Bern: „Madama Butterfly“

Premiere: 19. Januar 2020

Besuchte Vorstellung: 22. Januar 2020

Die sechste Oper Puccinis, Madama Butterfly (Tragedia giapponese), spielt laut dem Original-Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica. in Japan, in Nagasaki zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es basiert auf der Erzählung Madame Butterfly (1898) von John Luther Long und der Tragödie Madame Butterfly (1900) von David Belasco.

Die Musik Puccinis verurteilt die Überheblichkeit der westlichen Hemisphäre im auslaufenden 19. Jahrhundert, wie zum Beispiel in Pinkertons Arie "Dovunque al mondo", untermalt mit Zitaten aus der Marinehymne "The Star-Spangled Banner". Diese Arroganz ist auch heute noch vorhanden. Nur ist es nicht mehr eine rein westliche Arroganz, auch asiatische Nationen haben die ausbeuterische, kapitalistische Auffassung von "Entwicklungshilfe!?" des Westens übernommen.

Der britische Regisseur und Bühnenausstatter, Nigel Lowery, inszeniert im Konzerttheater Bern Madama Butterfly. Regie und Bühnenausstattung sind zwei Paar Schuhe. Wenn diese Schuhe von der gleichen Person getragen werden, besteht die Möglichkeit, wie hier in Bern, dass das Resultat suboptimal ist.

Die Spielanlage möchte den amerikanischen Kolonialismus, die neu erwachte Lust der USA auf die Weltherrschaft im Jahre 1854 kritisch betrachten. Dieser Ansatz ist Lowery gründlich misslungen. Es reicht einfach nicht, die Bühne mit Chormitgliedern und Statisten als "Uncle Sam" verkleidet auf der Bühne sinnlos herumwuseln zu lassen. Diese Kritik muss durch die Protagonistinnen und Protagonisten mit guter schauspielerischer und emotional stimmigem Gesang dargestellt und verstärkt werden. Dies bedingt eine zielführende Regie und eine entsprechende musikalische Unterstützung. Die Personenführung des Regisseurs verfehlte den Anspruch bei Weitem, so dass die zu erzählende Geschichte nicht wirklich zu sehen, zu spüren war.

Erschwerend dazu kommt, dass der Dirigent, Péter Halász, die Musik Puccinis zu bombastisch, zu schwer und laut interpretierte. Die beiden Hauptdarsteller, Cho-Cho-San, genannt Butterfly, (Lana Kos) und B. F. Pinkerton (Xavier Moreno) sangen zwar melodiesicher, aber zu oft an der Rampe, zu solistisch ohne erkennbare Interaktion zwischen der verliebten Butterfly und dem zynischen Marine-Leutnant Pinkerton. Ein Liebesduett, auch wenn ein Partner ein Zyniker ist, klingt für mich anders, subtiler, mit mehr Emotionen. Dies Alles gilt vor allem für den ersten Akt, vor und während der "FAKE" Hochzeit der beiden Hauptdarsteller.

Musikalisch wesentlich besser herausgearbeitet sind die Emotionen von Butterfly und der Dienerin Suzuki (Eleonora Vacchi) im zweiten und dritten Akt. Aber auch hier lässt die Personenführung, die Regie Lowerys zu wünschen übrig. Dazu kommt, dass der Dirigent den Sängerinnen und Sängern nur wenige Freiheiten erlaubt, welche in zwingende musikalische Auslegungen münden könnten.

Das Berner Symphonieorchester interpretierte, geleitet vom ungarischen Dirigenten, Puccinis Musik präzise, wenn auch die Lautstärke oft an der oberen Grenze lag. Der ungarischen Interpretation von Puccinis Musik mangelt es etwas an Feingefühl. Dies ist dem Dirigat zuzuschreiben. Weniger (Lautstärke) wäre oft mehr. Es scheint, dass leise Töne, subtile Interpretation nicht unbedingt Halász’s Stärke sind.

Der katalanische Tenor Xavier Moreno als Pinkerton intoniert sauber, seine Diktion ist makellos. Seinem Spiel als selbstbewusster Marineleutnants aus Amerika fehlt die schauspielerische Glaubwürdigkeit. Seine Mimik, Gestik und seine Körpersprache wirken aufgesetzt, sein Zynismus ist höchstens im Text des Librettos vorhanden, nicht aber in seinem künstlerisch perfekten Gesang. Er singt "Bel Canto", schönen Gesang, welcher ohne viel Emotionen daherkommt.

Auch die kroatische Sopranistin Lana Kos als Butterfly gibt ihre Rolle in der gleichen Art. Ihre Intonation und Diktion lassen nichts zu wünschen übrig. Ihre Höhen sind oft eher ein bisschen scharf und oft sehr laut. Auch ihre Mimik, Gestik und seine Körpersprache wirken künstlich, unglaubhaft. Ihre Bühnenpräsenz ist zwar stark, aber erinnert in ihren Bewegungen an das Bühnenideal der 1950er Jahre. All dies kann auch an der minimalistischen Personenführung liegen.

Das Berner Ensemblemitglied der Amerikaner Todd Boyce überzeugt auf der ganzen Linie als Konsul Sharpless. Seine schauspielerischen Fähigkeitenallerdings, welch in der Berner Bohéme als Marcello so gut zu verfolgen waren, werden vom Regisseur nicht voll ausgenützt. Ein erhobener Zeigfinger reicht einfach zu Charakterisierung einer Person nicht aus. Boyce ist ein ausgezeichneter Schauspieler, wenn man ihn lässt. Sein stilsicherer Gesang gefällt in jeder Hinsicht.

Dasselbe gilt für den südafrikanischen Tenor Andries Cloete. Auch er wird von der fast nicht vorhandenen Personenführung Lowerys ausgebremst und kann die Rolle des Heiratsvermittlers Goro nur teilweise ausspielen. Bei beiden Bühnenkünstlern verpasst die Regie Chancen zu optimalen Leistungen auf der Bühne.

In weiteren Rollen zu sehen und zu hören: Als Suzuki die Italienische Sopranistin Eleonora Vacchi und Réka Szabo als Kate Pinkerton. Dann Giacomo Patti als reicher Yamadori, Philipp Mayer gab den Onkel Bonzo und David Park spielte den kaiserlichen Kommissar.

Der Chor Konzerttheater Bern wurde einstudiert von Zsolt Czetner, für die Dramaturgie war Gerhard Herfeldt zuständig. Die Lichtführung besorgte Bernhard Bieri.

Das nicht sehr zahlreich erschienene Publikum belohnte die einzelnen Leistungen mit dem verdienten Applaus.

Peter Heuberger Basel

© Janosch Abel