Vorstellung am 28.12.2018
Nach der aufregenden, gelungenen „Lucrezia Borgia“ –Produktion der letzten Saison nahm man sich dieses Mal der ersten Oper der sogenannten „Tudor-Trilogie „ an , eben der „Anna Bolena: und die Protagonistin machte diesen Abend zu einem Ereignis.
Ytian Luan, die schon in der „Lucrezia“ begeisterte, konnte noch eines draufsetzen, und war die zu Recht umjubelte Protagonistin des Abends. Die aus China stammende Sopranistin beherrschte wahrhaft königlich die Bühne – musikalisch, und auch als Person. Der charakteristische Sopran der jungen Künstlerin ist zu vielen Schattierungen fähig, sie kann ihm unterschiedliche Farben verleihen, sitzt technisch ausgezeichnet und geht oben so richtig auf. Dazu offenbarte sie Stilgefühl, ein Bühnentemperament der Sonderklasse und macht alles ganz natürlich, beseelt, nichts wirkt bloß „einstudiert“.
Dabei wurde es ihr nicht leicht gemacht, weder durch die heutige Kostümierung, die Positionen auf der Bühne ( „Al dolce guidami“ musste sie etwa ganz hinten beginnen, kam dann Gott sei Dank doch nach vorne ) , leider auch nicht aus dem Graben – aber darüber später. Ihre Schlußszene ging so richtig unter die Haut, ein Jubelorkan ergoß sich über sie am Ende. ( Zwischenzeitlich war das Publikum sehr applausfaul, mir völlig unverständlich, allerdings unterband man etwaige Beifallskundgebungen teilweise auch brutal aus dem Graben ). Im März wird sie am Staatstheater Nürnberg als „Norma“ ein weiteres Debut geben, auf das man gespannt warten darf. ( In Wien war sie übrigens bereits einmal an der Volksoper als Lauretta zu hören gewesen ).
Ihr zur Seite brillierte der Mexikaner Victor Campos-Leal als Percy, der sich ebenfalls mit vollem Elan in die Partie warf, und großzügig explodierende Spitzentöne ( dreimal sogar bis zum „D“ ! ) in seine schöne Gesangslinie einbaute. Gott sei Dank war das „Vivi tu“ mit anschließender Cabaletta nicht gestrichen, er nutzte es als Bravourstück, und sein – leider mit Strichen verkürztes – Duett mit Anna markierte auch einen der Höhepunkte des Abends, das den verdienten Applaus „dank“ des Dirigenten nicht erhielt… Unmöglich, dass er, beim Eintreffen bei Anna, sich sofort seiner Hose entledigen muss und in Unterhosen in das die ganze Bühne einnehmende, weisse Plastikbett springt, das zu Szenenbeginn, mittels projizierter Schrift als „The Queens bedroom“ bezeichnet wurde. Davor schon war dieselbe hässliche Szenerie als „The Kings bedroom“ in Verwendung, wo sich Heinrich VIII. in Gestalt von Guido Jentjens ebenfalls als Unterhosenmodel präsentieren musste – und die Giovanna bis auf BH und ein Miniunterröckchen sich dazu gesellte.
Der auch über jahrelange Bayreuth-Erfahrung verfügende, erfahrene Sänger ließ seinen voluminösen Bass strömen, beeindruckte mit belcantesken Tönen vor allem in der tiefen Lage und nutzte seine trompetenhaften hohen Forteausbrüche geschickt zur Charakterisierung des lüsternen und gerissenen Herrschers. Als erfreuliche Entdeckung war auch eine junge Salzburgerin mit von der Partie, Reinhild Buchmayer sang den Pagen Smeton mit frischem, apart timbrierten Mezzo, huschte flink über die Bühne, und nutzte ihre Arie „Ah, parea che per incanto“ um den Wunsch auf ein Wiederhören in einer größeren Partie zu wecken! Unnötigerweise musste sie davor lustvoll am goldenen Schlafanzug der Anna schnuppern und ihn an sich pressen. Auch beim charaktervollen Bariton Kyung Chun Kim bedauerte man, daß der Rochefort nur eine Randfigur ohne größere Profilierungsmöglichkeit ist ( er war ja der eindrucksvolle Don Alfonso in der „Lucrezia“ und wird im Sommer den „Nabucco“ singen ), er war fast eine Überbesetzung wie auch Jeffrey Nardone als Hervey – der besser war als seine Partiekollegen an großen Häusern, auch in Wien!
Bleibt noch Irina Zhytynska als des Königs neues Opfer der Begierde: ähnlich ihrer attraktiven sehr schlanken Figur mit unendlich langen Beinen ( wenn man diese Frauentypen liebt ) war auch ihre Stimme. Durchaus apart und ( fast zu ) schlank, aber es fehlte an der Diktion, an der Italianita , da gibt’s noch viel für sie zu arbeiten, Verbesserungspotential. Schöne Phrasen – speziell im Duett mit Enrico – wechselten mit völlig unprononcierten, konsonantenlosen , die nur aud fie Vokale gesungen wurden. Leider wurde sie bei ihrer großen Soloszene „Per questa fiamma indomita“ durch ein sehr langsames Tempo nicht gerade unterstützt, und musste zur anschliessenden Cabaletta in den Bühnenhintergrund, weil sie diese quasi als „Interview“ in die Mikrophone der Journaille – der kleine, aber gut vorbereitete, engagierte und positiv zu erwähnende Opernchor des Landestheaters Niederbayern ( Einstudierung: Eleni Papakyriakou ) war den ganzen Abend über als Reporter eingesetzt, die aus dem Königshof berichteten – singen musste.
Und damit sind wir schon beim Hauptgrund, warum diese Produktion bei weitem nicht diese Stimmigkeit der „Lucrezia“ hatte: beim – vornamenlosen – Regisseur Ultz, einem Briten , der eine großes Curriculum aufweist. Die Paparazzigeschichte, die er hier auf die Bühne gestellt hat, bot weder was Neues noch was Attraktives. Eine finstere, hässliche, offene Bühne, nichtssagende Kostüme – sein Glück war die Persönlichkeit der Protagonistin…
Leider hatte auch der von mir sonstz sehr geschätzte Maestro Basil H. E. Coleman offenbar einen schwarzen Tag. Er nahm mehrere sehr merkwürdige Tempi , hetzte teilweise schlimm ( etwa in der ersten Cabaletta der Anna ), nahm einige mir unverständliche Striche vor , darunter gleich die ganze Ouvertüre! Die an sich exakte Niederbayrische Philharmonie hätte er einige Male durchaus zurücknehmen können, es ging ein wenig der Poesie verloren ( beispielsweise im Damenchor des Schlußbildes).
Trotz aller Kritikpunkte ein überdurchschnittlicher Abend , ein Besuch an einem der drei Häuser des Landestheaters Niederbayern kann getrost empfohlen werden! Nächste Saison soll mit „Maria Stuarda“ die nächste Oper der „Tudor-Trilogie“ folgen.
Bilder (c) Landestheater
Michael Tanzler4.1.2019
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