Premiere: 19. September 2019
Was will uns eigentlich die Regisseurin damit sagen ?
Zuerst gesagt: Wien hat keinen Mangel an „Rusalka“. 2010 hat die Volksoper das Werk neu inszeniert (Renaud Doucet & André Barbe setzten auf Umweltverschmutzung und Mülldeponie), 2014 kam es in der Regie von Sven-Eric Bechtolf an der Staatsoper heraus, die vorläufig letzten Aufführungen dieser Inszenierung (die Nixen in einer Art Betonbunker angesiedelt) gab es im November vorigen Jahres. Also, warum wieder „Rusalka“, nun im Theater an der Wien? Sicher, Dvoraks Oper ist eine der schönsten des slawischen Repertoires. Und als geglückt kann man ja die beiden Produktionen dieses dezidiert als „lyrisches Märchen“ bezeichneten Werks nicht eben bezeichnen. Nur – die Inszenierung im Theater an der Wien ist es wahrlich auch nicht. Regisseurin Amélie Niermeyer lässt uns nie wissen, was sie uns eigentlich erzählt.
Christian Schmidt muss nicht immer nur Zimmer bauen, wie er es für Claus Guth regelmäßig tut, aber diese Szenerie verrät auch nicht, was sie ist und was sie will. Soll diese Halle mit Pool (den man vom Parterre aus nicht sieht) und großer Treppe eine Wellness-Anlage sein? Ein Sofa, eine Stehlampe, verschiedene Öffnungen zwecks verschieden angedeuteter Hintergründe: Wo ist man da? Die weißen Wände sind dazu da, dass sich in ihnen das Wasser spiegelt oder dass sie mit Farben bzw. Videosequenzen (das inzwischen wohl langweiligste aller Stilmittel) überzogen werden. Die Aufschrift „Pozor“ bedeutet übrigens, das Internet übersetzt: Achtung, Stillgestanden, oha! Ja, oha! Oha? Ach ja? Wie das?
Das vermittelt nun alles andere als die eigentlich märchenhaft gemeinte Natur, der im Werk eine böse Realität gegenüber gestellt wird. Diese manifestiert sich hier, indem ein riesiger Lobmeyr-Luster herabgesenkt wird (dieses Ding muss ein Vermögen kosten, oder kann man so etwas mieten?). Dazu gibt es eine seltsam metallig gekleidete Dienerschaft und eine Hochzeitsgesellschaft ganz in Schwarz, die per Video auf der Wand tanzt, in der Realität aber starr herumsteht wie bei einem Begräbnis. Ist das die Inszenierungsidee des Abends?
Man kann die ganzen Gewalt-Einfälle der Regie gar nicht aufzählen. Rusalka und ihre Gefährtinnen erscheinen in roten Strumpfhosen, darüber etwas wie Spitalshemden (Kostüme: Kirsten Dephoff) – wer sind sie? Wer ist der Wassermann, immerhin im anständigen Anzug (mit Brille, weil er ja ein ganz normaler Mann und kein Märchenwesen sein soll), der sich von den Mädchen quälen lässt (wie Alberich von den Rheintöchtern), aber auch recht handgreiflich gegen sie wird? Rusalkas Gefährtinnen begehen im dritten Akt übrigens Harakiri, bevor sie frisch fröhlich wieder erscheinen…
Vom Prinzen weiß man, dass er ein ganz übler Kerl ist und (völlig unnötigerweise übrigens) splitterfasernackt über die Bühne geht: So wie letztlich im Theater an der Wien bei „Euryanthe“ der Darsteller des Lysiart – kann man in diesem Haus eine Garantie auf nackte Männer buchen? Wie seltsam ist das? Nichts an dieser Inszenierung passt zusammen oder macht Sinn, abgesehen davon, dass elementar fehlt, was Musik und Libretto in so reichem Maße besitzen: Poesie. Hier wird nur Willkür versprudelt.
Immerhin, und das wiegt schwer, hat der musikalische Teil des Abends mehr als getröstet. An erster Stelle muss man hier den jungen deutschen Dirigenten David Afkham am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien nennen: Das ist eine hoch beeindruckende Interpretation, die kompensiert, was die Szene schuldigt bleibt. Da wurde wunderbare slawische Romantik (mit ihrer Verbeugung vor Wagner und der deutschen Romantik) beschworen, Lyrik und Wärme, ätherische Reinheit und Sinnlichkeit, ein Orchesterteppich, der hörbar großartig gearbeitet war. Und wie immer tadellos dabei: der Arnold Schoenberg Chor (geleitet von Erwin Ortner)
Die Schwedin Maria Bengtsson ist Rusalka mit klarer, sauberer, schöner Stimme, zarten Piani, dramatischen Aufschwüngen und strahlenden Höhen. Gesanglich passt der tschechische Tenor Ladislav Elgr hervorragend zu ihr, auch hier eine schön und schlank geführte Stimme, die dennoch mit Dramatik und Höhe keine Probleme hat (wenn ihm nicht gerade zufällig einmal ein Krächzer in den Hals kommt). Dass er wie eine Christus-Parodie aussieht, sich über weite Strecken wie ein Trottel benehmen und auch noch seine Kronjuwelen herzeigen muss – das kann man wohl der Regie anlasten.
Der Dritte im Bunde der Stimmen, die an diesem Abend glücklich machten, war Günther Groissböck als Wassermann, mit seinem großen, schönen und kraftvollen Baß, der das Quentchen Metall und auch das Quentchen Rauheit hat, das dieser Stimmlage gut ansteht. Darstellerisch versuchte er, die durchaus widersprüchlichen Aktionen, die ihm auferlegt werden, so auf einen Nenner zu bringen, dass letztendlich noch eine positive Figur herauskommt.
Die drei Nixen – Ilona Revolskaya, Mirella Hagen, Tatiana Kuryatnikova – ließen Qualitätsstimmen hören, als sie im dritten Akt endlich ein wenig mehr zu singen bekamen. Nicht ganz so glücklich wurde man mit den Mezzos – Kate Aldrich ließ als fremde Fürstin die Sinnlichkeit in der Stimme vermissen, kompensierte jedoch mit schonungslosem Einsatz. Hingegen darf selbst eine Hexe nicht so klingen wie Natascha Petrinsky als Jezibaba, auch wenn sie hier sehr modisch (mit Zigarettenspitize) daherkommt. Die drei Dienerfiguren Heger, Küchenjunge und Jäger (die man eigentlich immer als überflüssig empfindet) sind bei Markus Butter, Juliette Mars und Johannes Bamberger in guten Händen.
Der stärkste Applaus galt den Sängern, voran Rusalka und dem Wassermann. Das Publikum hätte die Regisseurin ruhig wissen lassen können, welch sinnloses Theater sie hier auf die Bühne gestellt hat.
Renate Wagner 20.9.2019
(c) Herwig Prammer