Basel: „Madama Butterfly“

Premiere: 30. März 2019

Die sechste Oper Puccinis, Madama Butterfly (Tragedia giapponese), spielt laut dem original Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica. in Japan, in Nagasaki zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es basiert auf der Erzählung Madame Butterfly (1898) von John Luther Long und der Tragödie Madame Butterfly (1900) von David Belasco.

Der Regisseur hat die Handlung modernisiert und diese an einen eher anonymen asiatischen Touristenort verschoben. Barkhatov will mit seiner Inszenierung zeigen, dass der Kolonial-tourismus, die Militärkolonisierung noch nicht ausgestorben ist, ja dass sogar neue Höhepunk-te gefeiert werden. Diese Aktualisierung ist Vasily Barkhatov sehr gut gelungen. Dazu kommt, dass er das eher handlungsarme Drama mit stummen Spielszenen angereichert hat und dies mit einer Personenführung, welche den Handlungsstrang zwingend unterstreicht.

Auch die Musik Puccinis geisselt die Arroganz der westlichen Hemisphäre im auslaufenden 19. Jahrhundert, wie zum Beispiel Pinkertons Arie "Dovunque al mondo", untermalt mit Zita-ten aus der Marinehymne "the Star-Spangled Banner", seit 1931 amerikanische Nationalhym-ne. Diese Arroganz ist auch heute noch vorhanden. Nur ist es nicht nur mehr eine westliche Arroganz, auch asiatische Nationen haben die ausbeuterische, kapitalistische Auffassung von "Entwicklungshilfe!?" vom Westen übernommen.

Wesentlich für den musikalischen Ausdruck der Komposition Puccinis ist der Gegensatz zwi-schen östlichem und westlichem Lebensstil. Unter der Stabführung des Italieners Antonello Allemandi interpretiert das Sinfonieorchester Basel (SOB) die Musik Puccinis hervorragend, trotz aller Präzision voller Emotionen. Der Dirigent erlaubte den Sängerinnen und Sängern eine Freiheiten, welche in eine selten erlebte stringente Interpretation mündete.

Das Team um den Regisseur Vasily Barkhatov schuf eine für die Inszenierung hervorragende Umgebung.

Das Bühnenbild stammt vom Russen Zinov Margolin. Seine Arbeit erlaubte nahtlose Über-gänge der einzelnen Szenen, was Handlungsablauf flüssig ohne unnötige Pausen machte. Auch konnten die stummen Spielszenen optimal eingebaut werden, ohne das musikalische Geschehen zu stören.

Die Kostüme unterstrichen die Idee des Regisseurs, welcher den Handlungsort aus Japan ent-fernte und diesen nach "irgendwo in Asien" versetzte. Diese Kostüme, sehr farbig und eher thailändisch als japanisch, wurden von Olga Shaishmelashvili entworfen.

Sehr speziell gefiel mir die Arbeit von Alexander Sivaev, verantwortlich für Lichtführung und Videoeinspielungen. Eindrücklich die Darstellung der Erinnerungen von Cio-Cio San im mu-sikalischen Zwischenspiel zwischen dem ersten und zweiten Teil des zweiten Aktes.

Cio-Cio San, genannt Madama Butterfly wird interpretiert von der amerikanischen Sopranis-tin Talise Trevigne. Ihre Bühnenpräsenz ist extrem lang, sie steht praktisch während der ge-samten Spieldauer auf der Bühne. Ihre Schlussarie "tu,tu piccolo iddio" klingt nach 2 ½ Stun-den genau so sauber intoniert, so hervorragend interpretiert wie im ersten Akt das Liebesduett mit Pinkerton "vogliagtemi bene, un bene piccolino". Ihre Diktion ist gut, die Intonation her-vorragend, ihr Gesang ohne falsches Vibrato.

Die Mezzosopranistin Kristina Stanek, Ensemblemitglied in Basel, überzeugte als Dienerin Suzuki. Nach ihren Rollen in Lucio Silla (Regie Hans Neuenfels), in Diodati unendlich

(Regie Lydia Steier) überrascht mich ihre darstellerische und sängerische Leistung, welche ihresgleichen sucht, überhaupt nicht.

Der georgische Tenor Otar Jorjikia, singt und spielt seinen zynischen B.F. Pinkerton mit aus-gezeichneter Intonation und guter Diktion. Seine darstellerische Leistung fällt gegenüber sei-nem Gesang etwas ab. Ich vermisse bei ihm eine zwingende Körpersprache.

Dies ist mir schon bei einigen Sängerinnen und Sängern aus östlichen Gefilden aufgefallen. Die Körperarbeit scheint auf westeuropäischen Bühnen mehr Gewicht zu haben. Nur rampen-orientierte Stimmakrobatik wird vom westlichen Zuschauer nicht mehr so geschätzt. Auch die schauspielerischen Leistungen, welche die zu erzählenden Geschichten unterstreichen, sind gefragt.

Domen Krizaj interpretierte den amerikanischen Konsul in Nagasaki Sharpless gekonnt mit einer guten sängerischen Leistung. Das obenerwähnte Manko betreffend Körperspra-che/Körperarbeit gilt für auch Krizai.

Karl Heinz Brandt als Heiratsvermittler Goro überzeugte wie immer durch seine Gesangs-kunst und seine schauspielerische Interpretation der Rolle des geldgierigen Heiratsvermittlers.

In weiteren Rollen waren zu sehen und hören: Vahan Markaryan als Yamadori, Andrew Mur-phy als Bonzo, Ena Pongrac als Kate Pinkerton, sowie Hendrik Köhler, Frauke Willimczik, Evelyn Meier und Xiao Hui Zhang.

Der Chor des Theater Basel, geleitet von Michael Clark, interpretiert seinen Part mit gewohn-ter musikalischer Qualität.

Das zahlreich erschienene Premierenpublikum belohnte diese hervorragende Produktion mit dem verdienten langanhaltenden (standing ovation) Applaus.