Freiburg: „Falstaff“, Giuseppe Verdi

Premiere: 28. September 2019, besuchte Vorstellung: 16. Oktober 2019

Die letzte Oper des Vielschreibers Giuseppe Verdi, er komponierte 28 Werke, ist wegweisend für die Entwicklung der komischen Oper in Italien. Es vergingen nach Gaetano Donizettis " DON PASQUALE" (UA 1843) annähernd 50 Jahre, bis mit "FALSTAFF" wieder eine komische Oper in italienischer Sprache von hohem Rang entstand. In Italien fehlte die Tradition der Wiener oder Pariser Operette. Verdi hat die italienische komische Oper gleichsam neu erfunden. Ähnlich wie bei Richard Wagners Meistersinger als das komische Gegenstück zu Tannhäuser betrachtet werden könnten, ist bei Giuseppe Verdi und Arrigo Boito Falstaff der komische Antagonist zu Othello. Verdis Falstaff hat, deutlicher als Wagners Meistersinger, eine Wiederbelebung der musikalischen Komödie um die Jahrhundertwende eingeleitet. So war zum Beispiel Richard Strauss war ein glühender Bewunderer der Partitur Verdis.

Unter der Spielleitung von Anna-Sophie Mahler entstand im Theater Freiburg eine recht moderne Interpretation dieses Werks. Ohne Moralin nimmt die Regisseurin Forderungen der "MeToo" Bewegung auf und interpretiert das Recht, den Anspruch der Frauen auf Rache bei Anmache auf ihre sehr originelle Weise. Dies ohne die dramaturgische Kraft des Librettos (Arrigo Boito), basierend auf Shakespeares Werken, zu verfälschen. Sie erzählt die Geschichte dieser Verwirrungen und Intrigen sehr verständlich, auch für unvorbereitete Zuschauer. Dies ist auch der ausgezeichneten dramaturgischen Begleitung durch Heiko Voss zu verdanken. Mahlers Personenführung ist klar durchdacht, neigt allerdings in einigen wenigen Szenen zum Rampensingen. Die Ausnützung der drei Ebenen des Bühnenbildes, entworfen vom Schweizer Bühnenbildner Duri Bischoff, unterstützt die Aktionen in diesem turbulenten Intrigenspiel. Die Regie legt grossen Wert auf die Interaktion zwischen den Schauspielerinnen und Schauspielern auf der Bühne. Ebenso achtet die Regisseurin auf gute Diktion, Verständlichkeit der Sprache. Dies ist etwas, auf welches einige Regisseurinnen und Regisseure, speziell aus nicht westlichen Sprachräumen des Öfteren vernachlässigen. Der französische Theaterleiter und Regisseur Olivier Py hat dies in einem Interview einmal so ausgedrückt: >Sans parole il y a pas de musique< (Ohne Worte gibt es keine Musik).

Das Philharmonische Orchester Freiburg interpretierte unter der Stabführung von Fabrice Bollon Verdis Werk makellos mit hoher Präzision, gekonnter Dynamik und viel Einfühlvermögen in Verdis musikalische Intentionen.

Juan Orozco brillierte als Sir John Falstaff. Seine klare Stimmführung mit hervorragender Diktion, einer ausgezeichneten Intonation gepaart mit einer körperlichen Agilität erfreuten die gut gelaunten Zuschauerinnen und Zuschauer. Sein Bariton wechselte nahtlos von schneidender Aggression zur selbstverliebten Intimität, vom Zynismus zum Sarkasmus.

Joshua Kohl interpretierte Fenton mit seiner klaren Stimme und spielte überzeugend den in Nannetta verliebten jungen Mann. Sein strahlender Tenor gefiel. Dasselbe muss auch für die junge Sopranistin Samantha Gaul, (Nannetta) gelten. Ihre saubere Intonation ohne jegliches verfälschende Vibrato, zusammen mit einer Diktion, welche man selten zu hören bekommt, sind Vorbedingungen für eine noch internationalere Karriere, sofern die junge Sängerin zu ihrem Kapital, ihrer Stimme Sorge trägt und nur die Zinsen verbraucht. Ihre Rolle in Diodati unendlich von Wertmüller war sehr gut gesungen, aber für eine junge Stimme ein Kraftakt.

Irina Jae-Eun Park spielte und sang die Alice, Fords Frau. Ihre Intonation war, trotz sehr oft präsentem Vibrato sauber. Ihr Diktion liess in allen Lagen zu wünschen übrig. Dazu kommt, dass sie sich, in gewissen Szenen, zu stark in den Vordergrund sang.

Als eifersüchtigen Ford zu hören und sehen war Martin Berner. Sein Bariton ist eher weich und stimmlich ein ausgezeichneter Gegensatz zu Sir John. Diktion und Intonation waren gut, mittlere und höhere Lagen sind eher Berner Sache als die tiefen Partien seiner Rolle.

Roberto Gionfriddo überzeugte als unbeholfener, verlachter Doktor Cajus mit seinem kräftigen und makellosen Tenor. Seine komödiantische Leistung kam in dieser Rolle voll zum Tragen.

Inga Schäfer als Meg Page liess weder gesanglich noch schauspielerisch Wünsche offen. Kein unbeholfenes, unangebrachtes Vibrato, keine unsaubere Diktion störte ihre Leistung auf der Bühne.

Anja Jung als Quickly war wie immer ein spezielles Erlebnis. Ihre Rolleninterpretation war überzeugend, ihr Mezzosopran erfreulich anzuhören.

Auf der Bühne als Bardolfo und Pistola, Sir Johns Bedienstete: Junbum Lee und Rossen Krastev.

Der Opernchor des Theater Freiburg, (Chorleitung Norbert Kleinschmidt) meisterte seine Auftritte gekonnt und in professioneller Qualität.

Das zahlreich erschienene Freiburger Publikum bedankte die reife Leistung des gesamten Ensembles vor und hinter der Bühne sowie im Orchestergraben mit dem verdienten, langanhaltenden (standing) Applaus.

Peter Heuberger, Basel

Fotos © Paul Leclaire