Vorstellung am 2. Oktober 2016
In meisterlicher Leichtigkeit
Mit seiner ersten großen Premiere in der Spielzeit 2016/17 ist dem Theater Hagen mit Mozarts DIE HOCHZEIT DES FIGARO ( „Le nozze di Figaro“) ein absolut überzeugender Start in die neue Saison gelungen. Mehr noch, die gestrige Premiere wurde zu einem Ausrufezeichen dieses Theaters und seiner beachtlichen künstlerischen Möglichkeiten. Diese Inszenierung lohnt jede Anreise und sollte auf keinem Terminplaner eines Opernfans fehlen. Eine großartige Ensembleleistung auf der Bühne, ein Philharmonisches Orchester Hagen mit echten Mozartqualitäten und alles in den besten Händen von Hagens GMD Florian Ludwig, der dem begeisterten Publikum musikalisch einen großen Abend bescherte.
Mozarts Oper buffa in vier Akten , basierend auf dem Theaterstück von Beaumarchais, erzählt die Geschichte vom Graf von Almaviva der nichts gegen eine Hochzeit seines Kammerdieners Figaro mit der Zofe seiner Gattin, Susanna, einzuwenden hat. Denn bei ihr will er das von ihm abgeschaffte „Recht der ersten Nacht“ wieder zu seinen Gunsten einführen.
Doch er ahnt nicht, daß sich Figaro und seine Susanna nicht nur mit der Gräfin verbünden, sondern auch noch den dauerverliebten Pagen Cherubino ins Spiel bringen, der seinerseits für reichlich Verwicklungen sorgt. Als auch noch die Beschließerin des gräflichen Schlosses Marzelline auf ihrer heißersehnten Hochzeit mit Figaro besteht, ist die Verwirrung komplett und findet ihren Höhepunkt , als auch die Auflösung aller Intrigen, im nächtlichen Garten des gräflichen Schlosses. Am Ende ist der Graf es, der einsehen muss, dass er die Frau, die ihn tatsächlich liebt, auf schlimme Weise hintergehen wollte. Seine Entschuldigung an seine Gräfin und deren Verzeihen beschließen Mozarts musikalischen Geniestreich.
Der Regisseurin Annette Wolf gelingt es diesen Stoff mit einer geradezu meisterlichen Leichtigkeit auf die Bühne zu bringen. Auf den ersten Blick eröffnet sie den Zuschauern den Blick auf die Rokoko-Zeit, aber spielt dann doch immer wieder mit den verschiedenen Epochen, die dem Rokoko folgten. Sei es, wenn Figaro zu Beginn der Oper ein Regal in schwedischer Selbstbauweise zusammenbauen will, oder aber, wenn im letzten Bild der Oper ein amerikanischer Luxusschlitten aus den 1970-er Jahren auf die Bühne rollt, den sie sehr geschickt in die laufende Handlung einbezieht. Zumindest sind die Kostüme der Protagonisten und das sie umgebende Bühnenbild der ursprünglichen Handlungszeit nachempfunden. Hierfür zeichnete sich in besonderer Weise die Kostüm- und Bühnenbildnerin Imme Kachel verantwortlich. Ulrich Schneider, der für die in dieser Inszenierung besonders wichtige Lichttechnik zuständig war, komplettierte ein Regieteam, welches ganz besonders vom Premierenpublikum für seine einfallsreiche und raffiniert-zeitlose Umsetzung des alten, und doch ewig aktuellen, Theaterstoffes gefeiert wurde. Ebenfalls positiv zu vermerken ist, dass diese Inszenierung auch an vielen Stellen knisternde Erotik in Form von Gesten und Blicken aufweist, dabei aber nie zotenhaft, oder gar plump, daher kommt.
