Mainz: Operngala

am 13. 9. 2014

Das neue Ensemble stellt sich vor

Am Staatstheater Mainz hat ein Wechsel an der Führungsspitze stattgefunden. Seit Beginn der aktuellen Spielzeit ist Markus Müller als neuer Intendant für die Geschicke des Hauses verantwortlich. Wie immer, wenn an einem Theater der Chefsessel neu besetzt wird, hat das auch Auswirkungen auf das Ensemble. Müller hat einige der alten Mainzer Sänger übernommen, viele aber auch aus Oldenburg mitgebracht oder neu engagiert. An diesem Abend stellten sich die neuen und teilweise auch alten Gesangssolisten im Rahmen einer Operngala dem zahlreich erschienenen Publikum vor.

Den Auftakt des von Müller selbst lustvoll und heiter moderierten Konzerts bildete die Fourth Act Symphonie aus Henry Purcells „The Fairy Queen“, die am 2. 10. 2014 im Großen Haus Premiere hat. Samuel Hogarth und das bestens disponierte Philharmonische Staatsorchester Mainz erzeugten einen von großer Frische geprägten, mit Pauken und Trompeten gespickten eindringlichen Barock-Klang. Im Folgenden waren aus dem spartenübergreifenden Werk, das sowohl Sänger als auch Schauspieler und Tänzer einbezieht, noch weitere Ausschnitte, ebenfalls unter Hogarths musikalischer Leitung zu hören. Mit nicht gerade tiefgründigem, ausgesprochen kopfigem Altus sang Alin-Ionut Deleanu die Arie „One charming night“. In dem Duett „A thousand thousand ways“ war der mit solidem, tief gestütztem Bass singende Georg Lickleder seinem sehr dünn und überhaupt nicht in Körper singenden Tenor-Kollegen Michael Pegher überlegen.

Die zweite Premiere unter der neuen Intendanz gilt Karl Amadeus Hartmanns selten gespielter Oper „Simplicius Simplicissimus“, die am 18. 10. 2014 im Kleinen Haus Premiere hat. Aus diesem interessanten Werk sang der über tadelloses, gut gestütztes Tenor-Material verfügende Alexander Spemann, der in Mainz indes kein Unbekannter mehr ist, einleitend die Arie des Einsiedel „Komm, Trost der Nacht“. In seiner Szene mit Simplicius „So geht das schnöde Leben“ stand ihm die mit recht variablem Stimmsitz häufig recht maskig klingende Marie-Christine Haase als Partnerin zur Seite. Begleitet wurden sie von GMD Hermann Bäumer.

Mit Ausschnitten aus Verdis „La Traviata“, die am 14. 9. 2014 wiederaufgenommen wird, präsentierten sich überwiegend einige Sänger, die schon länger zum Mainzer Opernensemble gehörten. Den Anfang machte das Duett „Parigi, o cara“, in dem die schon oft bewährte Vida Mikneviciute mit hervorragender italienischer Technik und hoher Ausdrucksintensität eine phänomenale Violetta sang. Den Alfredo gab mit hellem, solide gestütztem und prägnantem Tenor Neuzugang Eric Laporte. Anschließend gab Heikki Kilpeläinen mit ebenfalls gut italienisch fundiertem Bariton, den er sehr nuancenreich und teilweise recht bedächtig zu führen verstand, ein herrliches „Di Provenza“. Am Pult bei beiden Titeln stand wieder GMD Hermann Bäumer, der das Werk diese Saison betreuen wird. Er dirigierte als letzte Nummer vor der Pause auch mit großem Schmiss, frisch und gut akzentuiert das Vorspiel aus Wagners „Meistersingern“, deren Neuproduktion in Mainz am 26. 4. 2015 über die Bühne gehen wird.

In ebenfalls traditionellen Bahnen bewegten sich die zu Beginn des zweiten Teiles folgenden beiden Darbietungen aus Rossinis „Il barbière di Siviglia“, der in Mainz am 26. 10. 2014 eine Neuinszenierung erfährt. Mit gut verankertem, flexiblem Bariton und sicherem hohem a sang Brett Carter die Cavatine des Figaro „Largo al factotum“. Übertroffen wurde er von Geneviève King, die mit prachtvoll ausladendem, sehr energiegeladenem und in den Koloraturen recht flexibel und gewandt geführtem dunklem Mezzosopran und sicherer Höhe die Arie der Rosina „Una voce poco fa“ sang. Paul Johannes Kirschner und das gut gelaunte Orchester steuerten einen leichten, lockeren und spritzigen Rossini-Klang bei.

Anschließend erklang unter der Leitung von Sebastian Hernandez-Laverny, der an diesem Abend auch für die gelungene Choreinstudierung verantwortlich zeigte, mit enormer Fulminanz die John Williams’ „Querbeet“ – Premiere ist am 21. 11. 2014 – entnommene Star Wars Suite. Peinlich für das Theater war, dass das Programmheft von den Daten her den 1932 geborenen Komponisten mit dem gleichnamigen, bereits 1994 verstorbenen Autoren verwechselte. So etwas darf nicht vorkommen!

Interessant zu werden verspricht auch die deutsche Erstaufführung von Pascal Dusapins „Perela“, für die man sich im Terminkalender den 16. 1. 2015 freihalten sollte. Unter der erneuten Stabführung von GMD Hermann Bäumer gaben Peter Felix Bauer, den die Mainzer vor einigen Jahren bereits als Klingsor in Wagners „Parsifal“ erleben konnten, und der alteingesessene Ks. Hans-Otto Weiß mit teilweise stark komischem Ausdruck die Szene der Wachen.

Zum Höhepunkt des Abends gestalte sich die Arie „Vous voyez“ aus Luigi Cherubinis Oper „Médée“. Es ist Markus Müller hoch anzurechnen, dass er diese überaus beeindruckende Oper, die aber sehr selten gespielt wird, ab dem 13. 6. 2015 in den Spielplan aufnimmt. Das ist eine echte Rarität, die man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen sollte – noch dazu, weil sich Nadja Stefanoff, die man noch aus ihrer Zeit in Bremen, wo sie sowohl Partien des Sopran- als auch des Mezzo-Fachs sehr erfolgreich gesungen hat, in hervorragender Erinnerung hat, als Idealbesetzung für die Titelpartie erweisen könnte. Das „Vous voyez“ sang sie mit glutvoller, lodernder Dramatik und viel vokalem Feuer, wobei ihr Paul Johannes Kirschner und die Instrumentalisten trefflich zur Seite standen. Diese ausgezeichnete Sängerin, die in Bremen einen der ersten Plätze an der Sängerinnenspitze einnahm, für Mainz gewonnen zu haben, kann sich für das Haus als großes Glück erweisen. Sie wird ab dem 1. 3. 2015 auch als Tosca zu erleben sein. Ihr Scarpia wird Derrick Ballard sein, der an diesem Abend mit mächtigem, bestens fokussiertem Heldenbariton das „Te deum“ aus Puccinis Oper sang.

Als Zugabe ertönte unter der Leitung von GMD Hermann Bäumer, der zuvor auch schon den „Tosca“-Ausschnitt dirigiert hatte, das von allen Beteiligten des Abends mit Schmiss dargebotene Brindisi aus Verdis „La Traviata“. Alles in allem war das ein gelungener, recht informativer Vorgeschmack auf das, was man am Staatstheater Mainz in dieser Spielzeit erwarten darf.

Ludwig Steinbach, 14. 9. 2014

Die Bilder stammen von Andreas J. Etter und Martina Pipprich