Premiere: 16. Januar 2020, besuchte Vorstellung: 2. Februar 2020
Stefan Zweig 1935: Unwillkürlich fragte ich mich: Wie war das eigentlich mit Maria Stuart? Und schon war der Schriftsteller am Schreiben eines Buches über Maria Stuart.
Die Frage, wie das mit Maria Stuart war, müssen sich auch heute Regisseurinnen und Regisseure stellen, welche Schillers Klassiker auf die Bühne bringen.
Martin Kindervater: Wie lässt sich ein Politthriller des 16. Jahrhunderts, in einer Sprache und Struktur des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts spannend und eindrücklich erzählen?
Kindervater inszeniert auf offener Bühne. Seine Handlungsorte sind für alle Protagonistinnen und Protagonisten einsehbar. Er verzichtet auf die örtliche Trennung, wie dies Schiller in seinen Anweisungen für jeden Akt vorgesehen hat. Das Bühnenbild, entworfen von Anne Manss, umfasst die ganze Bühnentiefe und Bühnenbreite. Die aktiven Spielorte werden nur mit Licht (Lichtdesign: Mario Bubic) sichtbar gemacht, die Nebenschauplätze verharren in einem Zeitstillstand, wohl zu sehen, aber fast unbeweglich. “MARIA STUART“ lebt, wie alle Werke Schillers, durch die Sprache und mit der Sprache. Für die ZuschauerInnen entsteht so die Möglichkeit, sich eigene Bilder zu schaffen, wie das der Fall ist, wenn man ein packendes Buch liest. Die Frage “Wie war das“ stellt sich so auch für das ganze Publikum! Die Personenführung des Regisseurs ist klar strukturiert, so wie es der Text Schillers verlangt. Seine Arbeit mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, das ist klar zu sehen und hören, geht bis ins kleinste Detail. Körpersprache, Mimik und Gestik gehen einher mit dem Text, unterstreichen und verstärken die Aussagen, machen die Emotionen der Künstler auf der Bühne sichtbar und helfen die Handlung voran zu treiben.
Kindervater hält sich an die aus dem antiken griechischen Theater bekannte Anweisung nach der Einheit der Handlung, des Ortes und der Zeit. Dies ist auch von Schiller vorgesehen. Die klare Struktur hilft dem Verständnis für das Werk aus dem 18. Jahrhundert, ist aber im Zeitalter der elektronischen schnellen Medien gewöhnungsbedürftig.
Elisabeth Kopp in der Rolle von Maria Stuart, Königin von Schottland präsentiert mit ihrem Spiel eine Stuart, welche einerseits weiss, dass sie zu Tode verurteilt werden wird, dies aber andererseits zu verhindern sucht.
Ihrer Gegenspielerin, politische Gegnerin Elisabeth, Königin von England, glaubhaft gespielt von Anja Schweizer, ist klar, dass Maria Stuart sterben muss. Nicht wegen ihrer Verbrechen, wie zum Beispiel der Ermordung ihres zweiten Gatten, Nein! Sie muss aus politischen Gründen hingerichtet werden. Sie bedroht die Macht Elisabeths, der jungfräulichen Königin Englands ohne legitimen Erben.
Eigentlich ist Maria Stuart ein Zwei-Personen Stück. Alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler sind bloss Zuträger für die Protagonistin Maria Stuart und ihre Antagonistin Elisabeth. Es braucht allerdings diese Zuträgerinnen und Zuträger weil sonst das Schauspiel auf einige lange Monologe Marias und Elisabeths sowie einige Dialoge reduziert würde.
Das Spiel der beiden Hauptpersonen kann nicht genug bewundert werden. Ihre Leistung als Schauspielerinnen ist hervorragend. Beide verkörpern glaubhaft, ja sie leben die darzustellenden Persönlichkeiten.
Dies gilt für das ganze Bühnenteam ohne jede Einschränkung.
Victor Calero gibt den Graf von Leicester, Thiess Bramer spielt den Grafen von Shrewsbury und in der Rolle des Barons von Burleigh erleben wir Martin Hohner. Holger Kunkel brilliert als Amias Paulet, der Hüter Marias und Lukas Hupfeld steht als Mortimer, Paulets Neffe auf der Bühne. Als Marias Kammerfrau Hanna Kennedy ist Janna Horstmann eine würdige Mitspielerin von Elisabeth Kopp.
Die ausgezeichnete Dramaturgie, welche Schillers Intentionen sicherlich optimal übernimmt besorgte Tamina Theiss. Der Entwurf der Kostüme stammt von Anna van Leen.
Das an diesem Abend sehr junge Publikum (ist Schiller Pflicht in der Schule?) belohnte die sehr gelungene Aufführung mit dem verdienten Applaus.
Peter Heuberger, Basel
© Birgit Hupfeld