Graz: Valer Sabadus

Graz, Helmut-List-Halle 23. Juli 2015

Ein begnadeter Countertenor!

„Schubertiade-Sommerkonzerte starteten mit einem Triumph für Valer Sabadus“ – das liest man als Überschrift hier in den Vorarlberger Nachrichten über das Konzert in Hohenems vom 16.Juli. Und der Triumph (mit dem identen Programm und mit den identen Zugaben) wiederholte sich nun eine Woche später in Graz beim ausverkauften styriarte-Konzert!

Der 29-jährige aus Rumänien stammende und in Bayern aufgewachsene und ausgebildete Countertenor Valer Sabadus wird vom Veranstalter als „neuer Shooting Star der Countertenor-Szene“ angekündigt. Der schlanke und großgewachsene junge Mann tritt aber so gar nicht als „Star“, sondern eher zurückhaltend auf – schon beim Auftritts- aber auch beim Schlussbeifall des Publikums immer geradezu ostentativ den Dirigenten und das Orchester miteinbeziehend. In Graz ist er – nach seinen umjubelten Auftritten in den Jahren 2013 und 2014 – ein unbestrittener Publikumsliebling. Das letzte Grazer Zeitungsinterview ist auch heute noch informativ und bestätigt den natürlich-bescheidenen Eindruck.

Wenn Valer Sabadus zu singen beginnt, dann wandelt sich der bescheiden auftretende junge Mann plötzlich zum intensiv gestaltenden Virtuosen: er lebt sichtbar bereits in den einleitenden Orchestertakten mit und unterstreicht dann seine Gesangsphrasen immer wieder mit großen Gesten, ohne dass dies je plakativ oder aufgesetzt-künstlich wirkt. Mit seinem Gesang wird er sofort das musikalische Zentrum auf dem Podium – ja, man hat wiederholt den Eindruck, dass er mit seiner stimmlichen und interpretatorischen Intensität Dirigent und Orchester leitet. Seine warm-timbrierte Stimme führt er stets ideal-ausgeglichen von den Mezzo-und Alttiefen bis in die höchsten Sopranhöhen. Alle Verzierungen und Koloraturen sind klar artikuliert, wirken nie verschwommen – und dazu kommen eine ebenso klar-artikulierte Textbehandlung und eine absolute Intonationsgenauigkeit auch bei großen Intervallsprüngen. Man hört gebannt zu und wünscht sich, diesem begnadeten jungen Countertenor nicht nur mit Opernarien auf dem Konzertpodium zu begegnen, sondern ihn auch auf der Opernbühne zu erleben. Und dazu gibt es genügend Gelegenheit, wenn man sich seinen Terminkalender auf operabase ansieht! Für österreichische Barockopernfreunde sei speziell auf die Monteverdische Incoronazione im Oktober im Theater an der Wien hingewiesen, wo Valer Sabadus den Nerone verkörpern wird. Hier finden Sie dazu alle Informationen.

Für Valer Sabadus ist seit langem der Dirigent Michael Hofstetter ein erprobter Partner. Mit ihm hatte er schon 2012 in München die CD Hasse-Reloaded aufgenommen. Diese Partnerschaft hat sich vertieft, seit Michael Hofstetter im Jahr 2012 Chefdirigent von recreation wurde. Im Programmheft liest man zu dieser Partnerschaft: „Gemeinsam mit recreationBAROCK und unter Michael Hofstetter feierte Valer Sabadus im März 2013 einen Riesenerfolg in Versailles und Lyon. Im Dezember darauf wurden seine beiden Mozart-Abende im recreations-Zyklus im Stefaniensaal enthusiastisch bejubelt. Im Mai 2014 kam er für Glucks „Orfeo“ mit recreationBAROCK und Michael Hofstetter abermals nach Graz und soeben kam man aus Hohenems von zwei gefeierten Gastspielen bei der Schubertiade zurück.“

Die Vertrautheit zwischen Solist, Dirigent und Ensemble ist ein wesentliches Fundament für ein gleichzeitig konzentriertes, aber auch entspannt-freilassendes Musizieren. Hofstetter erarbeitete mit dem Orchester recreationBAROCK viele schöne Details. Allerdings hatte das bei den Streichern sehr klein besetzte Ensemble (3 Vl.1, 3 Vl.2, 2 Vla, 1 Vcl, 1Kb) einige Schwierigkeiten, sich in der großen List-Halle entsprechend durchzusetzen – zum Unterschied zum Countertenor, der den großen Raum mühelos füllte. Da fehlte einem im Orchester ganz einfach nicht nur das Volumen, sondern auch der nötige Streicherglanz. Dazu kommt, dass durch die liebevolle Detail-Arbeit für mich oft der große Bogen ein wenig verloren geht. Diesen das Ganze zusammenhaltenden Bogen vermisste ich z.B. in der A-Dur-Sinfonie des 15-jährigen Mozart speziell im elegischen Charme des Andante, aber auch im a-moll-Trio des 3.Satzes. Sehr schön klangen im Ensemble die Traversflöten. Aber auf all diese kleinen Einwände vergaß man sofort, wenn dDer Solist das Podium betrat und die Fäden zusammenhielt, ja geradezu an sich zog.

Bei Valer Sabadus gingen nie die Details der einzelnen Phrasen unter – dennoch gelang es ihm, den großen Zusammenhang zu wahren und stets eine spannende und lebensvolle Figur zu präsentieren. Und das waren ja ganz unterschiedliche Charaktere, die er an diesem Abend zu verkörpern hatte: das reichte vom lyrischen Ramiro in Mozarts „La finta giardiniera“ über den schlichten Rinaldo aus „Armida“ des Mozart-Zeitgenossen und -Freundes Josef Myslivecek bis zum virtuos-attackierenden Cecilio in Mozarts „Lucio Silla“. Nach der Pause eröffnete man mit Mozarts Canzonetta „Ridente la calma“ – etwas wackelig von Cembalo und Violoncello begleitet (vielleicht durch die Aufstellung bedingt), aber kunstvoll ausgeziert. Reizvoll war der Vergleich mit Mysliveceks zuvor erklungener Arie, die Mozart für seine Canzonetta übernommen hatte. Dann folgte eindrucksvoll die große Szene des Sesto aus Mozarts „La Clemenza di Tito“. Den Abschluss bildeten dann zwei Bravour-Szenen aus „Il Cid“ von Antonio Saccchini (1730 – 1786). Das Publikum jubelte – und es gab zwei Zugaben:

Zuerst Mozarts „Voi che sapete“ in der ausgezierten Fassung von Domenico Corri (kann auch mit Magdalena Kožená hier nachgehört werden) und dann nochmals »Se l’augellin sen fugge« aus »La Finta Giardiniera«

Es war ein großer Abend mit einem herausragenden Countertenor!

Hermann Becke, 24.7.2015

Fotos: styriarte, © Werner Kmetitsch

Hinweise:

Website Valer Sabadus

CD: Die Styriarte hat den Live-Mitschnitt des Grazer Konzertes vom Dezember 2013 herausgebracht. Darauf sind vier Mozart-Arien zu hören, die man auch in diesem Styriarte-Konzert erlebte.