Bologna: Konzert der Sieger des Concorso Virtuale S.O.I. Fiorenza Cedolins

Teatro Comunale 17.9.

Heuer hatte der 1. Virtuelle Wettbewerb auf der Suche nach Interpreten von Oper, Operette, Zarzuela und Lied zum dritten Mal stattgefunden, und Fiorenza Cedolins lud zu einem Konzert der Prämierten in das schöne Bologneser Opernhaus.

Im ersten Teil waren die sieben originellsten Videos zu sehen. Besonders unterhaltsam war Leonard Bernsteins "Glitter and be gay" aus "Candide", dargeboten mit unglaublichem Elan von der Italienerin Vittoria Licostini. Am aufregendsten war ein Selbstmord in der Badewanne, den David Esteban aus Ecuador mit "No puede ser" aus der Zarzuela "La tabernera del puerto" inszenierte. Dank seiner stimmlichen Leistung ging Esteban auch als Sieger in der Kategorie Zarzuela hervor und wurde mit Preisen von "Opera actual" und "Parma Lirica" belohnt.

Dann war es an den Siegern der verschiedenen Kategorien, sich persönlich vorzustellen. Der italienische Bass Andrea Vittorio De Campo teilte sich den 3. Platz ex aequo mit dem Schweizer Sopran Hélène Walter. Der Vortrag von "La calunnia" aus Rossinis "Barbier" und "Sombre forêt" aus dem "Guillaume Tell" desselben Komponisten bezeugte gleich das hohe stimmliche Niveau des Wettbewerbs. Das Preisgeld von 1.500 Euro wurde von der Asociación Victoria de Los Angeles zur Verfügung gestellt. De Campo erhielt zusätzlich einen Vertrag für das Teatro Lirico in Cagliari, ein Vorsingen im Teatro Real in Madrid und ein Konzert im brasilianischen Sao Paulo. Walter wird ein Konzert mit den Solisti Veneti bestreiten.

Siegerin in der Kategorie Oper wurde die 24-jährige Armenierin Juliana Grigoryan, die einen vollen, runden, technisch und expressiv gefestigten Sopran vorzuweisen hat und eine überaus überzeugende Mimì gestaltete. Zum Preisgeld von 5000 Euro erhielt sie Verträge vom Opernhaus Erfurt und vom Festival in Martina Franca, sowie Vorsingen in Madrid, Sevilla und Toulouse.

Den 1. Preis in der Kategorie Lied sicherte sich die jüngste Prämierte, die 23-jährige Chinesin Yutong Shen, doch im Konzert sang sie die Glöckchenarie aus "Lakmé" von Léo Delibes wahrhaft glockenrein und mit furchtlosen Höhen. Sie errang ein Vorsingen in Madrid.

Die armenische Mezzosopranistin Ani Kushian, die die meisten Publikumsstimmen bekommen hatte, sang mit gutem Material und viel Temperament "Acerba voluttà" aus Cileas "Adriana Lecouvreur".

Die französische Sopranistin Héloïse Koempgen bekam den Preis für die Interpretation eines neuen Liedes. (Der Komponist war im Saal, aber ich habe seinen Namen leider nicht verstanden). Sie wird in Sofia und Triest vorsingen. Nach Sofia eingeladen wurde auch der ungarische Tenor Péter Bodolai, dessen Video mit "Quando all’altar di Venere" als Pollione in Bellinis "Norma" zu sehen war.

Einen jeweils von Privaten gestifteten Preis erhielten der italienische Mezzo Valeria Girardello für das beste Rossini gewidmete Video (im Konzert sang sie "Tanti palpiti" aus "Tancredi"), bzw. Giacobbe Antonini für Figaros Auftrittsarie aus dem "Barbier von Siviglia", die in einem unterhaltsamen Video zu hören war.

Ein Höhepunkt des vom Orchester des Hauses unter der Leitung von Giuliano Carella mit der "Barbier"-Ouverture eröffneten Abends war der Auftritt von Gregory Kunde, dem der Preis für seine Karriere überreicht wurde, und der sich mit Cavaradossis "E lucevan le stelle" (das er übrigens noch nie gesungen hatte!) bedankte. Zusammen mit Fiorenza Cedolins glänzte er dann im Duett Énée/Didon "Nuit d’ivresse" aus Berlioz‘ "Troyens".

Das von allen Teilnehmern gesungene "Libiamo" aus Verdis "Traviata" schloss eine Vorstellung ab, die viele interessante Stimmen zu Gehör gebracht hatte. Bedauerlich ist nur, dass aus dem deutschen Sprachraum kaum jemand an diesem Wettbewerb teilgenommen hat, bietet er doch neben zahlreichen kleineren Preisen auch viele Möglichkeiten, an wichtigen Opernhäusern vorzusingen bzw. gar schon einen Vertrag zu erhalten.

Eva Pleus 22.9.22

Bilder: Andrea Ranzi