Hagen: „Die Zauberflöte“

Besuchte Aufführung: 26.12.2016

TRAILER

Kommt irgendwo eine neue „Zauberflöte“ heraus, stellt man sich als Kritiker immer die Frage: „Muss ich das sehen?“, schließlich wird das Stück überall gespielt. Die Hagener Inszenierung von Annette Wolf hatte schon vor über einem Jahr Premiere und wurde von mir in der ersten Saison ignoriert. Nachdem die Produktion aber in ihre zweite Spielzeit ging, warf ich einen Blick auf die Bilder und das Werbevideo des Hagener Theaters und war neugierig: Eine „Zauberflöte“ im Museum, bei der die Kunstwerke lebendig werden! Das könnte ein interessantes Konzept sein.

Tatsächlich beginnt die Aufführung vielversprechend: Tamino ist ein Museumsbesucher, der sich in die Betrachtung von Caspar David Friedrichs „Frau in der Morgensonne“ verliert. Die Frau auf dem Bild verwandelt sich in ein schlangenköpfiges Ungeheuer, vor dem Tamino von den drei Museumwächterinnen beschützt wird. Das Bild Paminas wird als Videoinstallation vorgeführt und die Königin steigt schließlich leibhaftig aus dem Friedrich-Gemälde als Biedermeier-Frau.

Soweit, so gut, doch mit dem Fortschreiten der Aufführung wirkt das Konzept wie bloße Dekoration. Zudem ist die Inszenierung nicht zu Ende gedacht: Träumt Tamino die Geschichte nur? Warum nehmen die Kunstwerke immer weniger Raum ein? Immerhin ist das Bühnenbild von Jan Bammes, das aus verschiebbaren Säulen besteht, funktional und sehenswert.

Im zweiten Teil gibt es nämlich nur noch eine große Nana im Stile von Niki de Saint Phalle, während nun die politischen Elemente in den Vordergrund rücken und die Regie Sarastros Politik immer stärker kritisiert: Während Sarastro ein salbungsvolles „In diesen heiligen Hallen“ singt, hört man die Schmerzensschreie des gefolterten Monostatos von der Hinterbühne. Im Rahmen seiner Prüfungen muss Tamino einen ganzen Aktenberg ungesehen unterschreiben. Und im Finale erkennen Pamina und (nach langem Zögern) Tamino, dass sie mit diesem Priestersystem nichts zu tun haben wollen.

Eine Konzentration auf diesen politischen und Sarastro-kritischen Ansatz, hätte die Inszenierung wirklich spannend und schlüssig gemacht.

Die Besetzung ist durchwachsen: Kejia Xiong besitzt als Tamino zwar schönes Material, seine Stimme klingt aber sehr eng. Beim Papageno von Kenneth Mattice gefällt zwar der weiche Bariton, doch stört der starke englische Akzent. Ilkka Vihavainen als Sarastro besitzt eine warme Bassstimme, fokussiert diese aber nicht in den Zuschauerraum, sodass man viele Töne gar nicht richtig hört.

Maria Klier verfügt zwar über alle Töne, die eine Königin der Nacht braucht, doch hört man ihr die Anstrengungen der Rolle an. Die Stimmen der drei Damen Veronika Haller, Kristine Larissa Funkhauser und Gudrun Pelker vereinigen sich zu einem kraftvollen Ensemble, doch schleichen sich bei ihnen auch immer wieder Ungenauigkeiten ein.

Große Klasse ist jedoch die Pamina von Dorothea Brandt, die mit ihrem kraftvollen und energischen Sopran eine selbstbewusste junge Frau darstellt. Als starker Gegenspieler Sarastros profiliert Rainer Zaun den ersten Priester, so dass man sich fragt, warum er nicht den Oberpriester übernimmt. Eine zuverlässig-muntere Papagena ist Amelie Petrich.

Am Pult des Philharmonischen Orchesters Hagen leitet Generalmusikdirektor Florian Ludwig eine kraftvolle Aufführung. Der Klang ist rund und kompakt, doch hat man manchmal den Eindruck, dass sich bei einigen Orchestermusikern zu viel Routine eingeschlichen hat, denn die Einsätze sind nicht immer auf den Punkt musiziert.

29.12.2016 Rudolf Hermes

Bilder (c) Theater Hagen