Wiesbaden: „Lady Macbeth von Mzensk“, Dmitri Schostakowitsch

Erneut präsentierte das Hessische Staatstheater Wiesbaden eine herausragende Aufführung von Dmitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ am 10. November 2023. Unter der einfühlsamen Regie von Evgeny Titov und den eindrucksvollen Bühnenbildern von Christian Schmidt wurde die fesselnde Geschichte ohne Schnörkel und direkt zum Leben erweckt. Die klare Struktur des Handlungsverlaufs und die scharf charakterisierten Rollen trugen dazu bei, dass das Publikum unmittelbar in die Handlung eingebunden wurde.

© Karl und Monika Forster

Titov vermied szenische Übertreibungen geschickt und überließ es der drastisch prallen Musik von Schostakowitsch für sich sprechen, was nicht nur prächtig funktionierte, sondern auch die beeindruckende Symbiose von Bühnengeschehen und Musik unterstrich. Das resultierende künstlerische Gesamtgebilde rüttelte auf, schmerzte und bewegte zutiefst, wodurch die Aufführung zu einem unvergesslichen Opernerlebnis avancierte. Jeder beteiligte Künstler schien zu spüren, dass dies die letzte Gelegenheit war, sämtliche Kräfte zu bündeln, und dies gelang auf beeindruckende Weise gesteigert. Die erfreulich zahlreichen Zuschauer durften sich über einen mitreißenden Opernabend freuen, der die Qualität dieser Ausnahme-Produktion nachdrücklich bestätigte. Im Vergleich zur mäßig besuchten Wiederaufnahme war die finale Vorstellung nahezu voll besetzt.

Der Chor des Staatstheaters Wiesbaden, unter der Leitung von Chordirektor Albert Horne, erwies sich erneut als ein wichtiger Aktivposten dieser Aufführung. Horne, bekannt für seine guten Einstudierungen, präsentierte den Chor dynamisch, fein abgestuft, sprachlich prägnant und mit sinngebenden Textakzentuierungen. Die Spielfreude der Sängerinnen und Sänger bildete dabei ein erfreuliches Extra, das die Gesamtleistung weiter aufwertete. Der eindrücklichste Moment des Chores war der Klagegesang im vierten Akt. Hier verschmolz der Chor zu einer einzigen sehnsüchtigen Stimme. Am Ende der Oper stellt sich der Chor als Schmerzensmauer an die Rampe und richtet seine Trauer direkt an die Zuschauer. Ein starkes Bild. Gänsehaut!

Cornelia Beskow als Katerina hat sich die Rolle ganz zu eigen gemacht. Da stimmt jede Bewegung und der mimische Kommentar. Mit stimmlichem Totaleinsatz gab sie der Katerina viele Gefühlsfacetten, die das Publikum unmittelbar erreichten. Ihr Entwicklungsweg war atemberaubend und wuchs zu dramatischer Statur im letzten Akt. Diesmal absolut stimmsicher mit vielen neuen Farben in der Textgestaltung gelang ihr eine hinreißende Darbietung. Finster und dämonisch war ihr Schwiegervater Andrey Valentiy, der mit seinem roten Samtmantel, wie ein gefährlicher Teufel über die Bühne schlich. Seine herrliche Stimme gab seiner despotischen Partie die notwendige Härte und Dominanz. Kein Wunder als, dass sein Sohn Sinowi, in der Gestalt von Tenor Paul Curievici zur jämmerlichen Gestalt wird. Aaron Cawley hat mit der Rolle des Sergej seine bisher beste Rolle gefunden. Seine ausladende Stimme kommt bestens mit den Anforderungen klar. Dazu entwickelte Cawley seinen Rollencharakter vielschichtig, sodass es durchaus auch sympathische Seiten an diesem Bruder Leichtfuß gab. Viel Anlass zur Freude gaben auch die übrigen Rollenvertreter: Fleuranne Brockway agierte sehr selbstbewusst als Sonjetka und Christina Esterházy war eine stimmsichere Axinja. Erik Biegel war als schrulliger Schäbiger eine gute Wahl. Mikhail Biryukov als Pope sorgte für beißenden Humor und berührte nachdrücklich als alter Zwangsarbeiter.

© Karl und Monika Forster

Die musikalische Darbietung des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden unter der stilsicheren Leitung von Michael Güttler erhob den Abend in die Sphären stimmungsvoller Klangkunst. Güttler forderte das ohnehin gut aufgelegte Orchester noch stärker als bei der Wiederaufnahmepremiere, und die Musikerinnen und Musiker antworteten mit einer feinen Leistung. Das Ergebnis war eine noch dynamischere Partiturauslegung, die deutlicher Härten und Lyrismen der Oper gerecht wurde. Das Hessische Staatsorchester nutzte die Gunst der Entfesselung und mobilisierte ein erstaunliches Potenzial. Von leisen, melancholischen Passagen bis zu kraftvollen, aufwühlenden Crescendi durchmaß das Orchester alle Höhen und Tiefen der Protagonisten. Die Musikerinnen und Musiker entfalteten ihre Kunst mit einer Risikofreude und hohen Sensibilität, die den emotionalen Gehalt der Oper in jeder Note spürbar machte. Die musikalische Begleitung wurde so zu einem prachtvollen Ohrenschmaus für das anwesende Publikum, das diesen Opernabend nachdrücklich mit Jubel belohnte. Das Publikum honorierte nicht nur die Leistung der Sängerinnen, Sänger und des Chors, sondern auch die herausragende Darbietung des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden unter der mitreißenden Leitung von Michael Güttler. Der anhaltende Applaus am Ende war eine verdiente Würdigung an die musikalische und szenische Exzellenz, die diesen Abend wiederum zu einem ganz besonderen Ereignis machte.

Dirk Schauß, 12. November 2023


Lady Macbeth von Mzensk
Dmitri Schostakowitsch

Hessisches Staatstheater Wiesbaden

10. November 2023