Auf der Bühne agierte ein Ensemble, dem die Begeisterung für das Werk und diese Inszenierung deutlich anzumerken war. Bis in die kleinste Partien hinein wurde hier Mozart auf hohem Niveau gesungen und (was ebenfalls von hoher Wichtigkeit ist) gespielt. Die Verbindung aus Gesang und Spiel der Sängerinnen und Sänger und dem von seinem künstlerischen Leiter Wolfgang Müller-Salow bestens einstudierten Chor des Theater Hagens erst machte diesen Mozartabend zu einem wahren Vergnügen für ein begeistertes Premienpublikum.
Neele Jacobson und Ann-Katrin Niemczyk als Blumenmädchen gaben persönliche und gelungene Bühnendebüts. Richard van Gemert sang gleich in zwei Rollen. Zum einen den Don Curzio, als auch den Basilio. Ebenso wie Rainer Zaun als Bartolo und Marilyn Bennett als herrlich aufgedrehte Marcellina wussten sie beim Publikum für ihre jeweiligen Leistungen zu punkten. Viel Applaus und Anerkennung für die vermeintlich kleineren Gesangspartien.
Den Cherubino gestaltete die Mezzosopranistin Kristine Larissa Funkhauser mit großem komödiantischem Talent und stand dem auch gesanglich in nichts nach. Ein Bilderbuch-Cherubino in vielerlei Hinsicht, den Frau Funkhauser da auf die Hagener Bühne gezaubert hat.
Die Gräfin wurde von Veronika Haller gesungen. Auch bei ihr ist die Darstellung hervorzuheben und die Hingabe, mit der sie diese Rolle der frustrierten und dann später sich revanchierenden Ehefrau spielte. Gesanglich steigerte sich Veronika Haller im Laufe des Abends und sang ein hingebungsvolles „Dove sono i bei momenti“ (Arie der Gräfin, 3. Akt) und wußte ihren Sopran besonders in den Ensembleszenen wirkungsvoll einzusetzen.
Andrew Finden als Figaro durfte viele menschliche Facetten seiner Partie zeigen und durchleben und steigerte sich im Laufe des Abends zu einer sehr respektablen Gesamtleistung, die vom Publikum entsprechend honoriert wurde.
Die Susanna ist in vielen Inszenierungen immer eine der zentralen Rollen dieser Oper. So auch in Hagen. Mit der Sopranistin Cristina Piccardi verfügt das Hagener Opernhaus über eine glänzende Vertreterin dieser anspruchsvollen Mozartpartie. Die spielerische Kombination aus naiv, schlitzohrig und sexy gelang ihr vortrefflich. Dazu mit einem Sopran, der anfangs viel Leichtigkeit vermittelte, aber im weiteren Verlauf auch kraftvoll zum Einsatz kam. Ein besonderes Lob an Cristina Piccardi für dieses gelungene Rollenportrait.
Der Graf Almaviva ist nicht wirklich zu beneiden im Spiel der Geschlechter untereinander. Ist er es doch, der den eigentlichen Auslöser zu allerlei Verwicklungen und Intrigen gab. Der anfangs arrogante Edelmann muss am Ende des Stückes nicht nur seiner Ehefrau Abbitte leisten und erkennen das Macht auch immer Verantwortung anderen gegenüber mit in sich trägt. Dem Hagener Bariton Kenneth Mattice gelang eine hervorragende Darstellung und Umsetzung dieser komplexen Rolle. Ein Sängerschauspieler erster Güte. Den Grafen sang er mit nobler, mitunter elegant klingender, Stimme, auch in den höheren Gesangsbereichen dieser Partie.Ein tolles, da überzeugendes, Rollendebüt des gebürtigen US-Amerikaners, der bereits im Frühjahr dieses Jahres als Eugen Onegin an gleicher Stelle zu überzeugen wusste.
Der Hagener GMD Florian Ludwig stellte schon zu Beginn der Oper mit der Ouvertüre klar, dass dies kein schleppender Figaro wird, sondern einer mit Tempo. Das Philharmonische Orchester Hagen geht Ludwigs Tempo mühelos und kongenial mit und musizierte dabei einen klangschönen, stets präzis und dabei auch anmutig wirkenden, Mozart.
Detlef Obens 4.10.16
Fotos (c) Theater Hagen / Klaus Lefebvre