Bremerhaven: „Othello darf nicht platzen“

Premiere am 18.03.2017

besuchte Aufführung am 26.03.2017

Der dreifache Othello

Die Komödie „Othello darf nicht platzen“ („Lend me a tenor“) von Ken Ludwig aus dem Jahr 1986 ist eines der erfolgreichsten Boulevard-Stücke der letzten dreißig Jahre. Es wurde in 16 Sprachen übersetzt und in 25 Ländern gespielt. Allein in Wien begeisterte Otto Schenk in der Hauptrolle mit über 400 Aufführungen. Was lag da näher, als den Stoff auch zu einem Musical zu verarbeiten? 2006 schufen Brad Carrol (Musik) und Peter Sham (Textbuch) ihre Version, wobei sie sich genau an die Vorlage hielten. Die Musik von Carroll zeichnet sich durch große Originalität aus. Das Stück spielt 1934 und im Stil dieser Zeit sind auch viele der Songs gehalten. Hier gibt es keinen Einheitsbrei, den man oft in modernen Musicals vorfindet, sondern eine Vielzahl von guten, mitreißenden Einfällen. Das swingt und hat Melodie – George Gershwin und Cole Porter lassen grüßen. Dirigent Thomas Kalb und das Philharmonische Orchester Bremerhaven bringen diese vergnügliche Musik optimal zum Klingen – egal ob Jazziges oder Big Band Sound, ob Balladen-Ton oder ironisierendes Opern-Pathos gefordert wird. Die zentrale Musiknummer ist das berührende und mehrfach wiederholte „Sei du selbst“ („Be yourself“).

„Othello darf nicht platzen“ karikiert den normalen Opernbetrieb und nimmt den Starkult mit hysterischen Verehrerinnen ordentlich auf die Schippe. Damals war natürlich Luciano Pavarotti gemeint; im Stück heißt der Tenor Tito Merelli. Er soll in Cleveland einer Aufführung von Verdis „Othello“ besonderen Glanz verleihen. Leider fühlt er sich unwohl. Ein Beruhigungsmittel wirkt fatal: Merelli fällt in Tiefschaf, man hält ihn sogar für tot. Der genervte Theaterdirektor Saunders überlässt die Vorstellung notgedrungen seinem sangesbegabten Assistenten Max, der nun als falscher Merelli einen Triumph feiert. Saunders hat sich auch als Othello verkleidet, um den Gala-Empfang zu retten. Inzwischen ist der echte Merelli erwacht und geistert ebenfalls im Othello-Kostüm durch das Theater. Der dreifache Othello! Ein Feuerwerk der Verwechslungen ist die Folge, denn Saunders Tochter Maggie, eigentlich mit Max verlobt, stellt Merelli ebenso nach wie die Primadonna Diana Divane, die sich durch Merelli einen Karriereschub erhofft. Die Missverständnisse werden in irrwitzigem Tempo auf die Spitze getrieben, bevor sich alles in Wohlgefallen auflöst. „Sei du selbst!“ – das ist die Quintessenz, die zum Happy End führt.

Regisseur Ansgar Weigner hat das alles turbulent und punktgenau in Szene gesetzt, wobei die zweite Hälfte uneingeschränktes Vergnügen bereitet, während es sich vor der Pause auch etwas in die Länge zieht und sich Gags und Wortwahl oft unter der Gürtellinie bewegen. Gleichwohl gelingt es Weigner, aus dem Sängerensemble auch eine perfekte Schauspieltruppe zu formen. Das ist auch wesentlich, denn die Schauspielanteile sind bei diesem Musical mindestens genauso wichtig wie die musikalischen. Die Dialoge kommen unverkrampft über die Rampe, da sitzt jede Geste und auch jeder Tanzschritt (Choreographie von Andrea Danae Kingston). Das Bühnenbild von Christian Robert Müller zeigt eine plüschige Hotelsuite mit Salon und Schlafzimmer, dann wieder eine Ansicht der „Othello“-Opernbühne, auf der der Chor zunächst mit pathetischen, satirisch überzeichneten Gesten den Sturmchor probt und sich später Max und Diana ein kleines „Duell“ beim Applaus liefern. Es sind viele kleine Details, die Weigners Inszenierung liebenswert machen. Das Tempo, mit dem immer wieder Türen klappen und dann in Sekundenschnelle eben ein anderer Othello erscheint, ist an Tempo und Perfektion nicht zu überbieten.

Die eigentliche Hauptrolle ist der Max, der von Michael Ernst grandios verkörpert wird. Die Bremerhavener kennen ihn bereits aus der Produktion „Anything Goes“. Er legt den zunächst unscheinbaren Max wie eine Rolle von Woody Allen an, der sich vom Verlierertyp zum selbstbewussten Charakter entwickelt. Tobias Haaks gibt die prachtvolle Parodie eines Star-Tenors und glänzt mit kraftvollem Tenor. Ein Kabinettstückchen gelingt Katja Bördner, die als Diana stimmstarke Kostproben ihres Repertoires präsentiert und mit Carmen, Tosca und Butterfly bis hin zur Brünnhilde eine kleine One-Woman-Show liefert. Oliver Weidinger überzeugt als Saunders ebenso wie Regine Sturm als Maggie, Carolin Löffner als Merellis eifersüchtige Ehefrau und Thomas Burger als Inspizient.

Wolfgang Denker, 27.03.2017

Fotos von Manja Herrmann