Palermo: „Feuersnot“

Aufführung 26.1.2014, (Premiere 18.1.2014)

Sizilien zu Gast in München

Als erstes italienisches Opernhaus widmete sich das Teatro Massimo dem wichtigsten diesjährigen Jahresregenten Richard Strauss. Die Wahl fiel auf das zweite Jugendwerk des bayrischen Meisters, das 1901 bei seiner Uraufführung in Dresden (nachdem die Erstlingsoper „Guntram“ in Weimar ein Fiasko erlebt hatte) eine mehr als freundliche Aufnahme gefunden hatte. Für Italien handelte es sich um eine Erstaufführung in deutscher Sprache, war „Feuersnot“ bisher bei den wenigen Produktionen (Scala 1912 unter Tullio Serafin, Carlo Felice Genua 1938 unter Richard Strauss selbst, konzertant 1973 RAI Turin unter Peter Maag) ja nur auf Italienisch zu hören gewesen.

Ein mutiger Schritt also, die Saison 2014 mit einem faktisch unbekannten Werk zu eröffnen. Für die Realisierung wurde die sizilianische Regisseurin Emma Dante engagiert, und es muss gesagt werden, dass das sonst so lasche Publikum von Palermo mit seinem Jubel der Aufführung großen Erfolg bereitete. Grund dafür war eine für das Auge sehr erfreuliche Produktion, in der Dante mit ihrer formidablen Truppe von 30 Tanzschauspielern (wenn der Ausdruck gestattet ist) eine farbenfrohe, mediterrane Welt auf die von Carmine Maringola gestaltete Bühne (Kostüme: Vanessa Sannino) stellte. Das wirbelte und tobte (Bewegungsregie: Sandro Maria Campagna) vor architektonisch typischen, in gleißend südliches Licht getauchten Häusern, orangefarbene Bänder flatterten, orientalisch anmutende Röcke und bei den Herren nackte Oberkörper suggerierten ein pralles Straßenleben, wie es in München, wo das Libretto des Ernst von Wolzogen spielt, auch zur Sommersonnwendfeier so nicht stattfindet.

Mit der Oper wollte Strauss dem von ihm so verehrten Richard Wagner eine Hommage erweisen, indem er nicht nur die Handlung zur Zeit der Johannisnacht spielen ließ, sondern es den Münchnern, die für den Bayreuther Meister kein Verständnis aufgebracht hatten, so richtig hineinsagte. Unter Verwendung einer flämischen Sage wird erzählt, wie der Zauberer Meister Reinhardt vor Jahren aus der Stadt verjagt wurde und man über seinen begabten Schüler Kunrad und seine Liebe zur schönen Diemut lacht. Diese will sich an Kunrad, der ihr vor aller Welt einen Kuss geraubt hatte, rächen: Sie tut so, als wolle sie ihn in ihrer Kammer empfangen und will ihn angeblich in einem Korb (in dieser Inszenierung einer von vielen vom Schnürboden herabhängenden Stühlen) zu sich heraufziehen. Dann lässt sie ihn aber zum Gaudium der Umstehenden in halber Höhe hängen. Als sie keine Anstalten macht, Kunrad aus seiner misslichen Lage zu befreien, lässt dieser mit Hilfe eines Zauberspruchs das Licht in der ganzen Stadt erlöschen. In einer langen Ansprache wirft er seinen Mitbürgern ihre Engstirnigkeit und Kleinkariertheit vor. Damit Licht und Feuer wiederkehren, muss ihn Diemut in ihrer Kammer aufnehmen (was zur Zeit der Uraufführung einige Schwierigkeiten mit der Zensur ergab). Kunrad erreicht sein Ziel, die Feuersnot ist zu Ende, und ein Hymnus auf die Liebe beendet das Werk.

Das groß besetzte Orchester lässt schon so manches hören, was uns Strauss als Komponisten erkennen lässt (das gilt vor allem für die besonders ins Ohr gehenden Walzer). Mit dem – gleichfalls sizilianischen – Dirigenten Gabriele Ferro fand die Oper eine eher bemühte Umsetzung, denn das Orchester del Teatro Massimo hatte seine liebe Not mit der Umsetzung seiner Vorgaben (da sich dieser Klangkörper bei „Rheingold“ und „Walküre“ unter einem anderen Dirigenten wesentlich besser geschlagen hatte, geht wohl vieles auf das Konto des Mannes am Pult). Chor (Einstudierung: Piero Monti) und der Kinderchor unter Salvatore Punturo schlugen sich achtbar. (Auffallend war, dass von siebenunddreißig Kindern nur drei Knaben waren!).

Für die anspruchsvolle Rolle des Kunrad verlangte Strauss einen hohen Bariton: Der verdiente Dietrich Henschel konnte die Partie nur mit großer Anstrengung durchstehen und tat sich mit den Höhen extrem schwer. Nicola Beller Carbone (Diemut) hielt sich trotz ein paar schriller Höhen besser. Beide vermochten darstellerisch zu überzeugen. Mit Ausnahme von Christine Knorren (Elsbeth, eine von Diemuts Freundinnen) gab es unter den Sängern keine weiteren Muttersprachler, was hier, wo viel in bayrischem Dialekt zu singen ist, zu einem sprachlichen Wirrwarr ohnegleichen führte. Genannt seien stellvertretend für passable bis schwache gesangliche Leistungen Rubén Amoretti (Ortlof Sentlinger, Dietmuts Vater), Alex Wawiloff (Burgvogt Schweiker von Gundelfingen) und Paolo Orecchia (Kunz Gilgenstock). Vor Beginn der eigentlichen Oper wurde gute 10 Minuten lang eine Art Happening von Straßenkünstlern dargestellt, begleitet von einem kakophonischen Hörerlebnis, dessen Sinn unklar blieb, denn auch im Programmheft wurde es weiter nicht erwähnt.

Von der begeisterten Zustimmung des Publikums wurde schon berichtet.

Eva Pleus 9.2.14

Credits: Studio Camera / Palermo