Bonn: „La forza del destino“, Giuseppe Verdi

Lieber Opernfreund-Freund,

nach seinen in Ko-Produktion mit der Welsh National Opera entstandenen Vespri Siciliani, die 2019 in Bonn gezeigt wurden, und dem Ballo in Maschera, der 2022 am Rhein zu sehen war, zeigt die Oper Bonn seit gestern Sir David Pountneys dritte Verdi-Regiearbeit: La forza del destino.

© Bettina Stöß

Der britische Regisseur benutzt dabei dieselbe Bildsprache wie in den anderen beiden Werken: Die drehbaren Wände von Raimund Bauer verengen und erweitern den Raum, werden zu Kulissen, zu Klosterpforte, Schlafgemach und improvisierter Theaterbühne. Und auch eine Figur aus den anderen Arbeiten führt Pountney in seiner 2017/18 an der WNO aus der Taufe gehobenen Produktion erneut ein. Die Fortuna-ähnliche Frauenfigur als Motor der Handlung personifiziert sich nun in Preziosilla, die in Bonn nicht nur die Soldaten, sondern gleich das ganze Schicksal antreibt und in Richtung des fatalen Ausgangs führt. Die erste Hälfte des Abends hat Pountney mit „Frieden“ überschrieben, die beiden letzten Akte mit „Krieg“, doch friedlich geht es auch zu Beginn nicht zu. Da wird allerorten von Rache gesprochen und gebüßt für die begangene Untat der versehentlichen Tötung des Vaters. Leonora hat sich auf Knien dem Kloster mit seinen blutüberströmten Mönchen zu nähern (Kostüme: Marie-Jeanne Lecca), Dornenkrone und Selbstgeißelung inklusive – das schafft gerade in der Finalszene des zweiten Aktes mit seiner himmlischen Musik einen optischen Bruch und zeigt anschaulich, dass man das eigene Gewissen nicht loswird.

© Bettina Stöß

Nach der Pause allerdings entgleitet Pountney mitunter die Szene. Die Masken des exzellent agierenden und singendes Chores unter der Leitung von André Kellinghaus werden immer grotesker, die Umsetzung der Militärlager-Szene im dritten Akt mittels eines „Theaters des Krieges“ erscheint schließlich völlig sinnbefreit. Als ungewollter Kontrast wird dafür im letzten Akt im Wesentlichen herumgestanden und -gelegen, als wären dem Regisseur nach insgesamt rund 9 Stunden inszenierter Verdi-Oper irgendwie die Ideen ausgegangen. Doch der szenisch öde Schluss vermag die positiven musikalischen Eindrücke des Abends kaum zu schmälern. Im Graben legt Verdi-Spezialist Will Humburg gekonnt die Grundlage für einen veritablen Verdi-Abend. Er führt das Beethoven Orchester voller Verve durch die klangvolle Partitur und kann sich auf der Bühne auf exzellentes Sängerpersonal verlassen. 

© Bettina Stöß

Yannick-Muriel Noah ist eine leidenschaftliche Leonora, die mit kraftvollem Sopran die inneren Nöte ihrer Figur glaubhaft macht. Dass sie ausgerechnet beim Pace, pace mio Dio! kleinere Schwierigkeiten mit der Intonation hat, ist unglücklich, aber schmälert die Leistung des verdienten Ensemblemitglieds in keiner Weise. Seit langen Jahren in Bonn ebenfalls Verlass ist auf George Onianis unablässig vor Virilität nur so strotzenden Tenor. Der Georgier zeigt strahlende Höhen und seine Duette mit Franco Vassallo gehören zweifelsohne zu den klanglichen Höhepunkten des Abends. Der Italiener liefert als einziger Gastsänger des Abends ohnehin einen facettenreichen, imposanten Don Carlo ab. Dshamilja Kaiser stattet ihren satten Mezzo mit verführerischen Farben aus, wird so als Preziosilla bzw. Curra vollends zur Schicksalsbringerin des Regiekonzepts. Pavel Kudinov ist ein herrlich sonorer Guardiano, während Enrico Marabelli als Fra Melitone mit überragender Bühnenpräsenz für das eine oder andere Schmunzeln sorgt. Aus der Gruppe der kleineren Rollen lässt mich vor allem Christopher Jähnig mit seiner klangschönen und geschmeidigen Bassstimme aufhorchen. Der junge Sänger übernimmt die Partie des Chirurgen, die mir bislang in dieser Oper gar nicht erst aufgefallen war. 

© Bettina Stöß

Am Ende applaudiert das Publikum Sängern und Orchester fast frenetisch, die wenigen Buhrufe für die Regie gehen im immer noch freundlichen Applaus unter. Anhänger traditioneller Inszenierungen werden mit dieser Forza nicht unbedingt glücklich werden, Fans von exzellent präsentiertem Verdi hingegen werden das Opernhaus beseelt verlassen. Also: nix wie hin!

Ihr
Jochen Rüth, 3. Februar 2025


La forza del destino
Oper von Giuseppe Verdi

Oper Bonn

Premiere: 2. Februar 2025

Regie: Sir David Pountney

Musikalische Leitung: Will Humburg
Beethoven Orchester Bonn

weitere Vorstellungen: 8., 11., 16., 21. und 23. Februar, 8. und 23. März sowie 19., 24. und 26. April 2025