt man Corona-bedingt auf kleinformatige Werke. Da kam das Kammermusical von Jason Robert Brown für 2 Personen und kleine Band sehr gelegen, der darin das Scheitern seiner ersten Ehe verarbeitet hat. 2001 in Chicago uraufgeführt, erlebte es seine deutsche Erstaufführung vier Jahre später in Wuppertal, hatte aber nie so anhaltenden Erfolg wie andere Stücke dieser Gattung. Das mag an dem ungewöhnlichen Umgang mit einem doch so bekannten Thema liegen: Zwei junge Leute treffen aufeinander und verlieben sich, Jamie, ein schon mit 23 Jahren erfolgreicher Autor, und Cathy, die immer wieder vergeblich um ein Engagement in New York kämpfende Schauspielerin. Es kommt zur Hochzeit, und danach geht es mit der Beziehung allmählich bergab bis zur Trennung nach 5 Jahren. Brown lässt Jamie die Geschichte chronologisch erzählen, während Cathy sie vom Ende her aufrollt, wobei die Beiden nur einmal, nämlich bei der Hochzeit nach 2 ½ Jahren, direkt kommunizieren.

Im Kleinen Haus des Staatstheaters setzte Jessica Schauer die Handlung gelungen in Szene. Dazu baute ihr Julia Burkhardt, die auch ausgesprochen gut passende Kostüme gewählt hatte, einen leichten Treppenaufbau auf die Bühne, der sich drehen ließ, um verschiedene Szenarien anzudeuten und variablere Auftrittsmöglichkeiten zu bieten. Durch eine große Scheibe getrennt waren auch die sechs Musiker des Staatsorchesters Braunschweig noch auf der Bühne platziert: 2 Gitarristen, 2 Cellisten, 1 Geigerin und die Pianistin Johanna Motter, die die musikalische Einstudierung und Leitung des Abends mit Schwung, aber auch nachdenklichen Tempi versah.

Als Cathy begeisterte Sophia Gorgi, die in der letzten Spielzeit schon als Roxie Hart in „Chicago“ Furore gemacht hatte. Es ist ja nicht so einfach mit dem Schluss zu beginnen, aber sie traf diesen speziellen Ton einer tief verletzten, gerade verlassenen Frau mit I’m Still Hurting ebenso sicher wie später das schwärmerische The Next Ten Minutes oder das jugendlich positive I Can Do Better Than That. Musikalisch und darstellerisch gelang ihr neben den traurigen Momenten die Szene besonders gut, in der sie sich selbst in verschiedenen Rollen sieht und dazu unterschiedliche Requisiten benutzt. Auch ihre Audition Sequence, in der sie gedanklich immer wieder von ihrem Song abschweift, ist ein Highlight.

Mit Markus Schneider – nach einem Festengagement in Braunschweig bis 2017 ebenfalls als Billy Flynn in „Chicago“ dabei – war ein idealer Jamie. Sein Shiksa Goddess läutete die kontrastreichen Stimmungswechsel der gegenläufigen Berichte ein. Gleichermaßen beweglich in Stimme und Gestaltung war sein Schmuel Song ein Höhepunkt des Abends, mit dem er Cathy nach den Absagen ihrer Bewerbungen wieder aufbauen wollte. Jungenhafter Übermut und überschäumende Freude über die gut laufende Karriere mit all ihren Anfechtungen, leichte Zweifel schon bei der Hochzeit (er redet nur immer von den nächsten 10 Minuten) sowie Reue und Schuldgefühle nach der ersten Nacht mit seiner Lektorin Elise werden wahrhaftig über die Rampe gebracht. Konsequent ist er dann der Auslöser der Trennung, mit der der Abend begann.

Szenisch sind die Wechsel zwischen den beiden Strängen auch mithilfe schnellen Kleiderwechsels sehr gut gelöst worden. Von den Zuhörern wird jedoch höchste Konzentration gefordert, um die jeweiligen textreichen Songs und die Befindlichkeit der Protagonisten in den Ablauf einzuordnen. Spannend gemacht ist es auf jeden Fall.

Das Corona-reduzierte Publikum spendete allen Akteuren starken, lang anhaltenden Beifall.

Marion Eckels 18. Oktober 2020

Fotos: © Thomas M. Jauk

Nächste Vorstellungen: 21. Oktober, 04., 07., 08. +11. November u.a.