Hildesheim: „Victor/Victoria“

Spannungsarm

Bereits in den 30er Jahren gab es einen deutschen UFA-Film, in dem eine Frau vorgibt, ein Mann zu sein, der vorgibt, eine Frau zu sein; diesen entdeckte der amerikanische Regisseur Edward Blake etwa 1980. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten von Film-Musiken Henry Mancini entstand zwei Jahre später mit Julie Andrews in der Titelrolle eine Neuverfilmung, die einen Oscar für die beste Original-Film-Musik gewann. Weitere 13 Jahre später eroberte die Story als Musical-Komödie die Broadway-Bühnen, in der die im Nachtclub gescheiterte Sängerin Victoria, die sich auf den genialen Einfall ihres Freundes Toddy als Mann ausgibt, nun als Transvestit Triumphe feiert, wieder mit Julie Andrews in der Hauptrolle.

Caroline Zins/Ensemble

In Hildesheim war nun Katja Buhl für die Inszenierung und Choreograhie der Verwicklungen zuständig, die sich daraus ergeben, dass sich Victoria und King Marchand, ein Gangster-Boss, ineinander verlieben, was bei dem Macho eine starke Verstörung seiner Gefühlswelt auslöst. Er kann nicht glauben, dass er in einen Mann verliebt ist. Problematisch waren dabei die vielen Szenenwechsel, die zu bewältigen waren. Zwar hatten Steffen Lebjedzinski und Anne-Katrin Gendolla versucht, das Bühnenbild so zu gestalten, dass es relativ schnell geändert werden konnte, aber die Liebe zum Detail erwies sich als so zeitaufwändig, dass jedes Mal die Spannung beim Zuschauer abfiel und bei der nächsten Szene neu aufgebaut werden musste. Das konnten weder die musikalische Untermalung noch der offene Umbau verhindern. An manchen Stellen hätte auch eine textliche Straffung gutgetan. Die Szenen waren in sich recht stimmig, optische Höhepunkte waren jeweils die Auftritte im Nachtclub. Da bewies Katja Buhl ihre choreographischen Fähigkeiten bei spanischen und Tango-Rhythmen; die passenden Kostüme kreierte Eva-Maria Huke.

Caroline Zins/Jens Krause

Eine Big Band, ergänzt von E-Gitarren und Klavier, spielte unter der Leitung von Andreas Unsicker munter auf. Mancinis vom Jazz geprägte Musik wurde gut dargeboten, wenn auch kein so wirklich zündendes Stück dabei war. Die Musical-Truppe des TfN schlug sich wieder einmal achtbar. Caroline Zins war eine entzückende Victoria/Victor, die mit ihrer Stimmlage entsprechend variierte. Besonders eindringlich waren die Szenen, wenn sie merkt, dass sie selbst als Victor dem Bewunderer King Marchand verfällt, aber doch noch nicht sagen kann, dass sie eine Frau ist; ihr Tango mit seiner Ex-Freundin Norma war Klasse. Überzeugend spielte Tim Müller diesen an sich und seiner Natur zweifelnden King, der schließlich alle Vorurteile über Bord wirft und einfach einen Menschen liebt („Es ist mir völlig egal, ob du ein Mann bist“). Köstlich überdreht kam Norma (Annika Dickel) auf ihrer ständigen Vorteilssuche daher, ein sehr belebendes Element der Aufführung. Als bekennender Homosexueller Toddy war Jens Krause großartig. Ein Knüller war am Schluss seine Übernahme der Rolle von Victor im Club; da konnte er zeigen, was auch an tänzerischem Potential in ihm steckt. Hervorzuheben bleibt noch Alexander Prosek als kräftiger Squash Bernstein (Kings Bodyguard), der sich gegen Ende auch als homosexuell outet. Die übrigen Mitwirkenden rundeten das stimmige Ensemble passend ab.

Tim Müller/Annika Dickel/Caroline Zins

Die Vorstellung am 13.11. war recht gut besucht, das Publikum ging aber erst zögerlich mit, ehe es sich zu Zwischen- und freundlichem Endapplaus entschloss.

Marion Eckels 14.11.2014
Bilder: Andreas Hartmann

Weitere Vorstellungen: 5./17./31.12. u.a.