Graz: „Mozart.SOAP“

Graz, Helmut-List-Halle 12. Juli 2016

Viva la libertà

Innerhalb des vielfältigen styriarte-Programms gibt es seit 2012 eine eigene Programmschiene: die „SOAPS“. Der Mix aus Musik, Texten und aus den auf eine Leinwand übertragenen Details sei ein "neues Konzerterlebnis, wobei das Ganze mehr ist als die Summe der einzelnen Elemente“ – so Intendant Mathis Huber. Und er hat Recht:

Die SOAPS sind in den letzten Jahren geradezu ein Publikums-Hit geworden – es ist dies ja tatsächlich eine für unser heutiges mediengeprägtes Publikum sehr wirkungsvolle Kunstvermittlungsform, die es versteht, mit Hilfe geschickter Kameraführung Kammermusikalisches in einem großen Saal mit rund 1000 Plätzen geradezu in Hauskonzert-Atmosphäre nahezubringen – und am Ende sogar das Publikum aktiv einbezieht.

Im Jahr 2016 sind die SOAP-Abende Mozart, Verdi, Schubert und Beethoven gewidmet – und diese SOAPS stehen natürlich alle unter dem diesjährigen Festival-Motto „Viva la libertà“. Bei Mozart wird die programmatische Auswahl im Programmheft so begründet:

„Ihr Mächtigen seht ungerührt auf eure Sklaven nieder!“ Als Mozart 1779 in Salzburg diese Arie „für Zaïde“ schrieb, hatte er die Arroganz des „Ancien Régime“ direkt vor Augen. Sein Aufbegehren gegen Erzbischof Colloredo machte den Bruch mit der Heimat unausweichlich. In Wien suchte er die Freiheit des Künstlers und des Geistes.

Der hier zitierte Text stammt aus der ersten Arie, die an diesem Abend erklang – die Bass-Arie des Slaven Allazim aus Mozarts Opern-Fragment Zaïde – laut Programmheft hat Mozart dieses Bekenntnis zu Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Töne von höchstem Pathos gekleidet.

Markus Butter vermittelte diesen Freiheitsaufruf mit viril-markantem Bassbariton und exzellenter Textartikulation. Das Programm des Abends – hier vollständig abrufbar – war eine abwechslungsreiche Mischung von selten zu hörenden Instrumental- und Vokalstücken, die durch Lesungen aus Mozart-Briefen sinnvoll zusammengefügt waren. Diese Briefe wurden von dem erfahrenen Schauspieler Johannes Silberschneider im Mozart-Kostüm geradezu virtuos vorgetragen. Nie wurde vordergründig versucht, den jungen Mozart vorzutäuschen. Silberschneider ist ja mehr als doppelt so alt als Mozart zum Zeitpunkt der Abfassung der Briefe – dennoch gelang es Silberschneider höchst eindrucksvoll, das geradezu Hektisch- Rebellische des Wolfgang Amadé gegenüber seinen Dienstgebern mit der Gehorsamkeit gegenüber der dominierenden Vaterfigur überzeugend zu vermitteln. Durch Silberschneider war Mozart tatsächlich der Mittelpunkt des Abends.

Im ersten Programmteil erlebte man zwei Sätze des Oboenquartetts mit dem exzellenten Solisten Andreas Helm , der in einer Zaide-Arie auch der klangschöne Solo-Partner der Sopranistin Marie Friederike Schöder war, die man in Graz schon mehrfach erlebt hatte – im Vorjahr z. B. als virtuose Rossini-Rosina.

Sie hat wahrlich das, was Mozart eine „geläufige Gurgel“ nannte und ist eine äußerst charmante und attraktive Bühnenpersönlichkeit. Dennoch schien sie mir an diesem Abend nicht optimal disponiert – dadurch klang manches ein wenig kunstvoll-kühl, leicht belegt und nicht ganz frei. Und es gab speziell bei den Spitzentönen doch wiederholt deutliche Intonationstrübungen. Es möge nicht unfreundlich aufgenommen werden, aber ein wenig musste ich an eine Briefstelle des erst 14-jährigen Mozart denken, als er in seinem köstlichen Sprachgemisch an seine Schwester über eine italienische Sängerin schrieb: à una schnoffelte voce, e canta sempre um ein vierteil zu tardi (diesmal wohl eher: zu tief )hier nachzulesen in den Brief-Transkriptionen des Mozarteums.

Das „Orchester“ des Abends war das Haydn-Quartett – „mit Stammsitz im Schloss Esterhazy in Eisenstadt“. Es begleitete die Instrumental-und Vokalsolisten mit Delikatesse – der von Florian Birsak plastisch gespielte Hammerflügel geriet im A-Dur-Klavierkonzert, KV 414 allerdings ein wenig ins dynamische Hintertreffen. Wunderbar zu erleben und zu spüren war bei allen Ausführenden eine ausgesprochene gemeinsame Musizierfreude.

Höhepunkte des 2.Teils waren die von Sopran und Bariton köstlich und bühnenwirksam vorgetragenen und viel zu selten im Liederabendalltag aufgeführten Lieder: Die Zufriedenheit, Verdankt sei es dem Glanz der Großen, Lied der Freiheit und Die Zufriedenheit. Marie Friederike Schöder und Markus Butter demonstrierten eindrucksvoll, wie lebendig auch Strophenlieder gestaltet werden können. Zu den heiteren Subtilitäten des Abends zählten wohl auch die spontanen Aktionen zwischen Sopran und „Mozart“.

Szenisch wunderbar ausgestaltet und stimmlich sehr facettenreich vorgetragen war auch das Duett Giovanni/ Zerlina Là ci darem la mano.

Dem Don Giovanni war auch die überaus charmante Zugabe entnommen –

Markus Butter als Leporello/ Don Giovanni stimmte das Maestoso aus dem Finale des 1.Aktes an: Venite pur avanti, vezzose mascherette, Marie Friederike Schöder war plötzlich Donna Anna und alle – auch die Instrumentalisten und der von der Sopranistin dazu charmant eingeladene Saal – stimmten ein ins mehrfach und zunehmend stimmkräftig wiederholte Viva la libertà!

Das war ein heiter-gelöster und musikantisch-erfrischender Abschluss eines anregenden und mit lebhaftem Beifall bedachten SOAP-Abends. Man kann freudig-gespannt sein, wie sich am Tag darauf die Verdi-SOAP gestalten wird!

Hermann Becke, 13.7.2016

Aufführungsfotos: Schnappschüsse des Autors

Hinweise:

– Ein Zeitungsportrait von Markus Butter erschien am Konzerttag

– Johannes Silberschneider liest (ist) Mozart: Kurzvideo

– Marie Friederike Schöder hat im Jahr 2013 eine Arien-CD herausgebracht, auf der auch die Blondchen-Arie aufscheint, die an diesem Abend auf dem Programm stand – hier können Interessierte hineinhören